Spekta­ku­läre Sanierung in luftiger Höhe

Der Glockenturm in Zorge wird saniert. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp
Der Glockenturm in Zorge wird saniert. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Um das Bauma­te­rial für den denkmal­ge­schützten Glocken­turm in Zorge auf den Berg zu trans­por­tieren, wurde extra eine Seilbahn gebaut.

Die Sorge um den Glocken­turm im Harzer Zorge war groß. Bei einer Verkehrs­si­che­rungs­über­prü­fung waren Holzfäule und Holzschäd­linge an der mehr als 150 Jahre alten Konstruk­tion festge­stellt worden. Eine Sanierung war unumgäng­lich, aber wie konnte sie reali­siert werden? Der Glocken­turm liegt hoch über dem Ortsteil von Walken­ried, ist nur zu Fuß über 190 Treppen­stufen oder über einen schmalen Trampel­pfad von einem oberhalb liegenden Waldweg aus zu erreichen. Schließ­lich wurde die Lösung mit einer eigens errich­teten Seilbahn gefunden. Sie ist 130 Meter lang und überbrückt einen Höhen­un­ter­schied von 60 Metern. Die Sanierung hat in diesen Tagen begonnen.

Ein Ottmer-Bauwerk

Der Glocken­turm ist Eigentum der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Der Fachwerkbau datiert aus dem Jahr 1853 und wurde vermut­lich nach Plänen des Braun­schwei­gi­schen Hofbau­meis­ters Carl Theodor Ottmer errichtet. Das Bauwerk gilt als ortsbild­prä­gend und ist als sogenanntes Einzel­denkmal geschützt. Zorge galt als das „Ruhrge­biet des Herzog­tums Braun­schweig“. Dort wurden unter anderem Dampf­lo­ko­mo­tiven für die Herzog­lich Braun­schwei­gi­sche Staats­bahn herge­stellt. Auch die Eisen­platten für den Obelisken auf dem Löwenwall in Braun­schweig, der 1823 zu Ehren der im Kampf gegen Napoleon gefal­lenen Herzöge Karl Wilhelm Ferdinand und Friedrich Wilhelm errichtet wurde, stammen aus Zorge. Über die Indus­trie­ge­schichte des Ortes infor­miert heute ein Heimat­mu­seum (www.museum-zorge.de)

Die alte Glocke wird an der Materialseilbahn nach unten befördert. Foto: Fa. Seilkonzept
Die alte Glocke wird an der Materi­al­seil­bahn nach unten befördert. Foto: Fa. Seilkon­zept

Ursprüng­lich waren die aktuellen Arbeiten am Glocken­turm bereits für das vergan­gene Jahr geplant gewesen, aber ungeahnte Schwie­rig­keiten verzö­gerten den Start. „Wir hatten die Sanierung mittels eines konven­tio­nellen Baukrans geplant. Aber parallel dazu stellte sich heraus, dass die dafür benötigte Brücke in Zorge ebenfalls als sanie­rungs­be­dürftig einge­stuft und von der Gemeinde gesperrt wurde, so dass unser Plan nicht mehr umzusetzen war“, erläutert Ariane Görder vom zustän­digen Staat­li­chen Bauma­nage­ment Braun­schweig.

Lasten­hub­schrauber zu teuer

Die Sanierung lag auf Eis, weil alter­na­tive Möglich­keiten für den Materi­al­trans­port, zum Beispiel über den oberen Waldweg oder den Einsatz eines Lasten­hub­schrau­bers, wegen mangelnder Befahr- und Begeh­bar­keit oder aus Kosten­gründen letztlich nicht in Frage kamen. Eher zufällig wurde die jetzt reali­sierte Lösung gefunden. Bei einem Gespräch mit dem Inhaber der Firma Seilkon­zept aus Kassel auf einer anderen Baustelle entstand die Idee der tempo­rären Materi­al­seil­bahn. Die Gemeinde Walken­ried geneh­migte das Vorhaben unbüro­kra­tisch und die Eigen­tümer der für die Befes­ti­gung der Seilbahn vorge­se­henen Bäume erklärten kurzfristig ihr Einver­ständnis.

Ersatz aus Finnland?

Als erstes wurde nun die rampo­nierte Glocke aus den 1950er-Jahren demon­tiert und nach unten trans­por­tiert. Sie ist nicht mehr lange funkti­ons­tüchtig, weil sie seiner­zeit aus Eisen und nicht aus Bronze gegossen worden war. Mittler­weile ist sie zu stark verrostet. Ersatz könnte eine in 1969 in Wien gegossene Bronze­glocke sein. Sie befindet sich aktuell noch in Finnland. Eine Entschei­dung darüber muss zügig fallen, denn im September wird die Materi­al­seil­bahn in Zorge wieder abgebaut.

Weitere Infor­ma­tionen:

www.der-loewe.info/von-glueckauf-und-englischen-lokomotiven
www.der-loewe.info/neues-gold-fuer-den-obelisken

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