Die Spur des Narren führt durch die Stadt

Die Illustration zeigt Till Eulenspiegel vor dem Altstadtrathaus. Foto: Archiv Thomas Ostwald
Die Illustration zeigt Till Eulenspiegel vor dem Altstadtrathaus. Foto: Archiv Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 44: Till säte Steine vor dem Altstadt­rat­haus

Braun­schweig und Till Eulen­spiegel gehören einfach zusammen. Hermann Bote (andere Schreib­weise Hermen), Zoll- und Akzise­schreiber der Stadt, gilt auch als Autor des Buches über Till Eulen­spiegel „Ein kurtz­weilig Lesen von Dyl Ulenspegel“, das 1510/11 entstanden ist.

Vor Jahren hatte man in Braun­schweig eine nette Idee, die den Kindern einen Stadt­bummel verlo­ckender machen sollte, als nur die Eltern beim Einkaufen zu begleiten. Vom Domplatz bis zum Kohlmarkt wurden Steine in der Fußgän­ger­zone verlegt, die eine rote Narren­kappe zeigen und die Kinder zu verschie­denen Geräten führten, wo sie spielen und turnen konnten. Leider sind im Laufe der Zeit immer mehr dieser Geräte verschwunden, defekt oder aus anderen Gründen demon­tiert. Schade, dass eine gute Idee wieder einmal unter den Alltags­be­din­gungen nicht stand­halten konnte.

Wie ist es aber tatsäch­lich mit den „Spuren“, die der Narr in Braun­schweig hinter­lassen hat? Mögli­cher­weise fällt einem dabei sofort die Geschichte mit den „Eulen und Affen“ aus Brotteig ein, aber das ist keines­wegs der erste Streich, den Till in unserer Stadt verübt haben soll. Doch diese erste Historie geriet zu Recht in Verges­sen­heit, denn sie erscheint uns heute kaum als besonders lustig: Die 54. Historie sagt, wie Eulen­spiegel in Braun­schweig auf dem Damme einem Leder­gerber Leder sott mit Stühlen und Bänken. Der Streich ist schon sehr skurril und wirkt auf den heutigen Leser kaum noch, denn aus einem der üblichen Wortspie­le­reien mit dem Meister verdirbt Till das gesamte Leder, das er zur Verar­bei­tung kochen sollte.

Erst danach folgt als 61. Streich die Geschichte mit dem Bäcker: Die 61. Historie sagt, wie sich Eulen­spiegel in Braun­schweig bei einem Brotbä­cker als Bäcker­ge­selle verdingte und wie er Eulen und Meerkatzen backte.

Man denkt dabei unwill­kür­lich auch an den Eulen­spie­gel­brunnen, der am 27. September 1906 am Bäcker­klint enthüllt wurde. Geschaffen hat ihn Arnold Kramer. Die Figur Tills soll ein Nachguss einer Statue von 1639 sein. Er sitzt auf einem Sockel, umgeben von Eulen und Affen (Meerkatzen) in der Nähe des Bäcker­hauses, in dem er nach Botes Buch Brote in Form von Eulen und Affen gebacken haben soll. Gestiftet hatte den Brunnen der jüdische Bankier Meyers­feld. Der Brunnen blieb bei der Bombar­die­rung 1944 inmitten der zerstörten Häuser unbeschä­digt stehen.

Der Straßen­name Bäcker­klint deutet auf das Viertel der Bäcker, insofern befindet sich der Standort ja in der richtigen Gegend. Wo aber befand sich das „Eulen­spie­gel­haus“ des Bäckers?

Leider nicht am Bäcker­klint, sondern angeblich in der Breiten Straße: Doch ähnlich wie bei dem zweiten Eulen­spie­gel­haus am Kohlmarkt, wo Till einem Schuh­ma­cher einen Streich gespielt haben soll, zeigt die Ansicht des im Krieg zerstörten Hauses kein Bauwerk des 14. Jahrhun­derts (vgl. dazu auch Braun­schweig skurril, Folge 5 „Vom Versuch, einen Narren zu foppen“). Der Streich mit dem Schuh­ma­cher ist die 71 Historie die erzählt, wie ein Stiefel­ma­cher in Braun­schweig Eulen­spie­gels Stiefel spickte und Eulen­spiegel ihm die Stuben­fenster einstieß.

Da sich Till ständig auf Wander­schaft befand und die deutschen Städte bereiste, kurze Zeit auch arbeitete und dann rasch wieder verschwinden musste, nachdem er einen seiner Streiche verübt hatte, war er der Sage nach in fast allen bekannten deutschen Städten.

Doch Braun­schweig wurde erneut Schau­platz seiner Untaten, wenn auch von einer Stadt an der Weser die Rede ist. Gemeint ist eine Begeben­heit noch vor dem Streich vom Kohlmarkt: Die 70. Historie sagt, wie Eulen­spiegel in einer Stadt im Sachsen­land Steine säte und, als er darauf angespro­chen wurde, antwor­tete, er säe Schälke. Dass es sich aber tatsäch­lich um Braun­schweig in dieser Geschichte handelt, ließ sich durch eine beigefügte Illus­tra­tion erkennen, die einwand­frei den närri­schen Säemann vor dem Altstadt­rat­haus zeigt.

Weitere Spuren des Narren findet man übrigens am Kohlmarkt, dem Eulen­spie­gel­haus mit dem Glocken­spiel gegenüber. Dort wurden die in Braun­schweig verübten Streiche nach den alten Stichen unter der Decke der Arkade angebracht, Tafeln mit dem jewei­ligen Text befinden sich an den Säulen.

Schließ­lich wollen wir nicht verschweigen, dass es da noch das Eulen­spiegel-Relief am Rathaus gibt, direkt unter dem doppelten Söller mit der schönen Aufschrift „hic fuit“ – er war hier.

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