Kritik am Nein zum „neuen“ Hagen­markt

So hätte der umgestaltete Hagenmarkt aussehen können. Animation: Büro Ackers Partner Städtebau
So hätte der umgestaltete Hagenmarkt aussehen können. Animation: Büro Ackers Partner Städtebau

Richard Borek Stiftung betei­ligte sich finan­ziell an den Planungen der Stadt und ist über „geschichts­ver­ges­senen“ Ratsbe­schluss enttäuscht.

Braun­schweigs Politik vergibt mit den abgelehnten Plänen zur Umgestal­tung des Hagen­markts erneut eine große Chance, das histo­ri­sche Erbe der Stadt nach der Zerstö­rung durch den Zweiten Weltkrieg und dem vorwie­gend dem Autover­kehr unter­wor­fenen Wieder­aufbau anzutreten. So kriti­siert die Richard Borek Stiftung die vom Rat der Stadt mehrheit­lich getrof­fene Entschei­dung, die Umgestal­tung des Hagen­markts nochmals von einem Reali­sie­rungs­wett­be­werb abhängig zu machen, nachdem es bereits die beschlos­sene, umfas­sende Bürger­be­tei­li­gung, entspre­chend ausge­ar­bei­tete Pläne, nochma­lige Detail­ver­bes­se­rungen und die Zustim­mung der städti­schen Bauver­wal­tung gegeben habe.

Histo­ri­scher Platz, keine Grünan­lage

Die vom Büro Ackers Partner Städtebau vorge­legten, alter­na­tiven Pläne hätten alle gestellten Anfor­de­rungen erfüllt. Aus Sicht der Richard Borek Stiftung seien sowohl histo­ri­sche, atmosphä­ri­sche als auch ökolo­gi­sche Belange in einer vernünf­tigen, zeitge­mäßen Relation berück­sich­tigt worden. Es dürfe bei der Umgestal­tung des Hagen­markts nicht um die komplette Umwand­lung eines histo­ri­schen Platzes in eine Grünan­lage gehen. Für den von Kritikern angeführten inner­städ­ti­schen Klima­schutz gebe es zum Beispiel mit Begrü­nungen von Dachflä­chen oder anderen Flächen im direkten Umfeld, wie zum Beispiel Wilhelms­garten, ehemalige Markt­halle und Werder weitaus effek­ti­vere Möglich­keiten, dafür müsse nicht ein tradi­ti­ons­rei­cher, stadt­bild­prä­gender Platz geopfert werden, der durch entspre­chende Umgestal­tung eine erheb­liche Aufwer­tung der Innen­stadt bedeuten würde.

Die Richard Borek Stiftung betei­ligte sich im Rahmen der mit der Stadt geschlos­senen „Verein­ba­rung über die gemein­same Förderung der Entwick­lung von städte­bau­li­chen Konzep­tionen für die Braun­schweiger Innen­stadt“ zur Hälfte an den Planungs­kosten. In einem ergän­zenden Auftrag waren die Änderungs­wün­sche der politi­schen Fraktionen und jene aus dem öffent­li­chen Betei­li­gungs­ver­fahren nach mehr Bäumen, mehr flächigem und ökolo­gisch wertvollem Grün einge­ar­beitet worden.

Leitziele waren erfüllt

Aus Sicht der Verwal­tung, so heißt es in der Vorlage zum Planungs- und Umwelt­aus­schuss, der eigent­lich hätte entscheiden sollen, hätten die neuen Entwurfs­va­ri­anten A1 und B1 sowohl die Ergeb­nisse und Leitziele des Betei­li­gungs­pro­zesses als auch den eindring­li­chen Wunsch aus der Politik nach mehr Grün wider­ge­spie­gelt. Der Planungs- und Umwelt­aus­schuss sah sich jedoch außer­stande zu entscheiden und verwies an den Verwal­tungs­aus­schuss und den Rat. Dort wurde ein erneuter Reali­sie­rungs­wett­be­werb beschlossen, an dem sich zehn Freiraum­planer betei­ligen sollen, die bisher noch nicht am Verfahren beteiligt waren. Dieser Neuanfang war von Oberbür­ger­meister Ulrich Markurth vorge­schlagen worden. Die Richard Borek Stiftung fragt sich, ob der Grund für das von ihr nicht mehr nachzu­voll­zie­hende Verfahren im Einkni­cken der politi­schen Fraktionen vor der Unter­schrif­ten­ak­tion eines inter­es­sierten Anliegers an der Caspa­rist­raße und dem begin­nenden Kommu­nal­wahl­kampf zu suchen sei.

In den 1950er Jahren gelitten

Der Umgang mit dem Hagen­markt ist aus Sicht der Stiftung schlicht geschichts­ver­gessen. Der Hagen­markt ist in seiner histo­ri­schen Bedeutung für Braun­schweig gleich­zu­setzen mit Altstadt­markt oder Kohlmarkt. Er ist ein typisches Beispiel für die Stadt­pla­nung des 12. Jahrhun­derts und das Zentrum des Weich­bildes Hagen. Die Katha­ri­nen­kirche als mittel­al­ter­li­ches Zeugnis und der 1874 entstan­dene Heinrichs­brunnen gelten als wesent­liche Sehens­wür­dig­keiten. Der histo­ri­sche Hagen­markt litt in den 1950er Jahren extrem unter der „Vision einer autoge­rechten Stadt“.

Erst 1982/83 wurde er begrünt, um einen Ausgleich für die großen Verkehrs­flä­chen zu schaffen. Der Volksmund belächelte das Konzept als „Hagen­wäld­chen“. Es handelt sich dabei also keines­wegs um eine tradi­tio­nelle inner­städ­ti­sche Grünfläche, wie teilweise in der politi­schen Debatte behauptet. Vielmehr befindet sich direkt gegenüber das schon heute stark durch Grün geprägte Umfeld der Katha­ri­nen­kirche. Gerade dieses Zusam­men­spiel von städti­schem Platz um den Brunnen und grünem Kirch­garten wurde in der Bürger­be­tei­li­gung als Qualität heraus­ge­ar­beitet.

Pflas­te­rung vertretbar

Seitdem das Sturmtief Xavier im Oktober 2017 dort gewütet hatte, stehen gegen­wärtig noch 13 Bäume auf dem Hagen­markt. Nach den vorge­legten Plänen wären es bis zu 28 und damit mehr als zuvor geworden. Ergänzt würden diese durch umfang­reiche Pflanz­beete, die im Vergleich zu Rasen­flä­chen einen größeren ökolo­gi­schen Beitrag leisten würden. So wäre die Verwen­dung aus wasser­ge­bun­dener Decke und Pflas­te­rung vertretbar gewesen und hätte dem Hagen­markt seine ursprüng­liche Funktion als Platz­an­lage zurück­ge­geben und neue Nutzungs­mög­lich­keiten eröffnet. Ziel war es, die Randnut­zungen vor allem für die Gastro­nomie zu stärken und einen Beitrag zum städti­schen Leben zu leisten.
Ein Beitrag der Richard Borek Stiftung.

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