Im Blick der Prinzessin

Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768. Detail.
Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768. Detail.

Objekt des Monats, Folge 18: Ein Porträt von Augusta Dorothea von Braun­schweig-Wolfen­büttel.

Am 2. Oktober 1749 wurde Augusta Dorothea in Schloss Wolfen­büttel geboren. Sie war die jüngste der sechs Töchter von Herzog Carl I. Die leicht kräftige Partie von Nase und Augen weist auf die Verwand­schaft hin. Ein ovales Gesicht, rundliche Wangen, leicht gerötet, ein feiner Mund und wache, neugie­rige Augen zeigen uns die Prinzessin im Alter von wohl 19 Jahren. Unver­mit­telt schaut sie uns an und unter­bricht für einen Augen­blick ihre auch am Braun­schwei­gi­schen Hof typisch weibliche Beschäf­ti­gung, die Fein- oder Filet­sti­ckerei: die Häkel­na­deln in den schlanken Händen, das feine trans­pa­rente Gewebe aufge­wi­ckelt an einer Spindel am Tisch, daneben ein schon fertiges Spitzen­ta­schen­tuch.

Und was für ein Kleid sie trägt: aus Damast­stoff, in gedeckten Farben wie altrosa und silber­grau, aufge­lo­ckert durch Kaskaden dünner weißer Spitzen­ge­webe, besonders kontrast­voll an den freien Unter­armen und dem Mieder, zusätz­lich betont durch Reihen von roten Rosen­ge­binden aus Damast. Eine Fasssung sonder­glei­chen für eine Perle am Braun­schwei­gi­schen Hof.

Obwohl Augusta keine regie­rende braun­schwei­gi­sche Herzogin war, erhielt auch sie ein standes­ge­mäßes Porträt. So sieht man links im Bild, wenn auch nur schwach, ein marmornes Säulen­paar und einen hohen Sockel. Grund­sätz­lich folgt diese Gestal­tung einer höfischen Bildart, die Peter Paul Rubens und Antonis van Dyck im frühen 17. Jahrhun­dert erfunden hatten.

Meisterin der Porträt­kunst – Barabara Rosina de Gasc

Es gab in der Mitte des 18. Jahrhun­derts nur sehr wenige Maler, die Bilder in solcher Unmit­tel­bar­keit darzu­stellen vermochten, die der Ovalrahmen hier geradezu fokus­siert. In unserem Fall war es die Malerin Barbara (oft fälsch­lich Anna) Rosina de Gasc (1713–1783). Durch ihre Porträts für andere norddeut­sche Höfe hatte sie Berühmt­heit erlangt und wurde 1766 Braun­schwei­gi­sche Hofma­lerin. Sie lernte in Berlin bei dem großen Maler Antoine Pesne und wurde Meisterin der feinma­le­ri­schen Darstel­lung von Stoffen und der Neuerfin­dung von Porträts, die das Leben der Gezeigten wider­spie­geln.

Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768.
Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braun­schweig-Wolfen­büttel, Öl auf Leinwand, um 1768.

Als eine geschickte, im damals modernen, höfischen Rokoko­stil geklei­dete junge Dame stellt sie uns Augusta vor. Sonst wissen wir nur wenig über die Prinzessin. Ihr Lebens­lauf sagt uns aber, dass das Bild spätes­tens um 1768 entstanden ist. In diesem Jahr wurde sie Stifts­dame im selbstän­digen Reichs­stift zu Ganders­heim am Westharz­rand, das, 852 gegründet, zu einem der ersten vier Damen­stifte im alten deutschen Kaiser­reich gehörte.

Eine selbst­be­stimmte Äbtissin

Die Stifts­da­men­würde zeigt das Bild aber nicht. Augusta verhei­ra­tete sich auch später nicht und zog wie andere Frauen aus dem Hochadel ein selbst­be­stimmtes, geist­li­ches, im übrigen freies Leben vor, denn allein die gemein­samen Gottes­dienste waren für die Stifts­damen verbind­lich. In Ganders­heim kam sie rasch zu Ehren: 1776 Dekanin, d. h. die Zweite vor Ort, und 1778 bis zu ihrem Tod im Jahr 1810 Äbtissin. Ohne Anwesen­heits­pflicht im Stift wohnte sie ab 1801 nach dem Tode ihrer Mutter Philip­pine Charlotte auch im Grauen Hofschloss in Braun­schweig.

Carl I. war es, der seine Tochter als Nachfol­gerin seiner Schwester Therese Natalie, der damals amtie­renden Äbtissin von Ganders­heim, erkor. Damit sah Carl die Braun­schwei­gi­schen Belange im Reich auch außerhalb der Residenz vertreten. So ist später aus der jungen Prinzessin eine selbstän­dige Regentin geworden.

Ihr Porträt aus dem histo­ri­schen Residenz­schloss wurde 2005 von der Richard Borek Stiftung auf der Welfen­auk­tion erworben und erhielt bei der Restau­rie­rung seine Ovalform zurück. Heute hängt es im „herzog­li­chen Arbeits­zimmer“ im Schloss­mu­seum Braun­schweig.

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