Im Zentrum der UNESCO-Weltkul­tur­er­be­stätte

Von überall in der Altstadt zu sehen: die Türme der Marktkirche. Foto: Alamy

Die heraus­ra­genden Kirchen im Braun­schweiger Land, Teil 8: Die Markt­kirche in Goslar

Die Markt­kirche in Goslar ist selbst für Ortsfremde gar nicht zu verfehlen. Ihre beiden Türme sind von allen Ecken und Enden der Altstadt aus bei einem Blick nach oben zu entdecken. Der Nordturm ist in seiner heutigen Bauweise stolze 66 Meter hoch, der Südturm in seiner ursprüng­li­chen Form nur gerade mal 60 Zenti­meter kleiner.

Nach einem Brand im Jahr 1589 wurde der Nordturm umgestaltet und mit einer nach allen Seiten offenen Kuppel versehen. Aus heutiger, touris­ti­scher Sicht möchte man sagen zum Glück: Seit 2004 ist die Aussichts­platt­form über 218 Stufen zu erklimmen. Der Lohn des wenigs­tens im Sommer schweiß­trei­benden Aufstiegs ist ein fantas­ti­scher Blick auf die ehemals freie Reichs­stadt und eine frische Brise in luftiger Höhe.

Der Nordturm (links) kann bestiegen werden. Foto: Elmar Arnhold

Keine Schäden durch Luftan­griffe

Die Markt­kirche zählt zu den Profil­kir­chen der Evange­lisch-luthe­ri­schen Landes­kirche in Braun­schweig. Sie bildet das Zentrum der pitto­resken Altstadt, die seit 1992 mit ihren mehr als 1500 Fachwerk­häu­sern gemeinsam mit dem Bergwerk Rammels­berg und der Oberharzer Wasser­wirt­schaft zu den Weltkul­tur­er­be­stätten der UNESCO zählt. Heraus­ra­gend ist natürlich die zwischen den Jahren 1040 und 1050 von Kaiser Heinrich III. erbaute Kaiser­pfalz, die von Goslars einstiger aus dem Bergbau resul­tie­renden großen Bedeutung zeugt. Goslar blieb während des Zweiten Weltkriegs von Zerstö­rungen durch Luftan­griffe verschont, so dass das mittel­al­ter­liche Stadtbild mit der zentralen Markt­kirche in voller Pracht erhalten blieb und allemal einen Besuch recht­fer­tigt.

Erstmals erwähnt wurde die Markt­kirche im Jahr 1151 als „ecclesia forensis“. Sie ist eine ursprüng­liche dreischif­fige Pfeiler­ba­si­lika. Im 14. und 15. Jahrhun­dert wurde ihr Chor vergrö­ßert und an beiden Seiten jeweils ein neues Schiff hinzu­ge­fügt. Womöglich gab es an der Stelle einen Vorgän­gerbau. Benannt wurde sie nach den frühchrist­li­chen Zwillings­brü­dern St. Cosmas und Damian, die Kranke unent­gelt­lich behandelt und zum christ­li­chen Glauben bekehrt haben sollen. Sie wurden im Zuge der Chris­ten­ver­fol­gung hinge­richtet.

Moderne Schreiter-Fenster

Eine Beson­der­heit der Kirche sind die von Johannes Schreiter in den Jahren 1992 bis 2003 modern gestal­teten Fenster im Hohen Chor. Sie sind zu einem Begriff für moderne Glaskunst in Kirchen­fens­tern geworden. Besonders sehens­wert sind auch die neun mittel­al­ter­li­chen Glasfenster (um 1270), Reste spätgo­ti­scher Wandma­le­reien (um 1440), ein Taufbe­cken aus Bronze (1573), die typisch refor­ma­to­ri­sche Kanzel aus dem Jahr 1581 und der barocke Schnitz­altar (1659).

Ein beson­derer Schatz der Markt­kirche ist die Biblio­thek mit spätmit­tel­al­ter­li­chen und refor­ma­to­ri­schen Schriften. Allein mehr. Allein mehr als 850 Titel stammen aus dem Zeitraum zwischen 1470 und 1559. Mittler­weile ist die sogenannte Markt­kir­chen­bi­blio­thek in den Goslarer Kultur­markt­platz umgezogen. Im Gegensatz zu früher können die Biblio­theks­schätze jetzt von Besuchern problemlos aus nächster Nähe, aller­dings hinter Glas in einem Schau­depot bewundert werden. Ein mit der Stadt geschlos­sener Vertrag sichert den dauer­haften Schutz der Bestände und den Verbleib im Eigentum der Markt­kir­chen­ge­meinde.

Blick in die Markt­kirche auf den barocken Schnitz­altar (1659). Foto: Ev.-luth. Kirchen­ge­meinde Zum Markte

Das älteste evange­li­sche Gesangs­buch

Bedeu­tende Bücher der Markt­kir­chen­bi­blio­thek gehörten einst dem Halber­städter Kleriker Andreas Gronewald, der die Gedanken Martin Luthers zur Refor­ma­tion teilte. Nachdem frühe refor­ma­to­ri­sche Bemühungen in Halber­stadt geschei­tert waren, entschloss er sich 1535, die Bücher nach Goslar, zu seinem Freund, dem Super­in­ten­denten Eberhard Weidensee zu bringen, um sie vor Gegnern der Refor­ma­tion zu schützen. Seither sind dort refor­ma­ti­ons­zeit­liche Schriften von Weltgel­tung beher­bergt.

Darunter befindet sich mit dem Erfurter Enchi­ri­dion aus dem Jahr 1524 das älteste evange­li­sche Gesang­buch überhaupt. Es ist weltweit einmalig. Auch der Origi­nal­b­rief, den Martin Luther 1529 während der großen Unruhen nach Goslar schrieb, wird hier aufbe­wahrt. Das sogenannte September-Testament aus dem Jahr 1522 ist Luthers Überset­zung des Neuen Testa­ments, die er auf der Wartburg anfer­tigte. Es ist eines der wenigen erhal­tenen Exemplare und gehörte einst Andreas Gronewald.

Die typisch refor­ma­to­ri­sche Kanzel aus dem Jahr 1581. Foto: Ev.-luth. Kirchen­ge­meinde Zum Markte

Hilfe kam aus Magdeburg

Erste refor­ma­to­ri­sche Bestre­bungen hatte es in Goslar schon 1521 in der St. Jakobi-Kirche gegeben. Herzog Heinrich der Jüngere von Braun­schweig-Wolfen­büttel war entschie­dener Gegner der Refor­ma­tion und belagerte seit 1525 die Stadt. Unter dem Druck der Bevöl­ke­rung bat der Rat schließ­lich die Stadt Magdeburg um Unter­stüt­zung. Der von dort gesandte Nikolaus von Amsdorf, ein Freund Martin Luthers, hielt schließ­lich 1528 die erste offizi­elle luthe­ri­sche Predigt in der Markt­kirche.

Eigent­lich hatte der Rat der Stadt keinen Grund, sich mit dem altgläu­bigen (katho­li­schen) Kaiser anzulegen. Der Status als freie Reichs­stadt hing schließ­lich an dessen Gunst. Aber der Druck der Unruhen in der Stadt, die durch die Belage­rung und die zeitwei­lige Schlie­ßung des Bergbaus entstanden waren, erfor­derte die Wieder­her­stel­lung von Ordnung. Das schaffte der Rat nur, indem er sich den Protesten der Handwerker und Bergar­beiter anschloss. So ließ sich der Rat eher wider­willig darauf ein, sich vom Kaiser abzuwenden und sich Unter­stüt­zung vom Schmal­kal­di­schen Bund zu sichern. Das war ein Vertei­di­gungs­bündnis protes­tan­ti­scher Fürsten und Städte unter Führung von Kursachsen und Hessen gegen die Religi­ons­po­litik des katho­li­schen Kaisers Karl V.

Eine eindeu­tige Entschei­dung zugunsten der Refor­ma­tion gab es für Goslar schließ­lich 1531. Von Amsdorf konnte die evange­li­sche Kirchen­ord­nung für die Markt­kirche endgültig einführen.

Fakten
Die Markt­kirche ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen finden montags und samstags jeweils um 12.30 Uhr statt. Bestei­gung des Nordturms: Januar bis März: Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr. April bis Oktober: täglich von 11 bis 17 Uhr. November: Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr. Eintritt Nordturm: 3 Euro Erwach­sene, 2 Euro ermäßigt.

Kontakt
Ev.-luth. Kirchen­ge­meinde Zum Markte
Markt­kirchhof 1
38640 Goslar
Tel: 05321–22921
E‑Mail: marktkirche@goslar.com

Das Schau­depot der Markt­kir­chen­bi­blio­thek. Foto: Ev.-luth. Kirchen­ge­meinde Zum Markte

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