Narr oder Raubritter?

Der Eulenspiegelbrunnenen. Foto: Thomas Ostwald
Der Eulenspiegelbrunnenen. Foto: Thomas Ostwald

Forschungs­ar­beit lässt Till Eulen­spiegel in einem anderen Licht – Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 8.

Till Eulen­spiegel – Schalks­narr aus dem Elmvor­land – ist in Braun­schweig noch immer präsent. In unserer fünften Folge hatten wir berichtet, wie ein Schuh­ma­cher am Kohlmarkt einst den Narren foppen wollte. Das Haus trägt einen Hinweis auf einem Balken und erinnert mit Glocken­spiel und Till-Figur, die sich dreimal täglich dort zeigt, an den Streich.

Präsent ist der ewige Narr aber auch mit einem Denkmal, das am 27. September 1906 am Bäcker­klint als Brunnen einge­weiht wurde. Arnold Kramer (1863 – 1915), hatte ihn entworfen, nach einer Figur, die von einer Statue aus dem Jahr 1639 inspi­riert wurde. Gestiftet hatte den Brunnen der jüdische Bankier Meyers­feld. Während des schweren Bomben­an­griffes am 15. Oktober 1944 blieb der Brunnen nahezu unbeschä­digt inmitten der Trümmer­wüste stehen – alles rings um ihn herum versank in dem Feuer­sturm, der 90 Prozent der Häuser in Braun­schweig vernich­tete. Der Narr sitzt gelassen auf dem Brunnen­rand, umgeben von Eulen und Affen. Auf der Rückseite des Brunnens findet sich folgende Inschrift: „Dem lustigen Gesellen Till Eulen­spiegel dort errichtet, wo er die Eulen und Meerkatzen buk. Erdacht und gemacht von Arnold Kramer aus Wolfen­büttel. Wieder aufge­stellt zum Braun­schweiger Heimattag am 1. Oktober 1950 im Gedenken an den Stifter des Brunnens von 1905 Bernhard Meyers­feld.“

Gern wird immer wieder erzählt, dass der Brunnen vor dem Haus der berühmten Eulen­spiegel-Bäckerei stehe. Das entspricht aller­dings nicht den ganz frühen Berichten, nach denen diese Bäckerei am Nickeln­kulk (Bäcker­klint 11) stand und stolz mit einer Inschrift auf den Ort der von Hermann Bote (1467 – 1520) aufge­schrie­benen Tat hinwies: Die 61. Historie sagt, wie sich Eulen­spiegel in Braun­schweig bei einem Brotbä­cker als Bäcker­ge­selle verdingte und wie er Eulen und Meerkatzen backte.

Will man den Spuren des Narren folgen, wird aller­dings auch beim Standort der „Eulen­spie­gel­bä­ckerei“ anhand alter Fotogra­fien deutlich, dass es sich ebenso bei der Adresse Bäcker­klint 11 wie beim Haus auf dem Kohlmarkt nicht um Häuser aus dem 14. Jahrhun­dert handelt, sondern um später errich­tete. Das Bäcker­haus stammte erst aus dem Jahr 1630, 1869 erhielt es eine Eulen­spie­gel­figur des Bildhauers Julius Meyer. Nach Hermann Bote wurde Till als „eines buren sun“ im Jahre 1300 in Kneit­lingen geboren.

In Braun­schweig hat er aber auch an weiteren Stellen seine „Spuren“ hinter­lassen. Auch wenn Bote in der 70. Historie berichtet, dass Till in eine Stadt im Sachsen­lande an der Weser kam und dort Steine als Narren­saat auswarf, zeigt doch die dazu gehörige Illus­tra­tion deutlich erkennbar das Altstadt­rat­haus in Braun­schweig. Und schon die 54. Historie sagt, wie Eulen­spiegel in Braun­schweig auf dem Damme einem Leder­gerber Leder sott mit Stühlen und Bänken, auch, wenn sich dort niemand mehr an diese Geschichte erinnern kann.

Bildlich finden wir eine weitere Darstel­lung des Narren mit dem Hinweis „Hic fuit“ am Rathaus auf der Seite zum Platz der Deutschen Einheit, neben dem Narren mit einem Spiegel finden sich die Ortsnamen, an denen er Streiche verübt haben soll. Diese Tafel, gestaltet von Professor Jürgen Weber, ist nun unterhalb des Söller­fens­ters angebracht, hinter dem sich einmal das Arbeits­zimmer des Oberbür­ger­meis­ters befand. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt…

Wer einiger­maßen aufmerksam durch die Fußgän­ger­zone geht, wird kleine, helle Kacheln bemerken, die eine rote Narren­kappe aufweisen. Einst für die Kinder gedacht, die damit zu 17 Spiel­ge­räten geführt werden, war diese gute Idee leider sehr schnell auf wenige erhaltene Geräte am Sack und in der Neuen Straße einge­schränkt. Die „Kinder“, die nachts darauf herum­tobten, waren etwas zu schwer…

Mit der Figur des sagen­haften Till Eulen­spiegel aus Kneit­lingen haben sich schon sehr viele in den vergan­genen Zeiten beschäf­tigt, darunter auch namhafte Wissen­schaftler wie der aus Braun­schweig stammende Professor Bernhard Hucker. Seiner Forschungs­ar­beit ist zu entnehmen (vgl. dazu auch Spiegel Geschichte 4/2013), dass es 1339 tatsäch­lich einen urkund­lich erwähnten Thile van Cletlinge gegeben hat. Sowohl Thile wie auch Tileke sind Kurzformen des Namens Dietrich. Bei seinen weiteren Forschungen fand Hucker heraus, dass es zwei Menschen gab – Vater und Sohn – die gleiche Namen trugen und als Raubritter bekannt wurden. Die urkund­liche Erwähnung fand sich im „stadt­braun­schwei­gi­schen Verfes­tungs­buch” und vermerkt, dass ein Thile van Cletlinge friedlos gelegt wurde, was eine mildere Form des Bannes war.

Also war „unser Till“ eigent­lich ein ganz übler Schurke, der mehr als nur ein paar derbe Streiche verübte? Folgt man Hucker, so kommt diese Erklärung der Wahrheit wohl am nächsten. Und der Name „Eulen­spiegel“ ? So bezeich­nete man doch den Narren, der uns den Spiegel zur Selbst­er­kenntnis vorhielt, das Symbol der Weisheit, eine oder mehrere Eulen, immer in seiner Nähe. Auch eine Fehlin­ter­pre­ta­tion, wie wir jetzt erkennen müssen. So ist Uhle keines­wegs die Eule, sondern die Rückseite des Körpers, und der speigel letztlich nichts anderes als der Spiegel beim Reh, nämlich die Umgebung des Afters. Setzen wir das jetzt mit diesem Wissen neu zusammen, kommt dabei ein doppelter Götz von Berli­chingen heraus – und auch das würde zu dem Narren durchaus passen.

Wie auch immer: Till Eulen­spiegel bleibt in unserer Region lebendig, nicht zuletzt durch das Museum in Schöp­pen­stedt. Dass er zudem in Flandern als Freiheits­kämpfer gilt, die Stadt Mölln sein Grabmal und ebenfalls ein Museum aufzu­weisen hat, soll noch erwähnt werden. Der dort 1350 verstor­bene Tilo dictus Ulenspegel soll übrigens ein Hofbe­amter des Herzogs von Sachsen-Lauenburg gewesen sein.

Nun – wie auch immer – hic fuit ich war hier – ruft uns der alte Narr aus unzäh­ligen Ecken unserer Stadt entgegen, und so mancher Bürger unserer Stadt glaubt fest, dass er noch immer sein Unwesen treibt…

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