Ehrenbürger der Stadt Braunschweig, Folge 5: Ernst Böhme
Dr. Ernst Böhme war der Nachfolger von Hugo Retemeyer im Amt des Braunschweiger Oberbürgermeisters, Er wurde von den Nazis unter entwürdigenden unmenschlichen Umständen aus dem Amt geprügelt, das er als erster demokratisch legitimierter Oberbürgermeister nach Kriegsende wieder übernahm. Entscheidend war in den ersten Nachkriegsjahren Ernst Böhmes Einsatz für den Wiederaufbau der fast völlig verstörten Stadt.
Herausragender Kommunalpolitiker
Für diese Verdienste ernannte ihn die Stadtverordnetensammlung zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Amt zum Ehrenbürger der Stadt Braunschweig. Nach seiner Amtszeit war Böhme wieder als Rechtsanwalt und Notar tätig sowie für die SPD bis 1955 Mitglied des Landtages. Am 21. Juli 1968 verstarb Ernst Böhme, der zu den herausragenden Kommunalpolitikern Braunschweigs im 20 Jahrhundert zählt.
Ernst Böhme wurde am 21. Januar 1892 als Kind eines Gastwirts in Magdeburg geboren. Unter großen finanziellen Opfern der Familie besuchte Böhme das Gymnasium und noch als Abiturient trat er 1912 in die SPD ein. Einen besonderen Einfluss hatte in der Schule sein Deutschlehrer Edmund Sträter ausgeübt, der ein leidenschaftlicher Verehrer von Wilhelm Raabe war. Auch Ernst Böhme hat sich ab 1929 in Braunschweig intensiv für die Raabe-Erinnerung in Braunschweig eingesetzt und die Raabe-Gedächtnisstätte ermöglicht.
Generalstreik mitorganisiert
In Göttingen, München, Berlin und Halle studierte Ernst Böhme Volkswirtschaft, Rechts- und Staatswissenschaft. Seine erste juristische Staatsprüfung legte er in der Zeit des Ersten Weltkrieges während eines Heimaturlaubes 1917 ab, das zweite Examen folgte 1922. Böhme war als Kriegsfreiwilliger an der Front und wurde gegen Kriegsende schwer verwundet. 1919/20 organisierte er in Neustrelitz als Arbeitersekretär den Generalstreik gegen den Kapp-Putsch, ehe er von 1923 bis 1929 beim Magistrat der Stadt Magdeburg tätig war.
Vom Magistratsassistenten führte Böhmes Laufbahn bis zur Position des Dezernenten für Finanzen, Bauwesen, Wohlfahrt, Fürsorge und Jugend. 1924 war er Mitbegründer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und gehörte zu dessen Vorstand, ehe er am 23. November 1929 zum Oberbürgermeister in Braunschweig gewählt wurde. Er war damit das jüngste Stadtoberhaupt der Weimarer Republik. Seit 1930 gehörte Ernst Böhme auch als SPD-Abgeordneter dem braunschweigischen Landtag an.
Wesentliche Projekte in seiner Amtszeit waren der Bau des Stadtbades und des Hafens sowie die Übernahme des Raabe-Nachlasses. Stets war ihm Kultur wichtig, und er sah in Braunschweig eine Stadt mit bedeutsamer kultureller und historischer Tradition. Durch eine Verfügung des damaligen braunschweigischen Innenministers Klanges wurde Böhme am 13. März 1933 seines Amtes enthoben und in Schutzhaft genommen.
Von SS-Schergen misshandelt
Es folgten brutale Misshandlungen durch SS-Männer, die schließlich Ernst Böhme am 23. März 1933 in menschenverachtender Weise durch die Stadt ins Gefängnis Rennelberg trieben. Aus der Haft entlassen, hatte er kein Amt mehr und seine Zulassung als Rechtsanwalt war ebenso aufgehoben. Darauf studierte Böhme in Berlin nochmals einige Semester Volks- und Betriebswirtschaft, so dass er als vereidigter Buchprüfer die NS-Zeit überlebte.
Nach der Befreiung der Stadt Braunschweig setzte ihn die amerikanische Militärverwaltung am 1. Juni 1945 wieder in sein früheres Amt als Oberbürgermeister ein, das er bis zum 17. Dezember 1948 innehatte. Vor diesem Hintergrund muss man die entschiedene Stellungnahme von Oberbürgermeister Ernst Böhme besonders hoch einschätzen, die er bei der Wiedereröffnung des Hauses Salve Hospes, als Ausstellungshaus der Stadt Braunschweig, am 17. Februar 1946 in einer – nach wie vor – sehr bedeutenden kulturpolitischen Grundsatzrede auch hinsichtlich der Raabe-Aktivitäten der Stadt Braunschweig abgegeben hat.
Kultur war ihm wichtig
Er sah gerade in der Kultur für die städtische Politik ein Grundsatzprogramm, „das ungeachtet der sozialen Lage des Einzelnen jedem interessierten Mitbürger zugängig gemacht werden soll“. Neben Theater, Bildender Kunst und freier Kulturszene widmete sich Dr. Böhme ausführlich seiner Zielvorstellung, aus Braunschweig wieder ein literarisches Zentrum zu machen, wie es dies zu früheren Zeiten gewesen war.
Besonderen Nachdruck legte er dabei auf das Thema „Wilhelm Raabe“. Die Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung kommentierte diesen kulturellen Aufbruch Braunschweigs mit folgendem Beitrag: „Braunschweig ist eine Stadt in Schutt und Trümmern. Dennoch ist der Wiederaufbau voll im Gange. Neben den materiellen Voraussetzungen sieht Oberbürgermeister Böhme seine Hauptaufgabe darin, dem kulturellen Leben neue Wege zu erschließen. … ‚Durch die kulturelle Arbeit der Stadt Braunschweig sollen die moralischen Grundlagen für den Wiederaufbau der Stadt geschaffen werden‘. Großartig, ausgezeichnet! Während man anderswo, an heil gebliebener, vom Krieg verschonter Stätte, bemüht ist, kulturell leise zu treten …, rafft sich aus Schutt und Trümmern einer zerstörten Stadt ein Wille auf, der Hinterlassenschaft des Chaos dort zuerst zu begegnen, von wo aus im letzten Grunde die Verheerungen ihren Ausgang nahmen. Kulturpflege ist kein Ausschank und keine Kuchenbäckerei. Man muss es treiben wie die Braunschweiger, die eines Tages bestimmt auch wieder gute Würste machen werden.“
Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung an der TU Braunschweig.



