Rückkehr eines jüdischen Kultob­jekts nach Braun­schweig

Mit Hilf der Eckensberger-Stiftung hat das Braunschweigische Landesmuseum einen prachtvollen Chanukka-Leuchter erworben, der einst dem früheren Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Braunschweig Benny Mielziner gehörte. Foto: A. Pröhle / Braunschweigisches Landesmuseum
Mit Hilf der Eckensberger-Stiftung hat das Braunschweigische Landesmuseum einen prachtvollen Chanukka-Leuchter erworben, der einst dem früheren Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Braunschweig Benny Mielziner gehörte. Foto: A. Pröhle / Braunschweigisches Landesmuseum

Das Landes­mu­seum erwirbt einen Chanukka-Leuchter, der einst einer angese­henen, später verfolgten Familie gehörte.

Beinahe über Nacht hat das Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum seine Judaica-Sammlung um ein bedeut­sames Stück erweitern können: einen filigranen Chanukka-Leuchter, der zum einen kunst­his­to­risch inter­es­sant ist, zum anderen aber gleichsam ikonisch für das Schicksal jüdischer Bürger in Braun­schweig steht, wie Museums­di­rek­torin Heike Pöppel­mann am Donnerstag bei der Vorstel­lung des achtar­migen Messing-Leuchters betonte.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 20.02.2020 (Bezahl-Artikel)

Das 56 Zenti­meter hohe Ritual­ob­jekt war ein Geschenk an den Kaufmann Benny Mielziner. Chanukka-Leuchter sind insbe­son­dere während des Chanukka-Festes in Gebrauch, mit dem an die Wieder­ein­wei­hung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem 164 vor Christus erinnert wird. Die Braun­schweiger Leopold-Zunz-Loge, eine bürger­lich-jüdische Gesell­schaft, verehrte es ihrem früheren Vorsit­zenden 1923 zu seinem 70. Geburtstag. Drei Jahre später starb Mielziner, der zeitweise auch der Jüdischen Gemeinde vorge­standen hatte. Den Leuchter erbte vermut­lich eines seiner fünf Kinder. Aller­dings verliert sich seine Spur alsbald im Dunkeln, wohl auch wegen der Verfol­gung, der die bis dahin angese­hene Familie Mielziner in Braun­schweig nach 1933 ausge­setzt war.

Gänzlich offen­legen konnte den Weg des Leuchters auch der Fachmann Hansjörg Pötzsch nicht. Der Prove­nienz-Experte der Braun­schweiger Landes­mu­seen musste sich im vergan­genen Herbst recht abrupt in die Recherche stürzen, als das Landes­mu­seum einen Anruf aus den Nieder­landen erhielt. „Eine Privat­person hat uns den Leuchter zum Kauf angeboten, aufgrund der Zueignung der Loge an Mielziner, die im Fuß eingra­viert ist“, wie Pöppel­mann am Donnerstag berich­tete.

Nun sei zweierlei zu klären gewesen, und zwar schnell, weil das Zeitfenster bei solchen Vorkaufs­an­ge­boten üblicher­weise knapp sei, so Pöppel­mann: Zuvör­derst war sicher­zu­stellen, dass das Stück kein Raubkunst-Fall ist. Das konnte Fachmann Pötzsch durch Recherche in spezi­ellen Daten­banken klären, vor allem aber im Gespräch mit Angehö­rigen der Familie Mielziner, die er in Amsterdam und New York ausfindig machte. Die Familie habe ihm auch versi­chert, den Leuchter nicht selbst kaufen zu wollen, sondern sehr einver­standen mit seiner künftigen Präsen­ta­tion im Landes­mu­seum zu sein, sagte Pötzsch. Der Verkäufer habe angegeben, den Leuchter vor einigen Jahren bei einer Auktion in Venlo erstanden zu haben. Unter­lagen darüber gebe es jedoch nicht. „In Venlo lebte aller­dings eine Angehö­rige der Familie Mielziner“, so Pötzsch.

Der andere Knack­punkt war, kurzfristig Mittel für die Anschaf­fung aufzu­treiben, rund 6000 Euro. Die sagte jedoch umgehend die Hans-und-Helga-Eckens­berger-Stiftung zu. „Die Stiftung hat ein Grund­ver­trauen in die Arbeit des Museums und unterhält auch gute Kontakte zur Jüdischen Gemeinde Braun­schweig. Wir haben uns wegen der Bedeutung des Leuchters gefreut, uns hier engagieren zu können“, sagten Wolfgang Müller und Wilhelm Koller vom Stiftungs­vor­stand.

Herge­stellt wurde der fein gearbei­tete Leuchter mit Elementen des Jugend­stils und Anklängen an den Germa­ni­schen Tierstil vermut­lich Anfang der 1920er Jahre in einer süddeut­schen oder böhmi­schen Manufaktur, erläu­terte Pötzsch. Als Vorlage könnten zwei sehr ähnliche bekannte Stücke aus dem 19. Jahrhun­dert gedient haben, die sich heute in den Jüdischen Museen von New York und Brüssel befinden. „Ein drittes haben wir künftig in Braun­schweig.“ In den kommenden Wochen können es Inter­es­sierte im Vieweg-Salon des Landes­mu­seums besich­tigen (Eingang Papen­stieg). Nach der Wieder­eröff­nung soll er dann einen Platz in der jüdischen Abteilung des Landes­mu­seums Hinter Aegidien finden.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 20.02.2020 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article228487089/Rueckkehr-eines-juedischen-Kultobjekts-nach-Braunschweig.html (Bezahl-Artikel)

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