Jenny Bethmann – Eine Tausend­sas­sarin aus Neuerke­rode

Die 27-jährige Jenny Bethmann wohnt seit knapp neun Jahren im Inklusionsdorf der Evangelischen Stiftung Neuerkerode. Foto: Evangelische Stiftung Neuerkerode
Die 27-jährige Jenny Bethmann wohnt seit knapp neun Jahren im Inklusionsdorf der Evangelischen Stiftung Neuerkerode. Foto: Evangelische Stiftung Neuerkerode

Die 27-Jährige wohnt seit 9 Jahren in Neuerke­rode und geht vielen Hobbys nach. Am 3. Dezember war Tag der Menschen mit Behin­de­rung.
Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 3.12.2021 (Bezahl-Artikel)

Tiere lassen das Herz von Jenny Bethmann höher schlagen. Die 27-Jährige habe ein Gespür für die Bedürf­nisse der Zwei- und Vierbeiner und kümmert sich gerne um ihr Wohlbe­finden. Galloway-Rinder, Ziegen, Hühner, Gänse – es gibt kaum ein Tier, welches sie nicht mag. Jenny Bethmann wohnt im Inklu­si­ons­dorf der Evange­li­schen Stiftung Neuerke­rode – dort fühlt sie sich pudelwohl. Anläss­lich des inter­na­tio­nalen Tages der Menschen mit Behin­de­rung am 3. Dezember haben wir mit der jungen Frau gespro­chen.

„Ich habe hier mein kleines, schönes Appar­te­ment. Ich möchte hier nicht mehr weg“, sagt die junge Frau gegenüber unserer Zeitung. Bethmann hat eine Lernbe­hin­de­rung und wohnt seit knapp neun Jahren in Neuerke­rode – im Alter von 18 Jahren ist sie in die Ortschaft in der Nähe von Sickte gekommen. Geboren und aufge­wachsen ist die 27-Jährige in Königs­lutter. Dort besuchte sie auch die Grund­schule, ehe sie zur Peter-Räuber-Schule nach Wolfen­büttel wechselte. Die Peter-Räuber-Förder­schule ist die erste Bildungs­ein­rich­tung für Schüler mit geistiger Behin­de­rung im Landkreis Wolfen­büttel.

Keine einfache Kindheit in Königs­lutter

Ihre Kindheit war nicht ganz einfach, sagt Jenny Bethmann. Sie wurde teilweise gemobbt, was ihr aber nicht viel ausmachte, verrät sie. Größer hingegen war das Zerwürfnis mit ihren Eltern. „Wir hatten und haben immer noch ein schlechtes Verhältnis. Irgend­wann habe ich den Kontakt komplett abgebro­chen“, sagt Jenny Bethmann. Sie sieht sich selbst als Einzel­gän­gerin und fühlt sich wohl darin. „Ich habe auch in Neuerke­rode nicht viele Freunde – mit der Helle vom Wasch­salon verstehe ich mich aber gut. Wir unter­halten uns ganz gerne.“ Thomas Pöllmann, Sprecher der Evange­li­schen Stiftung Neuerke­rode: „Helle ist die gute Seele, die im Wasch­salon arbeitet. Die Bewohner des Inklu­si­ons­dorfes gehen bestimmten Berufen nach. Zudem wollen wir, dass die Menschen ein selbst­be­stimmtes Leben führen sollen.“

Mit dem E‑Bike nach Braun­schweig

Jenny Bethmann arbeitet im Second-Hand-Laden „Zweite Liebe“. Dort sondiert und sortiert sie gespen­dete Kleidung, bereitet Pullover, T‑Shirts, Jacken und Socken für den Verkauf vor. Von Montag bis Freitag, 11 bis 16 Uhr, ist sie meist dort anzutreffen. In den vergan­genen Wochen hatte sie aber zwei Wochen Urlaub. Die freie Zeit hat sie vor allem für die Pflege der Tiere genutzt und sich an der Nähma­schine zu versuchen. „Mittler­weile bin ich ein richtiger Profi an der Nähma­schine. Das macht mir richtig Spaß und ich verdiene dabei sogar noch etwas Geld“, sagt sie stolz. Handta­schen, Handy­hüllen oder das Bedrucken von T‑Shirts – Jenny Bethmann scheut sich vor keiner Aufgabe.

Ihr neustes Hobby: Radfahren. Sie hat sich ein E‑Bike gekauft, das sie für die Fahrt zu den Tieren nutzen möchte. Der Weg sei so viel schneller und leichter zu bewäl­tigen. „Ich möchte demnächst aber auch mal nach Braun­schweig fahren. Dort möchte ich mir unter anderem die Parks anschauen“.

Corona und Weihnachten in Neuerke­rode

Leider spiele das Wetter momentan nicht mit, dass die Fahrrad­tour starten könne. Zudem seien die Corona-Maßnahmen Bethmann ein Dorn im Augen. „Wir können leider nichts mehr in unserer Freizeit unter­nehmen. Angebote im Dorfge­mein­schafts­haus fallen aus, die Disco findet nicht statt. Das ärgert mich sehr.“

Schon während der letzten Lockdowns wurde auch das Leben im Inklu­si­ons­dorf herun­ter­ge­fahren. Viele Angebote fielen aus. „Wir mussten natürlich auch die Menschen schützen, die gesund­heit­lich gefährdet sind. Das geschah alles im Rahmen der Maßnahmen, die auch außerhalb des Dorfes galten. Leider entwi­ckelt sich die Pande­mie­lage wieder zum Negativen“, sagt Pöllmann.

Das kommende Weihnachts­fest will die 27-Jährige alleine feiern. Sie habe ja niemanden, sagt sie. Deswegen macht sie es sich gemütlich und feiert das Fest mit ihren Haustieren in ihrem Appar­te­ment in Neuerke­rode.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 3.12.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/wolfenbuettel/article233997865/Jenny-Bethmann-Eine-Tausendsassarin.html (Bezahl-Artikel)

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