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Mit einer Puppe kreuz und quer durch die Stadt

Das Gauß-Denkmal am Fuße des Gaußbergs. Archiv: IBR
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Braunschweigische Geschichte(n), Folge 14: Um den geeigneten Standort des Gauß-Denkmals zu finden, war in Braunschweig ein heftiger Streit entbrannt.

Braunschweig, Göttingen und Zeven sind die drei Orte, die im Leben und Wirken von Carl Friedrich Gauß eine wichtige Rolle gespielt haben und sich noch heute als „Gauß-Städte“ verstehen. In Zeven erinnern ein „Gauß-Zimmer“ und ein moderner „Gaußbrunnen“ beim Rathaus an den Aufenthalt des großen Gelehrten und seine hannoversche Landvermessung. In Göttingen befindet sich ein Gauß-Weber-Denkmal neben vielen anderen Orten, die in Verbindung mit seiner Zeit als Professor an der Göttinger Universität stehen. Auch in Braunschweig kann man an vielen Orten der Erinnerung an den großen Sohn der Stadt begegnen, in besonderer Weise aber steht das Gauß-Denkmal am Fuße des Gaußberges für ihn. Dieses Denkmal wurde am 27. Juni 1880 eingeweiht und dann von der Stadt Braunschweig übernommen.

Carl Friedrich Gauß wurde am 30. April 1777 in Braunschweig geboren. Von 1792 bis 1795 besuchte er mit Förderung von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand das Collegium Carolinum, die Vorgängereinrichtung der heutigen TU Braunschweig. Nach seinem Studium in Göttingen lebte er hier als vom Herzog großzügig geförderter Privatgelehrter, ehe ihn die napoleonischen Kriege nach Göttingen zwangen, wo er bis zu seinem Tode lehrte und lebte.

Zum 100. Geburtstag von Carl Friedrich Gauß am 30. April 1877 wollten die Professoren des Polytechnikums dem großen Gelehrten ein Denkmal setzen. Ein Antrag an die braunschweigische Landesregierung wurde dahingehend beantwortet, dass es zwar eine sehr gute Idee sei, eine solche Ehrung vorzunehmen, das Denkmal aber notwendigerweise aus Spenden finanziert werden müsste, wenn es ein echtes Wahrzeichen dankbarer Gesinnung sein soll“. Im Übrigen hatte das Ministerium die Antragsteller an die Stadt Braunschweig verwiesen, „der es die Ehre eines solchen Werkes nicht vorwegnehmen möchte“.

Mitglieder des Braunschweiger Kunstclubs gründeten daraufhin unter Vorsitz von Oberbürgermeister Heinrich Caspari ein „Comité für Herstellung eines Gauß-Standbildes“. Ein Spendenaufruf war weltweit erfolgreich, auch der braunschweigische Herzog Wilhelm (1806 – 1884) und Kaiser Wilhelm I. (1797 – 1888) beteiligten sich mit erheblichen Beiträgen. Der Berliner Bildhauer Fritz Schaper (1811 – 1909), der gerade das Goethe-Denkmal im Berliner Tiergarten geschaffen hatte, gestaltete das Denkmal, dessen feierliche Grundsteinlegung am 30. April 1877 vor dem Hohen Tor stattfand. Gegossen wurde das Denkmal bei Georg Howaldt (1802 – 1883) in Braunschweig. Die Fertigstellung und Einweihung erfolgte am 27. Juni 1880 am Fuße des heutigen Gaußberges.

Bis dahin aber war es ein langer und schwieriger Weg, begleitet von einer echten Provinzposse. Von Neid geplagt agitierten zunächst Göttinger Professoren gegen die künstlerische Qualität des Braunschweiger Denkmals und meinten, das Geld wäre sowieso besser in Göttingen angelegt! In Braunschweig aber stritt man um den geeigneten Standort, und zwar so heftig, dass sogar eine Puppe von Ort zu Ort getragen werden musste, um der Öffentlichkeit ein Meinungsbild der vorgeschlagenen unterschiedlichen Standorte zu ermöglichen. Schließlich einigte man sich auf den Platz am Fuße des damaligen Anatomieberges, in der falschen Annahme, dass Gauß „auf der Höhe des vom Fuße des Denkmals ansteigenden Anatomieberges die ersten Himmelsbeobachtungen angestellt hätte“. Ein Trugschluss zwar, aber eine glückliche Entscheidung.

Der Vorsitzende des Denkmalkomitees, Kammerpräsident Erich Griepenkerl (1813 – 1888), betonte in seiner Festrede: „Das ganze Deutschland nennt Carl Friedrich Gauß mit Stolz den Seinen, aber es gesteht uns – und das ist das weitere Zeugnis, welches wir aus der Aufnahme unseres Aufrufs empfangen haben – es gesteht uns das Recht zu, dem berühmten Sohne unseres Landes, unserer Stadt zum Gedächtnis der gegenwärtigen und kommenden Geschlechter ein unvergängliches Standbild zu errichten.“

Anschließend enthüllte er das Denkmal unter dem Jubel der Festgäste und übergab es an die Stadt Braunschweig mit den Worten: „Herr Oberbürgermeister, im Namen des Comités und Kraft dieses Documentes übergebe ich Ihnen als dem Haupt der Stadt dieses Denkmal in Schutz und Pflege. Möge derselbe Geist, in dem dieses Denkmal entstanden ist, auch alle Zeit walten bei seiner Erhaltung.“ Oberbürgermeister Wilhelm Pockels dankte und betonte ausdrücklich: „Kraft Auftrages der städtischen Behörden Braunschweigs habe ich die Ehre, dieses Denkmal hiermit für alle Zeiten in die Obhut und Pflege der Stadt zu nehmen. In der Beschirmung und in der Wartung des herrlichen Standbildes – herrlich durch das Zusammenwirken seines edlen Vorwurfs und seiner meisterhaften Plastik – will die Stadt ehren das Andenken ihres Sohnes, dieses Heroen der Wissenschaft, in dem sich so staunenswerth die Größe des menschlichen Geistes offenbart hat. In treuer Fürsorge für das Denkmal wollen wir dieses Andenken als ein schönes Erbe übermachen den kommenden Geschlechtern, auf daß es fortleuchte, wie die Sterne am Himmel – ewiglich!“

Gerd Biegel ist Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung, TU Braunschweig.

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