Rennfahrer Kurt Ahrens: Ein Amateur, so schnell wie die Weltelite

In Hockenheim lehnt Kurt Ahrens (Bildmitte) im Polohemd entspannt am Hinterreifen seines Brabhams. Feuerfeste Rennanzüge waren noch nicht vorgeschrieben. Foto: Samlung Schimpf

Eckhard Schimpf schrieb ein Buch über seinen langjäh­rigen Freund mit dem Titel: „Einer dieser verwe­genen Kerle: Kurt Ahrens“.

Die 1960er-Jahre waren eine gefähr­liche Epoche des Motor­sports. In filigranen Rennwagen saßen die Fahrer noch teilweise im Polohemd. Abflüge endeten oft tödlich. Das war, wie es Jacky Ickx mal formu­lierte: „Part of the game“. In jenen Jahren zählte der Braun­schweiger Kurt Ahrens jun. zu den weltbesten Rennfah­rern. Eckhard Schimpf, sein Freund und Wegge­fährte seit 65 Jahren, hat jetzt eine üppig bebil­derte Biogra­phie verfasst. Der Titel: „Einer dieser verwe­genen Kerle: Kurt Ahrens.“ Das Vorwort schrieb Le-Mans- und Rallye-Monte-Carlo Sieger Vic Elford. Er nannte Ahrens den „besten Co-Piloten, den ich je hatte“.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 28.07.2022 (Bezahl-Artikel)

Kurt Ahrens hatte die Rennfahrer-Gene seines Vaters Kurt Ahrens senior geerbt, der 1963 nach unfall­rei­chen Jahren (mit Motor­rä­dern und Autos) seinen Helm an den Nagel hängte. Er hatte nach dem Krieg ein Vermögen im Schrott­ge­schäft gemacht und kaufte seinem Sohn Jahr für Jahr Top-Rennwagen. Doch bei aller Großzü­gig­keit blieb der Vater in einem Punkt knallhart: Egal, wo der Junior Rennen fuhr, ob in Monza oder Reims: Montag musste er um 7 Uhr wieder auf dem Schrott-Hof sein.

Ahrens junior liebte die Formel-Rennwagen, war dreimal Deutscher Meister, Europa­pokal-Sieger und fuhr viermal den Grand Prix von Deutsch­land. Er konzen­trierte sich von 1964 bis 1969 (von einigen Werks­ein­sätzen auf Abarth und BMW abgesehen) vor allem auf die Formel 2. Da fuhren damals regel­mäßig alle Formel-1-Piloten. Und es zeigte sich, dass der Amateur Ahrens auf Augenhöhe mit den Profis war.

Etwa Graham Hill, Jackie Stewart, Jim Clark, Jack Brabham, Jacky Ickx, Jochen Rindt. Während seine Kollegen bereits Riesen-Gagen kassierten und in eigenen Jets um die Welt reisten, blieb Kurt Ahrens ein boden­stän­diger Braun­schweiger. Mit Familie, Firma, Freun­des­kreis.

Er wollte Privat­fahrer sein. Deshalb lehnte er auch 1968 das Angebot von Jack Brabham ab, im Formel-1-Team von Brabham zu fahren. Begrün­dung: „Ich will mein eigener Herr bleiben“. Kurz darauf besann er sich anders und wurde 1969 Porsche-Werks­fahrer in Ferdinand Piëchs „Giganten-Team“, das von nun an die Konkur­renz von Ferrari, Alfa Romeo, Ford oder General Motors in Grund und Boden fuhr. Ahrens: „Porsche war immer mein Traum.“

Kurt Ahrens fuhr ohne Gage

Er fuhr ohne Gage (!), ließ sich nur die Spesen zahlen, akzep­tierte indes einen Porsche 911 als Dienst­wagen. Trotz des Porsche-Vertrags saß Ahrens auch weiter im privaten Brabham. „Ich fühlte mich in der Formel 2 einfach wohler als in der Formel 1“, sagte er. Und immer war er dabei im Spitzen­pulk!

Kurt Ahrens schraubte noch selbst an seinem Wagen – auch als er schon gegen die Weltelite fuhr. Foto: Sammlung Schimpf

Auch in Hocken­heim am 7. April 1968, als er im Brabham aus der ersten Reihe startete. Jim Clark, Formel-1-Weltmeister von 1963 und 1965, stand mit seinem Lotus in der dritten Reihe hinter Ahrens. Am Abend vorher waren beide noch im ZDF-Sport­studio aufge­treten.

Am nächsten Tag flog Jim Clark bei 270 km/h in den Wald und war sofort tot. Ein Schock für Kurt Ahrens, der bis heute regel­mäßig den Clark-Gedenkort in Hocken­heim besucht. Die beiden Porsche-Jahre bestä­tigten die Weltklasse von Kurt Ahrens. Er war es dann auch, der den heute legen­dären Zwölf­zy­linder-Porsche vom Typ 917 (600 PS, 400 km/h Spitze) zum ersten Sieg fuhr. Beim Großen Preis von Öster­reich 1969 siegte er zusammen mit Jo Siffert.

1970 gewann Ahrens mit Vic Elford in einem Porsche 908 auch das berühmte 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburg­ring. Ein Sieg in Le Mans blieb Ahrens 1970 verwehrt. Er führte bis zur 18. Stunde, dann stoppte ein Defekt den 917. Immerhin fuhr Ahrens aber die Le-Mans-Rekord­runde.

Jahr für Jahr starben damals weltweit 25 bis 30 Rennfahrer, darunter Konkur­renten und Freunde von Ahrens – wie Jochen Rindt (1970 in Monza). Ahrens hatte 1970 selbst ein Horror-Erlebnis. Beim Test im Porsche-Le-Mans-Typ geriet er auf der VW-Versuchs­bahn in Ehra-Lessien bei Tempo 300 in Aquapla­ning. Der 917 wirbelte über die Piste, zerbrach in zwei Teile. Ahrens saß angeschnallt im Sitz – die Beine unter der Leitplanke, als das 917-Wrack zum Still­stand kam.

Er blieb unver­letzt und startete kurz darauf in Monza, wo ihm – vor Surtees, Amon, Rodriguez in Führung liegend – bei Tempo 270 ein Hinter­reifen platzte. Mag sein, dass all dies mitspielte bei seinem Rücktritt 1970, gerade mal 30 Jahre alt, also im besten Rennfah­reralter. „Ich wollte überleben,“ sagte Ahrens.

Heute wohnt der 82-Jährige mit seiner Frau Reni, umgeben von vier Kindern, Enkeln und Urenkeln in Barwedel im Kreis Gifhorn.

Das Buch: Eckhard Schimpf, „Einer dieser verwe­genen Kerle: Kurt Ahrens“, Delius-Klasing, 144 Seiten 87 Fotos, 29,90 Euro.

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