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Hans Tepelmann – Opfer der „Euthanasie“

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Ausstellung „Königslutter und der Krankenmord – die Landes-Heil- und Pflegeanstalt im Nationalsozialismus“ läuft vom 28. August bis zum 6. Oktober in der Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig.

„Was ist mit dem behinderten Sohn von Frau Tepelmann-Vieweg geschehen, der oft beobachtet wurde, wie er in der Schunter angelte?“ Diese Frage formulierte der Wendhausener Pfarrer im Jahr 2009 in seinen Aufzeichnungen. Er hatte zuvor ein Gespräch mit einer Einwohnerin des Dorfes geführt, die ihm ihre damaligen Beobachtungen geschildert hatte. „Und plötzlich war er weg. Den haben die Nazis geholt“, erinnerte sich die damals 21 Jahre alte Frau.

Ermordet am 12. Juni 1941

Das traurige Schicksal des damals 46-Jährigen ist Teil der Ausstellung „Königslutter und der Krankenmord – Die Landes-Heil- und Pflegeanstalt im Nationalsozialismus“, die am 28. August (15 Uhr) in der Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig eröffnet und bis zum 6. Oktober laufen wird. Danach soll es weitere Stationen für die Ausstellung geben (Details folgen rechtzeitig im Löwen). Und so trug es sich zu: Hans Tepelmann wurde am 23. April 1938 in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Königslutter aufgenommen. Am 12. Juni 1941 wurde er mit einem Transport aus der Anstalt in Königslutter in die Vernichtungsanstalt Bernburg gebracht und am gleichen Tag dort ermordet.

Das Projekt des Arbeitskreis Andere Geschichte e.V. richtet das Augenmerk besonders auf die bislang namenlosen Opfer der „Euthanasie“. Es veranschaulicht die Gewaltverbrechen mit Dokumenten und Fotografien und gibt Einblicke in die Biografien von Opfern und auch der mitverantwortlichen Akteure. Unter anderem wird neben Hans Tepelmann auch Otto Lange aus Braunschweig in begleitenden Lebensalben vorgestellt, die mehr Tiefgang ermöglichen, als das auf Ausstellungstafeln möglich gewesen wäre.

Die Ausstellung wurde von Sebastian Barnstorf, Frank Ehrhardt, Nadine Freund, Uwe Otte und Susanne Weihmann ausgearbeitet. Grundlage war Susanne Weihmanns Buch „Die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Königslutter und der Krankenmord“ aus dem Jahr 2020. Förderer der Ausstellung sind die Braunschweigische Stiftung und das Volkswagenwerk Braunschweig. Der Arbeitskreis Andere Geschichte e.V. wird kontinuierlich von der Stadt Braunschweig gefördert.

„Gefährder der Volksgesundheit“

Die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Königslutter war schon für das Herzogtum Braunschweig die zentrale Einrichtung zur Aufnahme und Behandlung psychisch Kranker gewesen. Mit der Errichtung der NS-Herrschaft griff unvorstellbare Unmenschlichkeit um sich: Unheilbare Kranke wurden zu „Gefährdern der Volksgesundheit“ erklärt und als „Ballastexistenzen“ ausgegrenzt.

Königslutter wurde Teil des staatlich betriebenen Krankenmordes, der in der Anstalt Bernburg an der Saale vollzogen wurde. Neben Patientinnen und Patienten aus Norddeutschland waren auch Kranke, die zum Teil seit Jahrzehnten in Königslutter gelebt hatten, Opfer der Transporte in den Tod. Im Oktober 1939 hatte Hitler die sogenannte Rassenhygiene des NS-Regimes mit seinem „Euthanasie“-Erlass verschärft. Es war bis zum Kriegsende das Todesurteil für Hunderttausende psychisch kranke und behinderte Menschen.

Hans Tepelmann war Erbe aus dem Haus Vieweg-Westermann. Die Verlegerfamilie besaß das Schloss, das Gut und eine Papierfabrik in Wendhausen. Über Tepelmann hieß es in einem militärärztlichen Gutachten, er habe schon von Kindheit an Zeichen geistiger Minderwertigkeit offenbart. Ihm wurde eine angeborene Geistesschwäche auf moralischem Gebiet attestiert.

Der Rechtsanwalt Franz Zwilgmeyer (1901 -1995), der Hans Tepelmann als Vormund vertrat, berichtet in seinen ,,Erinnerungen und Gedanken aus 90 Jahren“ von seinem Versuch, seinen Schutzbefohlenen vor der Vergasung zu bewahren. Er schrieb:

„Ich war inzwischen als Ungedienter zur Wehrmacht eingezogen und hörte in den ersten Wochen des Kasernendaseins von den ersten Fällen der Vergasung Geisteskranker. Sofort war mir klar, dass mein Mündel, …., gefährdet war. Er befand sich in der Anstalt in Königslutter, wo er ein relativ behagliches Leben führte. Davon hatte ich mich durch mehrere Besuche überzeugt, bei denen ich ihn zumeist zigarrenrauchend antraf und mich mit ihm über einfache Dinge durchaus unterhalten konnte. Das Leben in Königslutter war ihm keine Last“.

Ärzte der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Königslutter bestimmten die Opfer der Euthanasie. Foto: Arbeitskreis Andere Geschichte

Grab auf dem Magni-Friedhof

Rettungsversuche, als ihn Nachrichten von Verlegungen aus Königslutter in Tötungsanstalten erreichten, scheiterten. Ärzte, die die Auswahl der Todeskandidaten mit vorbereitet und Parienten der Heil- und Pflegeanstalt für die Transporte übergeben und Angehörige mit Fehlauskünften getäuscht hatten, gingen auch nach dem Ende der NS-Herrschaft ärztlichen Tätigkeiten nach. Im Rahmen staatsanwaltlicher Ermittlungen behaupteten sie, über die Zusammenhänge nichts gewusst zu haben und sich ohnmächtig gegenüber dem NS-Regime gefühlt zu haben. Kein Verantwortlicher aus der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Königslutter stand je für die Taten vor Gericht.

Das Grab von Hans Tepelmann befindet sich heute auf dem Magni-Friedhof in Braunschweig in der Familiengrabanlage der Familien Campe-Vieweg-Westermann. Sie lag ursprünglich in Viewegs Garten, musste aber wegen des Bahnhofsneubaus in den Jahren 1958/59 verlegt werden.

Fakten:

Das KZ- Außenlager an der Schillstraße

Das KZ-Außenlager an der Schillstraße war ein Außenlager des Hamburger Konzentrationslager Neuengamme. Im August 1944 begann die SS mit der Errichtung des Lagers in Braunschweig. Der größte Teil der Häftlinge war in Auschwitz für den Arbeitseinsatz ausgemustert worden. Unterbringung, Verpflegung und gesundheitliche Versorgung waren bei einer Arbeit in Zwölf-Stunden-Schichten so unzureichend, dass mehrere hundert Häftlinge an den Folgen der Entkräftung starben. Ende März 1945 wurde das Außenlager aufgelöst.

Das Schill-Denkmal

Das Schill-Denkmal erinnert an die „Befreiungskriege“ gegen die Napoleonische Herrschaft und den im Kampf gefallenen preußischen Major Ferdinand von Schill sowie vierzehn Soldaten seines Freikorps, die in Braunschweig hingerichtet worden waren. Das 1840 hinzugefügte Invalidenhaus enthielt eine kleine Gedenkkapelle mit Erinnerungsstücken.

Öffnungszeiten der Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße

  • Dienstag und Mittwoch: 14 – 17 Uhr
  • Donnerstag: 16 – 19 Uhr
  • jeden ersten Samstag im Monat: 14 – 17 Uhr

Weitere Nutzungsmöglichkeiten nach telefonischer Absprache: Tel. 05 31/2 70 25 65

Kontakt:

Arbeitskreis Andere Geschichte e.V.
Schlossstraße 8
38100 Braunschweig

Telefon: 0531-18957
E-Mail: andere_geschichte_braunschweig@t-online.de
Internet: www.andere-geschichte.de

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