Ein Küster fügte das „b“ in Stobwasser ein

Die Medaillons zeigen die Eltern von Johann Heinrich Stobwasser in Lobenstein. Foto: RBS

Serie über den berühmten Braun­schweiger Kunst­hand­werker, Folge 1: Interview mit Angela Niepel, Leiterin des Regio­nal­mu­seums Bad Loben­stein, zu den frühen Jahren.

Er war ein Meister seines Handwerks und produ­zierte heraus­ra­gende Luxus­ar­tikel nicht nur für den gehobenen bürger­li­chen Alltags­ge­brauch, sondern auch für die Braun­schweiger Herzöge. Seine Artikel, die insbe­son­dere durch seine Erfindung des Lackauf­trags glänzten, sind noch heute in einem sehr guten Zustand zu bewundern. Seine Lackpro­dukte waren über die Grenzen Braun­schweigs weltbe­kannt.

Zum 260-jährigen Gründungs­ju­bi­läum des Famili­en­un­ter­neh­mens von Johann Heinrich Stobwasser (1740–1829) setzen sich sechs Experten für „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ mit unter­schied­li­chen Facetten von Leben und Werk des Braun­schweiger Kunst­hand­wer­kers ausein­ander. In Folge 1 berichtet Angela Niepel, Leiterin des Regio­nal­mu­seums Bad Loben­stein, im Interview über Johann Heinrich Stobwas­sers Herkunft. Im Fokus der weiteren Folgen stehen die damalige Wirtschafts- und Stand­ort­po­litik in Braun­schweig, die Entwick­lung des Famili­en­un­ter­neh­mens in Braun­schweig und Berlin, die Herstel­lung und Verar­bei­tung der bekannten Tabak­dosen und schließ­lich der Künstler Pascha Weitsch (200-jähriges Jubiläum), der eine Zeit lang für das Unter­nehmen tätig war und insbe­son­dere Tabak­dosen bemalte.

Frau Niepel, von wann an lassen sich Spuren der Familie Stobwasser in Loben­stein nachweisen?
Die Familie Stobwasser stammte aus einem alten mähri­schen Adels­ge­schlecht. Mitte des 17. Jahrhun­derts wurde die Familie von ihren Gütern in der Heimat vertrieben, weil sie protes­tan­tisch war. Eigent­lich lautete der Name da noch „Stowasser“. Im Jahr 1717 wurde im Loben­steiner Kirchen­buch verse­hent­lich ein „h“ eingefügt, im Jahr 1740 verwan­delte ein unauf­merk­samer Küster dieses wiederum in ein „b“ – auf diese Art entstand der uns heute geläufige Name „Stobwasser“.

Was ist über die Familie des Manufak­tur­grün­ders Johann Heinrich Stobwasser (1740–1828) bekannt?
Johann Heinrichs Vater war ein Glaser­meister namens Georg Siegmund Eusta­chius (1686–1776), genannt Sigismund. Seine Mutter war Christine Elisabeth, geborene Fichte (1712–1792). Die Familie wurde von den Auswir­kungen des großen Stadt­brandes in Loben­stein am 18. September 1732 hart getroffen: Sigismund Stobwasser verlor seinen gesamten Besitz und musste sich und die Familie danach als Kurzwa­ren­händler ernähren. Die Mutter und auch die Kinder halfen, indem sie Wolle für einen ortsan­säs­sigen Tuchma­cher spannen.

Wie groß war Loben­stein zu dieser Zeit? Zu welchem Terri­to­rium gehörte es?
Loben­stein zählte Ende des 18. Jahrhun­derts etwa 2.500 Einwohner. Seit 1647 gehörte Loben­stein zum Herrschafts­be­reich der Adels­fa­milie Reuß-Loben­stein, einer Neben­linie der Familie Reuß. 1673 wurden die Nachkommen von Reuß-Loben­stein in den Reichs­gra­fen­stand erhoben. Loben­stein wurde damit zur Residenz einer eigen­stän­digen Grafschaft, 1790 sogar eines eigenen Fürsten­tums, da die Familie Reuß-Loben­stein in den Reichs­fürs­ten­stand erhoben wurde. Damit war die Stadt bis 1824 das Herzstück eines selbst­stän­digen Terri­to­riums.

Welche Auswir­kungen hatte der Sieben­jäh­rige Krieg (1756–1763) auf die Familie?
Der Ausbruch des Sieben­jäh­rigen Krieges verschlim­merte die ohnehin schlechte wirtschaft­liche Situation der Familie. Aber sie versuchte, sich anzupassen. Als der Reichstag zu Regens­burg gegen Friedrich den Großen Anfang 1757 eine Armee mobili­sierte, verließ der Vater Sigismund die Stadt. Er schloss sich der Armee als „Unter-Lieferant“ an, um mit der Versor­gung der Truppen seinen Lebens­un­ter­halt zu verdienen. Sein kleines Geschäft in Loben­stein überließ er seinem damals 16 Jahre alten Sohn Johann Heinrich. Dieser vertrieb damals Ansbacher Lackwaren und verkaufte sie auf dem nahege­le­genen Bayreu­ther Markt. Besonders lackierte Spazier­stöcke fanden bei den dort statio­nierten Offizieren viele Abnehmer. Zu dieser Zeit experi­men­tierte er bereits unermüd­lich mit der Lackher­stel­lung.

Johann Heinrich Stobwasser gründete bereits 1757 eine erste, kleine Lackwa­ren­ma­nu­faktur in Loben­stein, die aufgrund wirtschaft­li­cher Probleme jedoch bald wieder schließen musste. Wie kann man sich die Gründung einer „Fabrik“ zu dieser Zeit vorstellen?
Zuerst einmal musste man das Bürger­recht der Stadt besitzen, man musste also Eigentum und Hausbe­sitz in der Stadt nachweisen und in der Lage sein, bestimmte Steuern und Abgaben zu leisten. Dazu kam noch die Gewährung bestimmter Rechte sowie die Erfüllung von Pflichten gegenüber dem jewei­ligen Landes­herrn, zu dem man seine Treue schwören musste. Außerdem benötigte man die Geneh­mi­gung der jewei­ligen Handwer­ker­zunft.

Wie groß war diese erste „Fabrik“?
Die Größe der Fabrik ist leider unbekannt, ebenso wie die Anzahl an Mitar­bei­tern vor Ort. Aus den aus dieser Zeit überlie­ferten Akten ist lediglich bekannt, dass Stobwasser „einige Mitar­beiter“ einstellen musste, aller­dings schreibt er nichts über die Anzahl, und weitere Dokumente haben sich darüber nicht erhalten.

Gab es zu Zeiten von Stobwasser weitere ähnliche Fabriken in Loben­stein? Wofür war der Ort bekannt?
In Loben­stein war das Tuchma­cher­hand­werk prägend, von 1820 bis etwa 1850 erlebte es seine Blütezeit. In dieser Zeit gab es etwa 300 selbst­stän­dige Tuchma­cher­meister in der Zunft. Die Einwoh­ner­zahl der Stadt erreichte um 1840 mit 4.260 Menschen ihren Höchst­stand. Nach 1850 befand sich die handwerks­mä­ßige Produk­tion von Stoffen aller­dings im Nieder­gang, und 1853 meldeten die Tuchma­cher offiziell Konkurs an. Im Laufe des 19. Jahrhun­derts wurde der Ort stärker von Fabriken zur Metall­pro­duk­tion und ‑verar­bei­tung geprägt.

Steht das Wohnhaus der Familie Stobwasser in Loben­stein noch, oder gibt es sonstige Zeugnisse im Ort und im Museum?
Das Wohnhaus der Familie von Sigismund Stobwasser befand sich in der „Neuen Gasse“ und gehörte einst dem Tuchma­cher­fa­bri­kanten Christoph Junker. Die „Neue Gasse“ gibt es noch, aller­dings ist nicht bekannt, um welches Haus es sich genau handelt. Im Archiv der Stadt Bad Loben­stein befinden sich schrift­liche Überlie­fe­rungen der Familie Stobwasser, Gegen­stände oder sonstige Zeugnisse sind leider nicht vorhanden.

Gibt es Nachfahren der Familie in der Stadt? Wird sie als Braun­schweiger oder Loben­steiner Familie wahrge­nommen?
Nachfahren der Familie Stobwasser gibt es noch in Bad Loben­stein und diese werden auch als Loben­steiner Familie wahrge­nommen.

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