Nur noch die Hülle ist alt

Ein Rundgang mit Direktor Professor Dr. Jochen Luckhardt durch das Herzog Anton Ulrich-Museum kurz vor Abschluss der insgesamt mehr als 32 Millionen Euro teuren Moder­ni­sie­rung.

Braun­schweig freut sich nach Jahren der Moder­ni­sie­rung auf die Wieder­eröff­nung seines renom­mierten Herzog Anton Ulrich-Museums. Bis zum September nächsten Jahres ist aber noch Geduld gefragt. Erst dann werden sich die Pforten von Deutsch­lands ältestem Kunst­mu­seum nach der Schlie­ßung 2009 wieder öffnen und Blicke freigeben auf weltbe­rühmte Gemälde, Stiche und Skulp­turen. Professor Dr. Jochen Luckhardt, Direktor des Museums, gewährte dennoch einen beein­dru­ckenden Blick hinter die Kulissen der großen Moder­ni­sie­rung, in die das Land 32 Millionen Euro inves­tiert. Auch die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und die Braun­schwei­gi­sche Stiftungen beteiligt sich in Teilbe­rei­chen mit Projekt­för­de­rungen.

Herr Professor Dr. Luckhardt, wie ist der aktuelle Stand der Bauar­beiten in Ihrem Museum?

Wir sind soweit, dass die Baumaß­nahmen in diesem Jahr beendet werden und die Ausstel­lungs­ein­rich­tung beginnen kann. Wir haben dann rund neun Monate Zeit, um alle Kunst­werke einzu­räumen und um die Klima­an­lage laufen zu lassen, damit sie gut funktio­niert.

Das Haus war von seiner Bausub­stanz, aber auch räumlich und technisch an seinen Grenzen angelangt. Der Umbau war allein aus diesen Gründen notwendig, aber welchen Mehrwert werden die Besucher haben?

Der Mehrwert für die Besucher liegt darin, dass es sich um ein vollständig neues Museum handelt. Das Museum, das 2016 eröffnet wird, ist ein ganz anderes Museum, als das, was 2009 geschlossen wurde. Geblieben ist eigent­lich nur die Hülle des Gebäudes. Innen sind vollständig neue Räumlich­keiten entstanden, es gibt ein neues Konzept und wir können auch mehr Kunst­werke zeigen als zuvor.

Was können sich die Besucher unter einem neuen Konzept vorstellen?

Wir zeigen zwar in den einzelnen Geschossen wieder ähnliche Kunst­werke wie vor der Schlie­ßung, aber wir haben ganz andere Themen und ganz andere Werke eingefügt. In der Gemäl­de­ga­lerie haben wir beispiels­weise nicht mehr allein eine chrono­lo­gi­sche Abfolge, sondern durch zusätz­liche Ausstel­lungs­fläche Möglich­keiten gewonnen, etwa Themen des 16. Jahrhun­derts neu zu formu­lieren. Im zweiten Oberge­schoss, im Bereich Skulp­turen und Kunst­hand­werk, können wir Präsen­ta­tionen etwa zur Tafel­kultur, zur Bildung und zu den Sammlungen, die die Herzöge zusam­men­ge­tragen habe, besser und attrak­tiver aufbe­reiten.

Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum zählt zu den bedeu­tendsten Kunst­mu­seen in Deutsch­land. Steigt das Museum durch die Moder­ni­sie­rung weiter auf in der Hierar­chie der Kunst­mu­seen in Deutsch­land?

Ich habe bisher nicht festge­stellt, dass man irgendwie so eine Rangfolge hat, aber wir spielen natürlich in so einer imagi­nären Bundes­liga. Alle Museen, die sich vollkommen neu aufstellen, erhalten zunächst eine ganz andere Aufmerk­sam­keit, als das vorher der Fall gewesen ist. Das wird auch bei uns so sein. Bei uns war sehr viel zu tun, weil über Jahrzehnte hinweg einige Renovie­rungen unter­lassen worden waren, das Museum rein technisch nicht auf dem neuesten Stand war und wir räumlich für verschie­dene Programme zu eingeengt waren, zum Beispiel bei Sonder­aus­stel­lungen. In Zukunft können wir auf 900 Quadrat­me­tern unsere Sonder­aus­stel­lungen zeigen. Früher hatten wir nicht die Hälfte zur Verfügung. Besucher können sich auf ein wechselndes Programm freuen.

Lassen Sie einen Blick in Ihre Seele zu? Ein Museums­di­rektor möchte seine Schätze zeigen. Jetzt haben Sie das einige Jahre nicht tun können. Wie groß ist also die Vorfreude?

Die Vorfreude ist natürlich immer groß. Wir können jetzt 4.000 Objekte auf 4.000 Quadrat­me­tern zeigen – wie lange werden Sie brauchen, um ein komplett neues  Museum mit einer vollständig neuen Vitrinen-Landschaft kennen­zu­lernen. Das ist ein wunder­barer Ausblick. Ein bisschen haben wir ja immer noch gezeigt in der Burg Dankwar­derode. Aber jetzt das moder­ni­sierte Museum endlich neu bestücken und dann eröffnen zu können, ist schon aufregend und etwas Beson­deres. Ich hatte zu Beginn meiner Zeit in Braun­schweig über fünf Jahre hinweg nie die Möglich­keit, das Museum ohne bauliche Probleme leiten zu können. Ich hoffe, mir bleibt nach der Wieder­eröff­nung noch etwas Zeit dafür.

Wie ist Ihr Eindruck, wie wird die Bevöl­ke­rung die Neueröff­nung aufnehmen?

Wir haben natürlich dauernd Anfragen, wann das Museum endlich wieder eröffnet wird. Ich denke, dass die Wieder­eröff­nung etwas ist, worauf man sich wirklich freuen kann. Und ich hoffe, dass nicht nur die Braun­schwei­ge­rinnen und Braun­schweiger, sondern die ganze Region regen Anteil nehmen werden. Wir werden mit einem großen Museums­fest die Wieder­eröff­nung feiern, gehen wir mal davon aus, dass es Ende September 2016 so weit sein wird.

Die Baumaß­nahmen haben sich seit der Schlie­ßung des Museums 2009 doch länger  hinge­zogen als ursprüng­lich erwartet. Was waren die Gründe dafür?

Es war ohnehin immer geplant, dass die Gesamt­bau­maß­nahme mindes­tens fünf Jahre dauern würde, weil zunächst der neue Erwei­te­rungsbau fertig sein musste. Danach musste das Altge­bäude geleert und das neue Depot gefüllt werden, bevor die vollstän­dige Entker­nung beginnen konnte. Während der Arbeiten ergaben sich weitere Notwen­dig­keiten und Ideen, die noch etwas mehr Geld bedurften als ursprüng­lich veran­schlagt. Das brauchte Zeit in den parla­men­ta­ri­schen Gremien, etwa ein Jahr länger.

Hat sich die Verzö­ge­rung unter dem Strich gelohnt?

Wir haben jetzt nach der Moder­ni­sie­rung innerhalb der Räume ganz andere konser­va­to­ri­sche Möglich­keiten. Im zweiten Oberge­schoss zum Beispiel gibt es in den Vitrinen ein eigenes Klima­ti­sie­rungs­system mit Stahl­röhr­chen, die von oben kondi­tio­nierte Luft herein­bringen. Das gab es früher natürlich nicht, und das gibt es auch in anderen Museen Nieder­sach­sens nur zwei- oder dreimal.

Weitere Infor­ma­tionen:

http://www.3landesmuseen.de/Herzog-Anton-Ulrich-Museum.304.0.html

http://www.3landesmuseen.de/Blog-zur-Neueinrichtung.1354.0.html

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