Heftiger Streit um das Raabe-Denkmal

Das Wilhelm-Raabe-Denkmal mit einem Reliefporträt des Dichters auf dem Magnikirchplatz. Foto: Der Löwe
Das Wilhelm-Raabe-Denkmal mit einem Reliefporträt des Dichters auf dem Magnikirchplatz. Foto: Der Löwe

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 22: Den Ritter und das Einhorn wollten die Braun­schweiger nicht haben.

Das Ende des Raabe-Brunnens auf dem Magni­kirch­platz im Bomben­hagel des 14. Oktober 1944 kennzeichnet symbo­lisch den Untergang der ideolo­gi­schen Verirrung der Zeit mit Ideen, die heute nicht wieder erwachen dürfen, auch wenn die Gefahr sichtbar groß ist. Denkmäler sollen erinnern, sind Quellen der Geschichte und sollen nicht der Verherr­li­chung von Personen oder Ereig­nissen dienen. Sie können aber zum Nachdenken und zur Mahnung hilfreich sein. Das 1975 an gleicher Stelle errich­tete Denkmal für Wilhelm Raabe in Braun­schweig hat diese Wandlung des Denkmal­ge­dan­kens deutlich werden lassen. Anstelle des Ritters mit Schwert und Einhorn von 1931 steht nun ein Satz aus Raabes Werken, mit dem der Dichter einst fast prophe­tisch in die Ferne blickte: „Hütet Euch fernerhin, Eure Hand zu bieten, noch mehr der Ruinen zu machen“.

Initia­tive eines Münchners

Der Raabe-Brunnen aus dem Jahr 1931 mit Ritterfigur und Einhorn wurde 1944 in der Bombennacht des 14. Oktober zerstört. Foto: Archiv Dieter Heitefuß
Der Raabe-Brunnen aus dem Jahr 1931 mit Ritter­figur und Einhorn wurde 1944 in der Bomben­nacht des 14. Oktober zerstört. Foto: Archiv Dieter Heitefuß

Es war schon eine besondere Geschichte, bis auch Braun­schweig seinem 1910 verstor­benen Ehren­bürger Wilhelm Raabe ein Denkmal errich­tete. Erste Planungen durch Louis Engel­brecht begannen gleich nach dem Tod Raabes, jedoch verhin­derten der Erste Weltkrieg und die Inflation der 1920er Jahre die Umsetzung. Schließ­lich wurde durch die Initia­tive des Münchener Anwalts Dr. Thaddäus Abitz-Schultze von der „Gesell­schaft der Freunde Raabes“ 1925 ein neuer Anlauf genommen und ein Denkmal­aus­schuss gegründet. Neben zahlrei­chen Honora­tioren der Stadt Braun­schweig gehörten ihm unter anderem auch Konrad Adenauer, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann und Ricarda Huch an. Schirm­herr war Reichs­prä­si­dent Paul von Hinden­burg.

Dieser Ausschuss veröf­fent­lichte einen Aufruf, um dem „deutschesten der deutschen Dichter“, der mit anderen Großen das bittere Los hatte teilen müssen, „bis in sein hohes Alter in seinem künst­le­ri­schen und vater­län­di­schen Wirken und Wollen von seinem Volke verkannt zu werden“, ein Denkmal zu setzen. Die „Gesell­schaft der Freunde Wilhelm Raabes“, die 3.500 Mitglieder zählte, habe beschlossen, ihrem Meister durch Errich­tung eines würdigen Denkmals zu seinem 100. Geburts­tage, dem 8. September 1931, diese Dankes­schuld abzutragen (Dresdner Nachrichten v. 16. September 1926).

Sagebiels Entwurf schei­terte

Schließ­lich fiel die Wahl unter den 17 einge­sandten Entwürfen auf den des Münchener Profes­sors Behn. Der favori­sierte Entwurf des hiesigen Künstlers Karl Sagebiel wurde trotz der Unter­stüt­zung aus Braun­schweig selbst nicht berück­sich­tigt. Der Münchner Thaddäus Abitz-Schultze hatte sich gegen heftigen Wider­stand durch­ge­setzt.

Ein Medien­kampf um Platz, Gestal­tung und Wirkung war voraus­ge­gangen. Fritz Hahne hatte 1929 in der Braun­schwei­gi­schen Landes­zei­tung (BLZ) die Forderung an die „Idee Raabe-Denkmal“ noch einmal zusam­men­ge­fasst: „Aber wir verbitten uns für ein Denkmal Raabes plumpe Vertrau­lich­keit, ebenso wie irgend­welche Bezie­hungen auf Einzel­stellen seiner Werke ausge­schlossen sind. Groß und monumental, wie er im Innersten war, soll er dastehen in Bronze für Jahrhun­derte, und zwar in seiner vollen Reife als der getreue Eckart des deutschen Volkes, zu dem er sich immer mehr auswachsen wird. Deshalb können wir auch ein Jugend­bild Raabes, womöglich bartlos als Verlobter oder Jungver­hei­ra­teter, schlech­ter­dings nicht als geeignet ansehen. Den Raabe kennt niemand. Erst mit dem 70. Geburts­tage ist Raabe durch Engel­b­rechts und Brandes’ Verdienst allgemein in Deutsch­land bekannt geworden. In dieser Gestalt will ihn das deutsche Volk, wollen ihn nicht nur seine Braun­schweiger Freunde, sehen“.

Nicht als Raabe-Denkmal akzep­tiert

Behns Entwurf mit einem krönenden Einhorn auf einem Brunnen wurde demzu­folge sehr kritisch gesehen. Wie konflikt­reich die ganze Situation war, verdeut­licht eine Presse­stimme aus der BLZ vom 3. Juli 1930: „Es gibt bereits Raabe-Brunnen, und wenn Braun­schweig das Behnsche Kunstwerk erhalten haben wird, dann wird es einen Raabe-Brunnen mehr geben. Wo aber bleibt das Raabe-Denkmal, das große bezwin­gende, das Raabe-Denkmal, das die Krönung der Hundert­jahr­feier nächsten Jahres sein soll? Der Behnsche Brunnen ist eine roman­tisch gedachte Sache. Wir und die Zukunft wollen uns aber doch keines­wegs mit der roman­ti­schen Seite Raabes begnügen. Wo bleibt bei dem Behnschen Entwurf die in das Kommende unseres Volkes weisende Größe des Dichters, die gerade in den letzten Jahren mehr und mehr erkannt worden ist?“

National-konser­va­tives Gedan­kengut

Bereits am Aufruf der „Gesell­schaft der Freunde Raabes“ war erkennbar geworden, mit welchem national-konser­va­tiven Gedan­kengut die Ideen­träger begonnen hatten, Wilhelm Raabe für ihre Ziele zu instru­men­ta­li­sieren. Da überrascht es nicht, dass sich aus diesem Denkmal­aus­schuss die Keimzelle zum eigen­stän­digen „Verein Raabe-Stiftung“ entwi­ckelte, der seit dem 8. September 1931, dem Tag der Denkmals­weihe in Braun­schweig, den „Kampf gegen alles Undeut­sche im Schrifttum“ führte und als Schritt­ma­cher natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Kultur­po­litik wirkte. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, ehe die Raabe-Gesell­schaft sich von diesem Schaden wieder befreien konnte.

Weitere Infor­ma­tionen zu Wilhelm Raabe:

www.der-loewe.info/meine-strasse-meine-schule-mein-museum

www.der-loewe.info/gerd-biegel-bleibt-praesident-der-raabe-gesellschaft

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