Technik eines Erfolgs­pro­dukts

Tabaksdose von Stobwasser. Foto: Richard Borek Stiftung

Serie über die Braun­schweiger Manufaktur Stobwasser, Folge 4: Papier­maché und günstige Träger­ma­te­ria­lien.

Die erfolg­reichsten Produkte der Manufaktur Stobwasser waren Tabaks­dosen und Tabaks­pfeifen, die überwie­gend aus Papier­maché gefertigt wurden. Es handelt sich dabei um ein Gemisch aus Wasser, Papier­fa­sern und Leim, die zu einem zähen Brei vermischt werden. Dieser Brei kann in eine entspre­chende Form gebracht werden und härtet dann während des Trock­nungs­pro­zesses aus. Für die Tabaks­dosen fertigte man in der Manufaktur Stobwasser wohl Papprohre, die in entspre­chende Ringe zersägt wurden. Dann wurden Deckel und Böden – ebenso aus Papier­maché – einge­setzt. Für Tabaks­pfeifen presste man die Papier­ma­ché­masse in entspre­chende Modeln. So entstanden leichte und relativ stabile Formen, die dann mit dem Lack veredelt wurden. Neben Papier­maché verwen­dete die Manufaktur als Träger­ma­te­ria­lien Metall­bleche, Zinn und Holz, also ausge­spro­chen günstige Grund­stoffe.

„Galan­te­rie­waren“ aus Paris

Dabei ist Papier­maché keine Erfindung der Manufaktur. Bereits seit dem 15. Jahrhun­dert lässt sich in Europa Papier­maché nachweisen, das vor allem für Krippen­fi­guren und Reliefs Verwen­dung fand. Zeitgleich mit Stobwasser in Braun­schweig entstand in Ludwigs­lust eine Manufaktur, wo der „Ludwigs­luster Carton“ gefertigt wurde. Aus diesem Material entstanden nicht nur die Dekor­ele­mente für den Innen- und Außenbau des dortigen Schlosses und der Stadt­kirche, sondern auch Tafel­auf­sätze, Konsol­ti­sche, Leuchter und Skulp­turen, die Abnehmer über die Landes­grenzen hinaus fanden. Für „Galan­te­rie­waren“, also Dosen und Etuis, verwen­dete auch das Unter­nehmen Martin in Paris, auf das noch einge­gangen wird, zeitgleich Papier­maché als Träger­ma­te­rial.

Durch den Lackauf­trag erfolgt eine weitere Stabi­li­sie­rung des Objektes und gleich­zeitig wird das Träger­ma­te­rial resistent gegen Feuch­tig­keit. In der Regel erfolgte bei Stobwasser der fünffache Auftrag eines schwarzen Kopal­la­ckes (in Binde­mittel gelöste fossile Harze), wobei jede Schicht nach dem Trocknen mit Bimsstein­pulver geglättet und poliert wurde. Abschlie­ßend kann dann noch der Auftrag einer letzten hellen Schicht erfolgen, die dann die Grundie­rung für die Malerei bildet, wie etwa bei den Deckeln der Schnupf­ta­baks­dosen. Die Malerei erfolgte in der Regel mit Ölfarben, die durch einen abschlie­ßenden Firnis versie­gelt wurde.

Erste Lackar­beiten aus Ostasien

Bereits die ersten Lackar­beiten, die von Ostasien nach Europa kamen, faszi­nierten, und man versuchte den glänzenden Stoff nachzu­ahmen. Aller­dings stand das Grund­ma­te­rial, das Harz des Lackbaums, nicht zur Verfügung, so dass man mit eigenen Rezep­turen experi­men­tierte. Weitest­ge­hend gelang dies erst im 18. Jahrhun­dert, und nun konnte man nicht nur schwarze und rote Lacke und ihre goldenen Dekor­tech­niken Ostasiens nachahmen, sondern auch rein europäi­sche Formen und Dekor­wün­sche reali­sieren.

Im Paris des 18. Jahrhun­derts war die Manufaktur der Brüder Martin – Guillaume, Etienne-Simon, Robert und Julien – und später ihrer Söhne führend. Ihr Wirken lässt sich ab 1724 bis 1785 nachweisen, und zeitweilig unter­hielten diese „Vernis­seurs du Roi“ bis zu drei Fabriken. Sie kopierten nach ostasia­ti­schem Vorbild, entwi­ckelten aber auch europäi­sche Dekore, die sie teilweise mit Goldde­koren nach ostasia­ti­schem Vorbild zusätz­lich verzierten. Vermut­lich wurde der Lack hier durch das Erhitzen von Öl und Kopalen mit zusätz­li­cher Beimen­gung venezia­ni­schen Terpen­tins herge­stellt.  Nicht nur Galan­te­rie­waren – teilweise aus Papier­maché – sondern auch Möbel, Raumver­tä­fe­lungen und Kutschen wurden von den Künstlern für Adel, Hof und die könig­liche Familie herge­stellt.

Vorbild für Stobwasser

Obgleich das Unter­nehmen zeitweilig das Privileg zur Herstel­lung europäi­scher Lacke innehatte, wurden die Arbeiten von anderen Unter­nehmen oft minder­wer­tiger kopiert – nicht nur in Frank­reich, sondern in ganz Europa. Dennoch entwi­ckelte sich der Name „Vernis Martin“ zum Inbegriff europäi­scher Lackwaren des Rokokos. Jean Alexandre Vernis, Sohn von Robert, bezeich­nete sich 1767, also parallel zu den Entwick­lungen in Braun­schweig, als „Vernis­seur du Roi de Prusse“ und war zeitweilig in Sanssouci tätig, ohne aber die künst­le­ri­sche Qualität seines Vaters zu erreichen.

Sicher­lich war der Erfolg des Unter­neh­mens Martin das große Vorbild für Stobwasser. Wie die Martins so setzte auch Stobwasser auf die hohe Qualität der Dekora­tion, wobei es in Braun­schweig und später in Berlin gelang, sich sowohl in der Formen­sprache wie in der Bildthe­matik von den Rokoko­vor­bil­dern zu lösen, um beides in die Formen­sprache des Klassi­zismus überzu­führen. Qualität, neue Motive und Formen waren also die Garanten für den Erfolg des Unter­neh­mens.

Dr. Martin Eberle ist Direktor der Museums­land­schaft Hessen Kassel.

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