Gekommen als Sklave, gegangen als Gelehrter

RESOLVE Collective in the Garae, Sheffield. Foto: Vishnu Jayarajan/Kunstverein
RESOLVE Collective in the Garae, Sheffield. Foto: Vishnu Jayarajan/Kunstverein

Kunst­verein Braun­schweig widmet dem farbigen Philo­so­phen Anton Wilhelm Amo eine große Ausstel­lung in der Villa Salve Hospes.

Wer ist eigent­lich Anton Wilhelm Amo? Und warum widmet ihm der Kunst­verein Braun­schweig vom 28. März bis zum 2. August die große Ausstel­lung „The Faculty of Sensing – Thinking With, Through, and By Anton Wilhelm Amo“ in der Villa Salve Hospes? Anton Wilhelm Amo ist einer breiten Öffent­lich­keit unbekannt. Er war aber als erster farbiger Philosoph eine bedeu­tende Persön­lich­keit des 18. Jahrhun­derts. 1739 hielt er als erster Afrikaner Vorle­sungen an einer deutschen Univer­sität – eine Sensation im Europa der damaligen Zeit. In Braun­schweig, am Hof von Herzog Anton Ulrich, hatte Amo, als Sklave gekommen, seine frühe humanis­ti­sche Bildung erhalten. Grund genug für den Kunst­verein, ihn und sein Wirken endlich auch in Braun­schweig angemessen zu würdigen, meint Direk­torin Jule Hillgärtner.

Bislang umfang­reichste Ausstel­lung

Der Kunst­verein bleibt auch bei dieser Ausstel­lung seinem Ansatz treu und zeigt zeitge­nös­si­sche Kunst. 16 inter­na­tio­nale Künst­le­rinnen und Künstler werden also ihre Werke präsen­tieren, die sich mit den Themen und Thesen Amos beschäf­tigen, die an Aktua­lität und Relevanz bis heute nichts eingebüßt haben. Amos Werk wurde in der Vergan­gen­heit an den Rand gedrängt und geriet weitge­hend in Verges­sen­heit. Die Ausstel­lung wird das in Braun­schweig und sicher darüber hinaus ändern. „Es ist die bislang umfang­reichste Ausstel­lung in der Geschichte des Kunst­ver­eins“, sagt Direk­torin Jule Hillgärtner. Die Ausstel­lung wird unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Kultur­stif­tung des Bundes gefördert.

Amo, um 1700 geboren, wurde als Kleinkind aus dem Gebiet des heutigen Ghana verschleppt, versklavt und gelangte über Amsterdam nach Wolfen­büttel an den Hof von Herzog Anton Ulrich. 1707 wurde er auf die Namen des Herzogs und dessen Sohn Wilhelm August getauft. Im Kirchen­buch der Schloss­ka­pelle in Wolfen­büttel steht geschrieben: „Den 29. Juli ist ein Kleiner Mohr in der Salzthal-Schloss Cappel getauft und Anthon Wilhelm genannt worden“. Amo durfte seinen afrika­ni­schen Famili­en­namen behalten, was an deutschen Fürsten­höfen unüblich war. Die Tatsache, so meinen Histo­riker, lasse darauf schließen, dass er nicht nur als Diener gehalten wurde, sondern eben einen spezi­ellen Status innehatte.

Amo lehrte in Jena und Halle

Lungiswa Gqunta, Sleeping Pools (Detail), 2017, Courtesy the artist and WHATIFTHEWORLD. Foto Hayden Phipps/Kunstverein
Lungiswa Gqunta, Sleeping Pools (Detail), 2017, Courtesy the artist and WHATIFTHEWORLD. Foto Hayden Phipps/Kunstverein

Von dort ausgehend begann er seine wissen­schaft­liche Karriere. Amo studierte in Halle Philo­so­phie und Rechts­wis­sen­schaften, verfasste seine Dispu­ta­tion „Über die Rechts­stel­lung der Mohren in Europa“ und positio­nierte sich mit seinen Disser­ta­tionen über die „Leib – Seele – Proble­matik“ (1734) an der Univer­sität Witten­berg und „Über die Kunst, nüchtern und präzise zu philo­so­phieren“ (1738) als früher Denker der Aufklä­rung. Er lehrte an den Univer­si­täten in Jena und Halle. Amo kehrte später, mögli­cher­weise wegen rassis­ti­scher Anfein­dungen, in das Land seiner Geburt zurück, wo er 1753 starb. In Halle erinnert ein Denkmal an ihn.

Die Idee für „The Faculty of Sensing“ kam von Bonaven­ture Soh Bejeng Ndikung. Der in Kamerun geborene, unabhän­gige Kurator, Autor und Biotech­no­loge besitzt inter­na­tio­nales Renommee. Er war unter anderem Curator-at-large bei der documenta 14 und kuratierte den finni­schen Pavillon bei der Biennale Venedig 2019. Jule Hillgärtner, Bonaven­ture Soh Bejeng Ndikung und Nele Kaczmarek erstellten gemeinsam die Künst­ler­liste (s.u.).

Umfang­rei­ches Rahmen­pro­gramm

Zur Ausstel­lung wird eine umfang­reiche dokumen­ta­ri­sche Publi­ka­tion entstehen. Vom 20 bis 21. Juni wird im Rahmen eines umfang­rei­chen Begleit­pro­gramms ein hochka­rätig besetztes Symposium ausge­richtet. Auftakt dazu wird das Sommer­fest am 19. Juni im Garten des Kunst­ver­eins sein. Über den gesamten Ausstel­lungs­zeit­raum werden Künst­ler­ge­spräche, Workshops und Diskus­si­ons­runden statt­finden.

Der Kunst­verein konnte unter anderem die Hochschule für Bildende Künste, das Staats­theater, das Städti­sche Museum, das Herzog Antoon Ulrich-Museum, die Herzog August Biblio­thek Wolfen­büttel, die Bundes­aka­demie für kultu­relle Bildung Wolfen­büttel, die Nieder­säch­si­sche Landes­zen­trale in Berlin, die Gruppe Amo – Braun­schweig Postko­lo­nial und die Martin Luther Univer­sität Halle / Burg Giebi­chen­stein Kunst­hoch­schule Halle für Koope­ra­tionen begeis­tern. Die Liste zeugt von der großen Relevanz der Ausstel­lung.

Künstler: Akinbode Akinbiyi (Groß Briannien), Bernard Akoi-Jackson (Ghana), andcompany&Co. (Frankfurt), Anna Dasović (Nieder­lande), Jean-Ulrick Désert (Haiti), Theo Eshetu (Groß Britan­nien), Adama Delphine Fawundu (USA), Lungiswa Gqunta (Südafrika), Olivier Guesselé-Garai (Frank­reich), Patricia Kaersen­hout (Nieder­lande), Kitso Lynn Lelliott (Botswana), Antje Majewski (Marl), Claudia Martínez Garay (Peru), Adjani Okpu-Egbe (Kamerun), RESOLVE Collec­tive (Groß Britan­nien), Konrad Wolf (Neubran­den­burg).

Kontakt:

Kunst­verein Braun­schweig
Lessing­platz 12
38100 Braun­schweig

E‑Mail: info@kunstvereinbraunschweig.de
Homepage: www.kunstverein-bs.de
Telefon: 0531–49556

Öffnungs­zeiten: Dienstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr, Donnerstag 11 – 20 Uhr

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