Verkaufs­ge­schäft am Pracht­bou­le­vard Unter den Linden

Tablett: Ansicht von Berlin vom Tempelhofer Berg (um 1820). Foto Richard Borek Stiftung

Serie über die Braun­schweiger Manufaktur Stobwasser, Folge 6: Zweig­un­ter­nehmen wurde 1773 in Berlin gegründet.

Die Geschichte des Lackwa­ren­un­ter­neh­mens Stobwasser ist in erster Linie mit dem Namen des innova­tiven Firmen­grün­ders Johann Heinrich Stobwasser (1740–1829) verbunden. Ihm war es gelungen, einen aus Bernstein und verschie­denen Kopal­harzen bestehenden, hochwer­tigen Lack herzu­stellen, der hitze­be­ständig und wasser­fest war.

Johann Heinrich Stobwasser, der von Jugend an ein hervor­ra­gender Zeichner war, legte den Schwer­punkt seiner Arbeit von Beginn an auf eine künst­le­risch hochwer­tige Bemalung seiner Lackar­tikel. Das waren anfangs in erster Linie Tische, Tabletts, Schmuck-und Tabaks­kästen, Becher und Pfeifen­köpfe, vor allem jedoch die bis heute mit seinem Namen verbun­denen, mit feinster Malerei verzierten Schnupf­ta­baks­dosen aus gehär­tetem Papier­maché oder Weißblech. Vorlagen für die Malerei bezog das Unter­nehmen aus seiner eigenen, umfang­rei­chen Kunst­samm­lung, die Gemälde – zumeist Kopien deutscher, italie­ni­scher und nieder­län­di­scher Meister, – Kupfer­stiche und Litho­gra­fien umfasste.

Tabakdose: Ansicht der Kloster­straße in Berlin (1. Hälfte des 19. Jahrhun­derts). Foto Richard Borek Stiftung

Sie enthielten Motive jeglicher Gattung, darunter Genre­szenen, Bildnisse berühmter Persön­lich­keiten, Porträts schöner Frauen, Szenen aus den napoleo­ni­schen Kriegen sowie Darstel­lungen aus der griechi­schen und römischen Mytho­logie. Beson­derer Beliebt­heit erfreuten sich aber schon damals Phanta­sie­land­schaften, Stadt­ve­duten und stimmungs­volle Darstel­lungen von Eichen­wäl­dern des Braun­schweiger Malers Pascha Johann Friedrich Weitsch.

Kutsche für Friedrich den Großen

Ein im Jahr 1768 erfolgter Auftrag Friedichs des Großen, für ihn eine Kutsche zu lackieren, kam so gut an, dass der Preußen­könig ihn einlud, den Sitz der Manufaktur nach Berlin zu verlegen. Stobwasser hielt jedoch aus Treue zu Braun­schweig und zu Herzog Karl I. am alten Standort fest und verlegte sich auf die Gründung eines Zweig­un­ter­neh­mens in Berlin, das er 1773 ins Leben rief und der Leitung seines kreativsten Mitar­bei­ters Jean Guérin anver­traute.

Der Franzose Guérin hatte in Paris bei den Brüdern Martin das Lackier­hand­werk gelernt und 1767 Stobwas­sers Schwester Luise gehei­ratet. Nicht weniger geschäfts­tüchtig als sein Schwie­ger­vater, war auch Guérin bald so erfolg­reich, dass der preußi­sche Magistrat ihm schon bald den Titel „Zweiter Hofla­ckierer Preußens“ verlieh. Erster Hofla­ckierer Preußens war zu dieser Zeit Sebastian Chevalier. Auch ein Franzose, arbeitete jedoch im Stil des Rokokos war daher für Stobwas­sers Compagnon sicher­lich kein Konkur­rent gewesen.

Nach längerer Erkran­kung und Guèrins Tod hatte Johann Heinrich Stobwasser 1794 neben der Braun­schweiger Fabrik nun auch noch die Berliner Filiale übernommen und erfolg­reich fortge­führt. Guérins Erkran­kung und sein vorzei­tiger Tod veran­lassten Johann Heinrich Stobwasser, von 1794 neben der Braun­schweiger Fabrik auch noch die Leitung der Berliner Filiale zu übernehmen. Höchster techni­scher und künst­le­ri­scher Standard sowie eine fortschritt­liche soziale Perso­nal­po­litik mit Gründung einer Betriebs­kran­ken­kasse ließen unter ihm das Berliner Unter­nehmen zu einem der führenden Kunst­hand­werks­be­triebe Deutsch­lands aufsteigen. Die Betriebs­stätte befand sich in der Wilhelm­straße Nr. 98, das Verkaufs­ge­schäft am Pracht­bou­le­vard Unter den Linden Nr. 31. Kurz nach der Jahrhun­dert­wende beschäf­tigte die Firma neben 30 Malern noch 40 weitere Mitar­beiter.

Auftrag von König Jérôme

Schon 1810 hatte Johann Heinrich die Geschäfte in Braun­schweig und Berlin seinem Sohn Christian Heinrich (1780 – 1848) übertragen, der ursprüng­lich Theologie studiert hatte, dieses Studium jedoch abbrach, um nach einer Fortbil­dung in England die Lackwerk­stätten des Vaters zu übernehmen. Auch unter seiner Leitung vergrö­ßerten sich die Unter­nehmen. Das Waren­spek­trum der Berliner Fabrik blieb anfangs weitge­hend unver­än­dert. Es reichte von allen möglichen bürger­li­chen Gebrauchs­ge­gen­ständen bis hin zu höfischen Pretiosen und ausge­fal­lenen Möbel­stü­cken. So hatte sich beispiels­weise die preußi­sche Königin Luise bei Stobwasser einen mehrtei­ligen, beidseitig bemalten Paravent bestellt, und von Kurprinz Wilhelm II. von Hessen-Kassel ging für König Jérôme der Auftrag für einen außer­ge­wöhn­li­chen, 3000 Taler teuren Kamin­schirm für den Kasseler Ballsaal ein.

Die Vielfalt und Qualität der Produk­tion spiegelte sich auch in einer diffe­ren­zierten Preis­ge­stal­tung wider. Je nach Feinheit der Malerei bot man zum Beispiel im Stobwas­ser­schen Verkaufs­ge­schäft Unter den Linden runde Stobwas­ser­dosen zu Preisen von bis zu 12 Talern an. In ihren besten Jahren umfasste die Produkt­pa­lette des Berliner Unter­neh­mens über 80 Positionen und allein im künst­le­ri­schen Bereich beschäf­tigte die Firma über 50 Maler, unter denen sich so bedeu­tende Namen wie Karl Friedrich Schinkel, Heinrich Stürmer, Ludwig Catel und Friedrich Georg Weitsch befanden. Einer Empfeh­lung des Berliner Akade­mie­di­rek­tors Johann Gottfried Schadow folgend, hatte die Preußi­sche Regierung Christian Heinrich im Jahr 1830 aufgrund seiner künst­le­ri­schen Verdienste den Titel „Akade­mi­scher Künstler“ verliehen.

Braun­schweiger Unter­nehmen verkauft

Unter solchen Vorgaben konnte sich Christian Heinrich in der Berliner Gesell­schaft zu einem künst­le­risch engagierten Geschäfts­mann entwi­ckeln. Zwei Jahre nach seiner Auszeich­nung verkaufte Stobwasser das Braun­schweiger Unter­nehmen an seine beiden langjäh­rigen Geschäfts­führer August Wilhelm Meyer und Carl Friedrich Wried, die diese Firma am angestammten Ort bis 1856 auf hohem Niveau erfolg­reich weiter­führten.

Da sich schon seit Ende des 18. Jahrhun­derts die Entwick­lung und Herstel­lung von Lampen als aufstre­bender Indus­trie­zweig abgezeichnet hatte, sah Stobwasser sich veran­lasst, neben seiner Lackwa­ren­pro­duk­tion auch Astral- und Kranz­lampen sowie Lampen­füße und Bronze­ar­tikel nach eigenen Entwürfen in sein Waren­an­gebot aufzu­nehmen. So firmierte man seit etwa der Mitte des 19. Jahrhun­derts unter folgender Adresse: „C. H. STOBWASSER & Co – FABRIK von Lampen, Lackirten u. Metall-Waaren. BERLIN. Wilhelm – Strasse No 98. Darunter jeweils die Devise: Labor improbus omnia vincit., sowie: Gegründet in Braun­schweig 1763. Nach Berlin verpflanzt 1773“. Seine Waren­lager befanden sich damals Unter den Linden Nr. 33 sowie in der Königs-Strasse 57a, ein weiteres mit der Adresse „Muster-Lager, Kochs-Hof am Markt No 33.“ in Leipzig.

Mehrfach ausge­zeichnet

Als Anerken­nung für seine Verdienste hatte die Preußi­sche Regierung Christian Heinrich Stobwasser 1844 mit dem Roten Adler-Orden 3. Klasse ausge­zeichnet. Zudem errang die Fabrik mit ihren Lack-und Bronze­ar­beiten auf den großen Welt‑, Kunst- und Gewer­be­aus­stel­lungen, wie beispiels­weise in Berlin, London, und Paris Goldene und Silberne Medaillen sowie weitere bedeu­tende Preise.

Nach dem Ableben Christian Heinrich Stobwas­sers im Jahr 1848 führte sein ehrgei­ziger Sohn Gustav Arnold das Unter­nehmen, das schon bald in eine Aktien­ge­sell­schaft umgewan­delt wurde, in Berlin fort. Der neue Firmen­chef, der in seiner Jugend selbst künst­le­ri­sche Ambitionen gezeigt hatte, war bereits seit 1845 als bevoll­mäch­tigter Teilhaber der Fabrik einge­schrieben. Unter seiner Leitung eroberte sich das Unter­nehmen erneut einen ersten Platz innerhalb seines Geschäfts­be­rei­ches, von nun an unter der Adresse: „Berliner Lampen-& Bronze­waaren-Fabrik, vorm. C. H. Stobwasser & Co. Actien- Gesell­schaft“.

1867 etwa 500 Mitar­beiter

In welchem Ausmaß sich die Firma unter Gustavs Leitung vergrö­ßerte, erfährt man aus dem Katalog der Pariser Indus­trie­aus­stel­lung vom Jahr 1867. Demnach war das Betriebs­per­sonal des Stobwas­ser­schen Unter­neh­mens auf etwa 500 Mitar­beiter angewachsen. Den Glanz­punkt seiner Geschichte erreichte es am 23. August 1863, dem 100. Jahrestag der Firmen­grün­dung. Anläss­lich dieses Jubiläums wurden der Fabrik von höchster Stelle nochmals zahlreiche Auszeich­nungen verliehen. Da sich die Quellen zur Spätzeit der Fabri­ka­ti­ons­stätte verlieren, lässt sich gerade noch das ungefähre Todes­datum Gustavs ermitteln. Es soll dies das Jahr 1898 gewesen sein.

Detlev Richter sammelt seit Mitte der 1970er Jahre, gilt als der Stobwasser-Experte schlechthin und erarbei­tete das von der Richard Borek Stiftung in Auftrag gegebene und im Internet frei zugäng­liche Stobwasser-Werkver­zeichnis: http://www.werkverzeichnis-stobwasser.de/

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