Er doubelte einen Hollywood-Giganten: Porsche-Legende ist tot

Porsche-Legende Herbert Linge ist im Alter von 95 Jahren verstorben. Noch vor wenigen Jahren nahm er an Oldtimer-Rallyes teil. Foto: Porsche AG

Herbert Linge war einer der ersten Lehrlinge der Stutt­garter, er kannte Ferdinand Porsche noch persön­lich und fuhr erfolg­reich Rennen.

Herbert Linge ist aus der Geschichte von Porsche nicht wegzu­denken. Jetzt ist der ehemalige Rennfahrer und Betriebs­leiter des Entwick­lungs­zen­trums Weissach im Alter von 95 Jahren verstorben. Linge war einer der ersten Lehrlinge des Unter­neh­mens und der Mann, der Ferry Porsche in den späten Fünfzi­ger­jahren ein Gelände bei seinem Heimatort Weissach und der Nachbar­sied­lung Flacht für Testfahrten vorschlug.

Wolfgang Porsche kondo­liert

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Plus-Artikel ist zuerst erschienen am 8.1.2024

„Die Nachricht über seinen Tod macht uns traurig. Herbert Linge war nicht nur ein Porsche-Mann der ersten Stunde, sondern auch ein Wegbe­gleiter über viele Jahrzehnte“, sagt Michael Steiner, Mitglied des Vorstandes Forschung und Entwick­lung. „Wir danken ihm für seinen Einsatz als Renn- und Rallye­fahrer, als Ideen­geber und Techniker. Linge war ein Visionär und eine der führenden Persön­lich­keiten im Entwick­lungs­zen­trum Weissach. Er hat den Kunden­dienst in den USA feder­füh­rend mit aufgebaut und sich in beson­derer Weise für die Sicher­heit im Motor­sport einge­setzt. Er bleibt für uns und die gesamte Porsche-Familie weltweit unver­gessen.“ Wolfgang Porsche, Aufsichts­rats­vor­sit­zender der Porsche AG, fasst zusammen: „Herbert Linge kannte meinen Großvater noch persön­lich. Dank Mitar­bei­tern wie ihm gelang es Porsche, die Geschäfts­tä­tig­keit in Stuttgart mit meinem Vater Ferry neu auf- und inter­na­tional auszu­bauen. Dafür sind wir sehr dankbar. In Gedanken sind wir bei seiner Familie.“

Ein schneller Schwabe, den nichts aus der Ruhe brachte

Herbert Linge kommt am 11. Juni 1928 in Weissach auf die Welt. Seinen ersten Betriebs­aus­weis erhält er am 7. April 1943 als 14-Jähriger. Sechs Jahre später ist er der erste Mecha­niker, den das Unter­nehmen Porsche nach der Rückkehr aus Gmünd in Stuttgart beschäf­tigt. Linge ist einer der wenigen Zeitzeugen, die Ferdinand Porsche noch persön­lich kennen­ge­lernt haben. Er ist an der Entwick­lung des ersten in Stuttgart konstru­ierten Porsche 356 beteiligt. Jeder der frühen Sport­wagen wird erst ausge­lie­fert, nachdem Linge ihn Probe gefahren hat.

Ab 1952 entsendet ihn Porsche immer wieder zum Aufbau eines landes­weiten Kunden­dienst­netz­werks in die USA. Da in den Anfangs­jahren des Sport­wa­gen­her­stel­lers viele Mitar­bei­tende machen durften, was sie konnten, durfte Linge sich als Versuchs­fahrer beweisen. Die Rennfahrer und seine Kollegen schätzen ihn als begna­deten Techniker und Analyst ebenso wie als erfolg­rei­chen Rennfahrer. Seine Beifahrer schwärmen von der Präzision, mit der Linge Sport­wagen pilotiert. Kollegen und Wegbe­gleiter sind begeis­tert von seiner Beson­nen­heit, davon, dass den schnellen Schwaben nichts aus der Ruhe bringen kann.

An der Schranke recht­zeitig den Kopf einge­zogen

Für drei Klassen­siege in Folge erhält Herbert Linge als mitfah­render Mecha­niker der Paname­ri­cana 1952 bis 1954 den mexika­ni­schen Verdienst­orden. Als Co-Pilot von Hans Herrmann erreicht das Duo bei der Mille Miglia im Jahr 1954 einen Klassen­sieg. Der Einsatz bleibt vielen unver­gessen, schließ­lich mussten sich Herrmann und Linge im 550 Spyder wegducken, um noch unter der schlie­ßenden Schranke eines Bahnüber­gangs durch­zu­kommen. Nicht nur bei der Mille Miglia feiert er in der Folge noch weitere Klassen­siege, sondern auch bei der Targa Florio. Als Gesamt­sieger beendet er 1954 die Rallye Lüttich-Rom-Lüttich, 1960 die Tour de Corse und 1967 den Marathon de la Route auf dem Nürburg­ring. Er startet elfmal bei den 24 Stunden von Le Mans, landet achtmal in der Wertung und mehrfach als Klassen­sieger in den Büchern.

Er doubelte Steve McQueen in „Le Mans“

Im Jahr 1965 gewinnen Peter Nöcker und er in Le Mans zudem die Auszeich­nung „Index of Perfor­mance“ für das sparsamste Verhältnis von Kraft­stoff­konsum zu Hubraum. Ebenfalls 1965 fährt Linge gemeinsam mit dem späteren Porsche-Rennleiter Peter Falk auf Platz fünf bei der Rallye Monte Carlo – der erste große Motor­sport­er­folg für den noch jungen Elfer. Im Jahr 1970 nimmt er beim 24-Stunden-Rennen mit einem für die Drehar­beiten zu einem Kamera­wagen umfunk­tio­nierten Porsche 908 teil, nach dem Rennen doubelt er Steve McQueen in den Rennszenen zum Film „Le Mans“. „Porsche und McQueen hatten ein ausge­spro­chen gutes Verhältnis. Unser damaliger Rennleiter stand voll hinter dem Film und wir unter­stützten McQueen, wo wir nur konnten“, erinnerte sich Linge einst. „Steve konnte aus Versi­che­rungs­gründen nicht selbst am echten Rennen teilnehmen und hatte auch kein Fahrzeug, das dem offizi­ellen Reglement entsprach. Doch er wollte für seinen Film die echten Bilder – und mit dem 908 besorgte ich sie ihm“, blickte Linge zurück.

Die schnellste Feuerwehr der Welt

Weil ihm die Sicher­heit im Motor­sport sehr am Herzen liegt, gründet Linge im Jahr 1972 die Sicher­heits­staffel der Obersten Natio­nalen Sport­kom­mis­sion für Automo­bil­sport (ONS). Die mobile Strecken­si­che­rung und die Ausstat­tung der Sport­wagen mit Feuer­lö­schern retten vielen Rennfah­rern in den Siebziger- und Achtzi­ger­jahren das Leben. Zehn Jahre nach Erfindung der ONS beschert ihm sein Engage­ment das Bundes­ver­dienst­kreuz für sein Lebens­werk. Linges erster ONS-Dienst­wagen war übrigens ein Porsche 914/6 GT, der bereits 1971 bei der Rallye Monte Carlo teilnahm. Das mit diversen Sicher­heits­sys­temen und Feuer­lösch­an­lage ausge­stat­tete Fahrzeug etablierte sich als die „schnellste Feuerwehr der Welt“.

Herbert Linge gründete den Carrera-Cup

Als Visionär gründet er eine Sicher­heits­staffel für den Motor­sport und leitet ab 1990 eine Rennserie, die weltweit Erfolge feiert: den Carrera-Cup. Auch als Ruheständler ist Herbert Linge von 1987 an weiter auf den Rennstre­cken der Welt zu finden: Er ist als Motor­sport­be­rater und Manager des Carrera-Cups sowie als Betriebs­leiter im Entwick­lungs­zen­trum Weissach tätig. Der Ehren­bürger von Weissach bleibt Porsche auch in den folgenden Jahrzehnten stets eng verbunden. Noch sehr lange begleitet er Veran­stal­tungen, Messe­auf­tritte und Festlich­keiten des Unter­neh­mens. Viele Gäste lauschen gern den Anekdoten des beschei­denen Schwaben, dessen Leben für und mit Porsche viele Geschichten geschrieben hat.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Rennfahrer Kurt Ahrens: Ein Amateur, so schnell wie die Weltelite

    Rennfahrer Kurt Ahrens: Ein Amateur, so schnell wie die Weltelite

    Eckhard Schimpf schrieb ein Buch über seinen langjährigen Freund mit dem Titel: „Einer dieser verwegenen Kerle: Kurt Ahrens“. Weiterlesen

  • Braun­schweig erinnert sich: So war Sally Perel

    Braun­schweig erinnert sich: So war Sally Perel

    Tod mit 97: Der Jude überlebte den Holocaust als Hitlerjunge und setzte sich später für mehr Menschlichkeit ein. Was Braunschweiger über ihn denken. Weiterlesen

  • Ein Leben für die Pflicht

    Ein Leben für die Pflicht

    Sein letztes großes Ziel erreichte Carl Wilhelm Ferdinand nicht: Braun­schweig verlor seine Souve­rä­nität und ging im König­reich Westphalen auf. Carl Wilhelm Ferdinand kam am 9. Oktober 1735 als Sohn Carls I. von Braun­schweig-Wolfen­büttel und Philip­pine Charlotte, der Schwester Fried­richs II. von Preußen, zur Welt. Als Erbprinz stand Carl Wilhelm Ferdinand im Mittel­punkt der Kinder­schar des… Weiterlesen