Luther und Müntzer im Wettstreit der Worte

Slammerin Tanja Schwarz. Foto: Stefan Zeuke
Slammerin Tanja Schwarz. Foto: Stefan Zeuke

Martin Luther und Thomas Müntzer treten gegen­ein­ander an und versuchen, den jeweils anderen von der eigenen Theologie zu überzeugen: was histo­risch nie statt­ge­funden hat, ermög­licht ein Preachers Slam im Rahmen der Refor­ma­tions-Ausstel­lung in Braun­schweig.

Martin Luther war zwar der führende Kopf der Refor­ma­tion vor 500 Jahren. Doch er war umgeben von engen Freunden und Mitstrei­tern, die seine Ideen teilten, aber den großen Refor­mator auch kriti­sierten und andere Gedanken entwi­ckelten. Einer davon war Thomas Müntzer. Zunächst ein Anhänger Luthers entwi­ckelte er sich zu einem von Luthers ärgsten Wider­sa­chern und distan­zierte sich von dessen Theologie, die er für zu oberfläch­lich hielt. Zudem legte sich Müntzer mit den weltli­chen Macht­ha­bern an, ganz im Gegensatz zu Luther, der die von Gott gegebene Autorität der Obrig­keiten nie in Frage stellte. Müntzer suchte in Thüringen einen neuen Wirkungs­kreis und gründete mit Gleich­ge­sinnten den „Ewigen Bund Gottes“, der sich gegen Fürsten und Klerus auflehnte. Bekannt wurde er als Anführer im thürin­gi­schen Bauern­krieg 1524/25.

Bei allen unter­schied­li­chen Ansichten kam es nie zu einem Gespräch der Kontra­henten Luther und Müntzer, beide lehnten es ab, aufein­ander zuzugehen. Das wollen die Veran­stalter des Preachers Slams nun nachholen und bitten die Wider­sa­cher zum Wortduell auf die Poetry Slam-Bühne. Vertreten werden sie dabei jeweils von einem Team aus Theologen und erfah­renen Poetry Slammern. Wie bei einem Poetry Slam haben sie jeweils fünf Minuten Zeit, den Zuhörern ihre vorbe­rei­teten Texte zu präsen­tieren und sie so von sich zu überzeugen.

Die Idee eines Preachers Slams entstand gemeinsam mit dem Atelier Sprache e.V. des Theolo­gi­schen Zentrums Braun­schweig. Pfarrerin Ingrid Drost von Bernewitz, die Studi­en­in­spek­torin des Ateliers, betont die Bedeutung von Sprache in der theolo­gi­schen Arbeit, die für die Vermitt­lung des Evange­liums elementar sei. Das Atelier Sprache bietet seit 15 Jahren Pfarre­rInnen und Prädi­kan­tInnen aus den Evange­li­schen Kirchen Fortbil­dungs­kurse mit den Schwer­punkten Predigt, Reden im Alltag der Gemeinde, Kommu­ni­ka­tion und Sprech­trai­ning an.

„Wir beobachten sprach­liche Entwick­lungen und versuchen, diese in unserem Kursan­gebot zu berück­sich­tigen. Dazu gehören auch neue, zeitge­mäße Formen kurzer Predigten“, sagt sie. Bereits vor einigen Jahren bot sie Seminare an, die Methoden des Poetry Slams für die Vermitt­lung des Evange­liums nutzten. Die Arbeit des Ateliers Sprache wird von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Verei­nigten Ev.-luth. Kirche in Deutsch­land gefördert. „Der Preachers Slam ist eine großar­tige Möglich­keit, sich mit Glauben auf zeitge­mäße Weise ausein­ander zu setzen und damit auch junge Menschen anzuspre­chen“, ist Drost von Bernewitz gespannt auf die Beiträge der Theologen und der Poetry Slammer, die sich sehr intensiv mit den Theolo­gien und Persön­lich­keiten Müntzers und Luthers ausein­an­der­setzen müssen. Johanna Klee, Jugend­pfar­rerin in Braun­schweig, hat die Pastoren für den Wettkampf angespro­chen. „Die meisten wollten zum Luther-Team gehören“, meint sie. Sie selbst jedoch hält Müntzer für die spannen­dere Persön­lich­keit.

„Die ersten Poetry Slams in Deutsch­land gab es 1994, in Braun­schweig finden solche Wortwett­kämpfe seit 1998 statt. Damit gibt es hier eine der ältesten Slam-Szenen“, erzählt Patrick Schmitz. Gemeinsam mit Dominik Bartels bildet er „Pop℗in‘ Poetry“ und organi­siert seit 2001 Poetry Slams in Braun­schweig und Wolfsburg. Neben Wettkämpfen, die für jeden offen sind, gibt es auch Slams zu spezi­ellen Themen wie den Preachers Slam. Schmitz steht dabei nicht selbst auf der Bühne, Bartels hingegen begleitet Veran­stal­tungen oft als Moderator.

Preachers Slams als spezielle Form der Poetry Slams, bei denen Theologen gegen Slammer antreten, gibt es in Deutsch­land seit mehreren Jahren. „Neu ist, dass bei uns zwei Teams gegen­ein­ander antreten“, erklärt Schmitz. Dafür hat er bekannte Vertreter der deutschen Poetry Slam-Szene nach Braun­schweig einge­laden. „Auch bei den Theologen gibt es mittler­weile eine kleine Szene, die bereits Erfah­rungen mit solchen Veran­stal­tungen haben“, erzählt Klee. „Wer jedoch noch keinen Kontakt dazu hatte, ist mehr eher skeptisch und zurück­halten.“ Für die Braun­schweiger Veran­stal­tung konnte sie drei Pastoren der Braun­schwei­gi­schen Landes­kirche und einen aus Nieder­sachsen gewinnen.

Eine Einzig­ar­tig­keit ist auch die Brüdern­kirche als Ort der Veran­stal­tung. Die Atmosphäre in einer Kirche sei etwas ganz Beson­deres, betonen alle Betei­ligten. Jedoch stellt die Akustik die Veran­stalter vor große Heraus­for­de­rungen. „Wir werden eine aufwen­dige Anlage mit Mikro­fonen und Lautspre­chern instal­lieren, damit das Publikum von jeder Stelle in der Kirche die Beiträge verfolgen kann“, berichtet Schmitz.

Der Preachers Slam ist Teil des Begleit­pro­gramms der Ausstel­lung „Im Aufbruch. Refor­ma­tion 1517–1617“ des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums, die noch bis zum 19. November gezeigt wird. Die Ausstel­lung wird gefördert von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Braun­schwei­gi­schen Stiftung.

Die histo­ri­sche Ausein­an­der­set­zung zwischen Luther und Müntzer endete letzt­end­lich blutig: Der Bauern­auf­stand wurde nieder­ge­schlagen, Müntzer gefangen genommen, als Anführer der Aufrührer zum Tode verur­teilt und kurz darauf enthauptet. So blutig wird das Wortduell der Kontra­henten der Gegenwart natürlich nicht ausgehen: Das Publikum wird die Wortbei­träge beurteilen und am Ende einen Einzel­sieger und ein Sieger­team küren.

Infor­ma­tionen

Termin: Freitag, 25. August 2017, 20 Uhr
Ort: St. Ulrici-Brüdern Kirche, Schüt­zen­straße 21a, 38100 Braun­schweig

Tickets: Creperie (Magni­viertel), Café Riptide (Handelsweg) und KingKing Shop (Kasta­ni­en­allee) für 15 Euro / erm. 12 Euro zzgl.1 Euro Vorver­kaufs­ge­bühr.

Die Tickets beinhalten den Eintritt in die Ausstel­lung „Im Aufbruch. Refor­ma­tion 1517 – 1617“ des Landes­mu­seums am Burgplatz.

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