Entschei­dend für den Wieder­aufbau

Ernst Böhme. Ausschnitt aus dem Ölgemälde von Peter Voigt, 1958 (Leihgabe des Städtischen Museums Braunschweig) in der Oberbürgermeistergalerie. Repro: IBR
Ernst Böhme. Ausschnitt aus dem Ölgemälde von Peter Voigt, 1958 (Leihgabe des Städtischen Museums Braunschweig) in der Oberbürgermeistergalerie. Repro: IBR

Ehren­bürger der Stadt Braun­schweig, Folge 5: Ernst Böhme

Dr. Ernst Böhme war der Nachfolger von Hugo Retemeyer im Amt des Braun­schweiger Oberbür­ger­meis­ters, Er wurde von den Nazis unter entwür­di­genden unmensch­li­chen Umständen aus dem Amt geprügelt, das er als erster demokra­tisch legiti­mierter Oberbür­ger­meister nach Kriegs­ende wieder übernahm. Entschei­dend war in den ersten Nachkriegs­jahren Ernst Böhmes Einsatz für den Wieder­aufbau der fast völlig verstörten Stadt.

Heraus­ra­gender Kommu­nal­po­li­tiker

Für diese Verdienste ernannte ihn die Stadt­ver­ord­ne­ten­samm­lung zum Zeitpunkt des Ausschei­dens aus dem Amt zum Ehren­bürger der Stadt Braun­schweig. Nach seiner Amtszeit war Böhme wieder als Rechts­an­walt und Notar tätig sowie für die SPD bis 1955 Mitglied des Landtages. Am 21. Juli 1968 verstarb Ernst Böhme, der zu den heraus­ra­genden Kommu­nal­po­li­ti­kern Braun­schweigs im 20 Jahrhun­dert zählt.
Ernst Böhme wurde am 21. Januar 1892 als Kind eines Gastwirts in Magdeburg geboren. Unter großen finan­zi­ellen Opfern der Familie besuchte Böhme das Gymnasium und noch als Abitu­rient trat er 1912 in die SPD ein. Einen beson­deren Einfluss hatte in der Schule sein Deutsch­lehrer Edmund Sträter ausgeübt, der ein leiden­schaft­li­cher Verehrer von Wilhelm Raabe war. Auch Ernst Böhme hat sich ab 1929 in Braun­schweig intensiv für die Raabe-Erinne­rung in Braun­schweig einge­setzt und die Raabe-Gedächt­nis­stätte ermög­licht.

General­streik mitor­ga­ni­siert

In Göttingen, München, Berlin und Halle studierte Ernst Böhme Volks­wirt­schaft, Rechts- und Staats­wis­sen­schaft. Seine erste juris­ti­sche Staats­prü­fung legte er in der Zeit des Ersten Weltkrieges während eines Heimat­ur­laubes 1917 ab, das zweite Examen folgte 1922. Böhme war als Kriegs­frei­wil­liger an der Front und wurde gegen Kriegs­ende schwer verwundet. 1919/20 organi­sierte er in Neustre­litz als Arbei­ter­se­kretär den General­streik gegen den Kapp-Putsch, ehe er von 1923 bis 1929 beim Magistrat der Stadt Magdeburg tätig war.

Vom Magis­trat­s­as­sis­tenten führte Böhmes Laufbahn bis zur Position des Dezer­nenten für Finanzen, Bauwesen, Wohlfahrt, Fürsorge und Jugend. 1924 war er Mitbe­gründer des Reichs­ban­ners Schwarz-Rot-Gold und gehörte zu dessen Vorstand, ehe er am 23. November 1929 zum Oberbür­ger­meister in Braun­schweig gewählt wurde. Er war damit das jüngste Stadt­ober­haupt der Weimarer Republik. Seit 1930 gehörte Ernst Böhme auch als SPD-Abgeord­neter dem braun­schwei­gi­schen Landtag an.

Wesent­liche Projekte in seiner Amtszeit waren der Bau des Stadt­bades und des Hafens sowie die Übernahme des Raabe-Nachlasses. Stets war ihm Kultur wichtig, und er sah in Braun­schweig eine Stadt mit bedeut­samer kultu­reller und histo­ri­scher Tradition. Durch eine Verfügung des damaligen braun­schwei­gi­schen Innen­mi­nis­ters Klanges wurde Böhme am 13. März 1933 seines Amtes enthoben und in Schutz­haft genommen.

Von SS-Schergen misshan­delt

Es folgten brutale Misshand­lungen durch SS-Männer, die schließ­lich Ernst Böhme am 23. März 1933 in menschen­ver­ach­tender Weise durch die Stadt ins Gefängnis Rennel­berg trieben. Aus der Haft entlassen, hatte er kein Amt mehr und seine Zulassung als Rechts­an­walt war ebenso aufge­hoben. Darauf studierte Böhme in Berlin nochmals einige Semester Volks- und Betriebs­wirt­schaft, so dass er als verei­digter Buchprüfer die NS-Zeit überlebte.

Nach der Befreiung der Stadt Braun­schweig setzte ihn die ameri­ka­ni­sche Militär­ver­wal­tung am 1. Juni 1945 wieder in sein früheres Amt als Oberbür­ger­meister ein, das er bis zum 17. Dezember 1948 innehatte. Vor diesem Hinter­grund muss man die entschie­dene Stellung­nahme von Oberbür­ger­meister Ernst Böhme besonders hoch einschätzen, die er bei der Wieder­eröff­nung des Hauses Salve Hospes, als Ausstel­lungs­haus der Stadt Braun­schweig, am 17. Februar 1946 in einer – nach wie vor – sehr bedeu­tenden kultur­po­li­ti­schen Grund­satz­rede auch hinsicht­lich der Raabe-Aktivi­täten der Stadt Braun­schweig abgegeben hat.

Kultur war ihm wichtig

Er sah gerade in der Kultur für die städti­sche Politik ein Grund­satz­pro­gramm, „das ungeachtet der sozialen Lage des Einzelnen jedem inter­es­sierten Mitbürger zugängig gemacht werden soll“. Neben Theater, Bildender Kunst und freier Kultur­szene widmete sich Dr. Böhme ausführ­lich seiner Zielvor­stel­lung, aus Braun­schweig wieder ein litera­ri­sches Zentrum zu machen, wie es dies zu früheren Zeiten gewesen war.
Beson­deren Nachdruck legte er dabei auf das Thema „Wilhelm Raabe“. Die Heidel­berger Rhein-Neckar-Zeitung kommen­tierte diesen kultu­rellen Aufbruch Braun­schweigs mit folgendem Beitrag: „Braun­schweig ist eine Stadt in Schutt und Trümmern. Dennoch ist der Wieder­aufbau voll im Gange. Neben den materi­ellen Voraus­set­zungen sieht Oberbür­ger­meister Böhme seine Haupt­auf­gabe darin, dem kultu­rellen Leben neue Wege zu erschließen. … ‚Durch die kultu­relle Arbeit der Stadt Braun­schweig sollen die morali­schen Grund­lagen für den Wieder­aufbau der Stadt geschaffen werden‘. Großartig, ausge­zeichnet! Während man anderswo, an heil geblie­bener, vom Krieg verschonter Stätte, bemüht ist, kulturell leise zu treten …, rafft sich aus Schutt und Trümmern einer zerstörten Stadt ein Wille auf, der Hinter­las­sen­schaft des Chaos dort zuerst zu begegnen, von wo aus im letzten Grunde die Verhee­rungen ihren Ausgang nahmen. Kultur­pflege ist kein Ausschank und keine Kuchen­bä­ckerei. Man muss es treiben wie die Braun­schweiger, die eines Tages bestimmt auch wieder gute Würste machen werden.“

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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