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3000 Lackkunst-Objekte akribisch geordnet

Tablett aus Eisenblech mit Öl-Lackmalerei: „Lady Elisabeth Grey bittet Edward IV. um den Besitz ihres verstorbenen Gemahls“. Foto: Detlev Richter
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Detlev Richter sammelt seit Mitte der 1970er Jahre, gilt als der Stobwasser-Experte schlechthin und erarbeitete das im Internet frei zugängliche Werkverzeichnis.

Die Aufmerksamkeit für die deutsche, insbesondere die aus Braunschweig stammende Lackkunst wäre ohne die Sammelleidenschaft, die Akribie und den über die Jahrzehnte erworbenen Kenntnisreichtum von Detlev Richter in der heutigen Zeit wohl doch eher bescheiden geblieben. In den einstigen Standardwerken zur europäischen Lackkunst war Stobwasser, obwohl im 18. und bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine Manufaktur mit Weltgeltung,  mit kaum mehr als Randnotiz bedachten worden. Zu Unrecht. Heute sieht das dank Richters zweibändiger Veröffentlichung „Stobwasser – Lackkunst aus Braunschweig und Berlin“, daraus resultierender Ausstellungen und insbesondere dem im Internet zu findenden, umfassenden Werkverzeichnis glücklicherweise anders aus.

„Das für die Geschichte der europäischen Lackkunst wichtige und kulturhistorisch facettenreiche Gebiet `Stobwasser` blieb lange vernachlässigt, bis 1988 unter dem sehr allgemein gefassten Titel „Lackdosen“ eine Monographie von Detlev Richter erschien – tatsächlich das erste Buch, das sich der Geschichte der Familie und der Manufaktur Stobwasser wie der Machart und dem Vertrieb ihrer Lackwaren eingehend widmete“, heißt es auf der Homepage www.werkverzeichnis-stobwasser.de

Die Internetseite führt insgesamt 3072 Lackkunst-Objekte auf. Davon stammen 1768 aus der Stobwasser-Manufaktur. Die Stücke – darunter neben den bekannten Dosen und Schatullen auch viele Gebrauchsgegenstände wie Kannen, Teller oder Tassen –  sind jeweils exakt beschrieben, die Abbildungen lassen sich per Mausklick vergrößern und so kann die Kunst im Detail betrachtet werden. Richter faszinierte an Stobwasser von Anfang an „die unglaublich aufwendige Handarbeit aller Stücke, egal ob aus Papiermaché oder Metall, die einmalig gute Miniaturmalerei mit Öl-Lackfarben und nicht zuletzt der hervorragende, glasklare Bernsteinlack, der mit zigfachen Polituren per Handballen aufgetragen wurde“.

Mit der von der Richard Borek Stiftung in Auftrag gegebenen Internet-Dokumentation wird das Wissen um die Manufaktur Stobwasser und ihre Produkte der Öffentlichkeit ohne Einschränkung zur Verfügung gestellt. Es ist Richters vorläufig letzter Beitrag, der die Leistungen dieses zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nur wenigen Eingeweihten bekannten Herstellers feinster Lackarbeiten in das allgemeine Bewusstsein rückt.

Eine Reihe ausgewählter Lackkunst-Objekte zeigt übrigens aktuell das Schlossmuseum Braunschweig im Rahmen seiner Sonderausstellung „Marie! Die Frau des Schwarzen Herzogs.“ Die Ausstellung ist noch bis Juni 2016 zu sehen (Informationen unter: http://www.schlossmuseum-braunschweig.de). Mit rund 200 Stobwasser-Produkten besitzt das Städtische Museum Braunschweig die weltweit größte Sammlung. Sie befindet sich gegenwärtig allerdings im Archiv und ist nicht öffentlich zugänglich.

Seit Mitte der 1970er Jahre, als Richter die ersten Schnupftabakdosen für sich entdeckte, begeistert sich der Münchner für Lackkunst. Er ist längst der herausragende Kenner, insbesondere natürlich für Stobwasser. „Die Anfänge der Lackmalerei gehen in den Fernen Osten, vor allem nach China und Japan zurück“, berichtet er. Die Blütezeit der europäischen Lackkunst habe Anfang des 17. Jahrhunderts in Holland, England, Italien, Frankreich und  in Deutschland begonnen.

Stobwasser komme eine besondere Bedeutung zu. „Denn den Übergang von der deutschen Hofwerkstätte zur Manufaktur hat die Familie mit ihren 1763 in Braunschweig und 1772 in Berlin gegründeten Lackwarenmanufakturen vollzogen.  Obwohl schon bald viele Nachahmer dieses Genres auf den Plan traten, hat keiner von ihnen die Qualität Stobwasser´scher Stücke je ganz erreicht. Stobwasser war im Übrigen auch Vorbild für die Russischen Lackmanufakturen Lukutin, Wischnjakow, Austen, Fabrik Ek  und viele andere“, erklärt Detlev Richter. Die Stobwasserdosen erreichten Weltgeltung und sind nach wie vor als herausragende Kunsthandwerksarbeiten gesucht.

Sogar Friedrich der Große erteilte Stobwasser einst einen Auftrag. Die Manufaktur  sollte eine Staatskarosse in Berlin lackieren. „Diese Arbeit erregte sogleich überregionale Aufmerksamkeit und brachte Stobwasser die Einladung des Preußenkönigs ein, seine Fabrikation ganz nach dort zu verlegen. Die Treue zum Braunschweiger Hof veranlasste ihn jedoch, am alten Standort festzuhalten. Dies trug ihm schließlich das Privileg ein, fortan als einziges Unternehmen seine Artikel als `Braunschweiger Lackwaren` bezeichnen und mit seinem Namen signieren zu dürfen“, ist auf der interessanten Homepage zu lesen.

Nachdem Richter die ersten Stobwasser-Stücke erworben hatte und begann, sich stärker für das Thema zu interessieren, merkte er, dass wenig Literatur dazu existierte. Er nahm deshalb Kontakt zu Museen in Braunschweig auf. Daraus entwickelte sich seine erste Publikation. 1988 erschien sein Buch „Lackdosen“. Das Werk stieß in Fachkreisen auf großes Interesse, ist etwa auch in den USA in englischer Übersetzung erschienen. Es war auch Grundlage für Kataloge mehrerer Ausstellungen etwa im Historischen Museum  Hannover,  im Kunstgewerbemuseum Berlin, im Preysing-Palais der Bayerischen Vereinsbank München oder im Goethemuseum in Düsseldorf.

2005 folgte die vom Museum für Lackkunst in Münster, der Richard Borek Stiftung und der damaligen Stiftung Nord/LB Öffentliche (heute Die Braunschweigische Stiftung) unterstützte, zweibändige Veröffentlichung „Stobwasser – Lackkunst aus Braunschweig und Berlin“. Sie diente erneut als Grundlage für die Kataloge der Ausstellungen im Museum für Lackkunst in Münster, im Städtischen Museum  Braunschweig, bei der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen sowie im  Deutschen Historischen Museum in Berlin.

Die bislang letzte von Detlev Richter kuratierte Ausstellung wurde 2013 unter dem Titel „Stobwasser & Roentgen – Kunsthandwerk von Weltrang“  im Roentgen-Museum in Neuwied gezeigt. Auch dazu begleitete ein aufwendig von Richter und Bernd Willscheid gemeinsam erarbeiteter Katalog die Ausstellung.

Mehr unter : http://www.werkverzeichnis-stobwasser.de/

Fotos

 

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