„Trümmer­kunst“ aus der zerstörten Stadt

Der Alltag ist eingekehrt: der Bäckerklint mit der Ruine der Petrikirche von Herbert Waltmann. Foto: Stiftung Prüsse / Andreas Greiner-Napp
Der Alltag ist eingekehrt: der Bäckerklint mit der Ruine der Petrikirche von Herbert Waltmann. Foto: Stiftung Prüsse / Andreas Greiner-Napp

Die Stiftung Prüsse und das Städti­sche Museum zeigen bis zum 15. Oktober Werke von Braun­schweiger Künstlern, die sich den Ruinen des Zweiten Weltkriegs und dem Wieder­aufbau widmeten.

Ausge­brannte Häuser, zerstörte Kirchen, Trümmer, Schutt und Not, aber auch Hoffnung und Wieder­aufbau – die Ausstel­lung „15. Oktober – Die Zerstö­rung der Stadt Braun­schweig 1944“ zeigt Werke von Braun­schweiger Künst­le­rinnen und Künstlern, die sich mit den Folgen der Luftan­griffe auf die Stadt 1944 ausein­an­der­ge­setzt haben. Sie ist von Montag, 2. September, bis zum 15. Oktober an verschie­denen Orten der Stadt zu sehen und eine Koope­ra­tion der Stiftung Prüsse und des Städti­schen Museums.

Bei zahlrei­chen Luftan­griffen, die die Natio­nal­so­zia­listen provo­ziert hatten, starben in der verhee­renden Bomben­nacht vom 14. auf den 15. Oktober mehrere Tausend Menschen, danach gab es das alte Braun­schweig nicht mehr. „Für die Identität der Stadt war die Zerstö­rung und der Verlust des Kultur­erbes ein wichtiges Moment“, sagte Museums­di­rektor Dr. Peter Joch bei der Vorstel­lung der Ausstel­lung. Der Krieg stelle eine Zäsur dar; das, was sich in dieser Zeit ereignet habe, könnten nachfol­gende Genera­tionen nicht verstehen. „Die Kunst kann helfen, diese Kluft zu schließen“, sagte Joch.

Zustan­de­kommen ist die Ausstel­lung auf Initia­tive des Braun­schwei­gers Jochen Prüsse (Jahrgang 1939) aus dessen privater Sammlung die meisten Gemälde, Aquarelle, Zeich­nungen und Druck­gra­phiken stammen, verant­wort­li­cher Kurator ist Dr. Lars Berg. „Wir wollen den Menschen zeigen, was wir verloren haben“, sagte Prüsse, „und wir wollen mahnen, was wir erneut verlieren könnten.“ So sei die Eröffnung der Ausstel­lung bewusst auf den 1. September gelegt worden, um auf den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen vor 80 Jahren zu erinnern. Auf die Verant­wor­tung Deutsch­lands für die Folgen des Krieges weisen auch Fotos zerbombter Städte wie Rotterdam und Coventry hin, die neben Darstel­lungen der vernich­teten Stadt Braun­schweig im Städti­schen Museum zu sehen sind. Die Ausstel­lung wird unter anderem von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung und der Richard Borek Stiftung gefördert.

Unter den ausge­stellten Werken sind unter anderem Arbeiten des Malers und Kunst­päd­agogen Ernst Straßner, eines Schülers des Expres­sio­nisten Georg Tappert, und der Malerin Hedwig Hornburg, die vor allem durch ihre Aquarelle und ihre Kohle­zeich­nungen bekannt wurde. Auch der Braun­schweiger Stadt­bau­meister Hermann Flesche, der in den 1930-er Jahren die Sanierung der Altstadt betreut hatte, ist vertreten ebenso wie der Maler Günther Kaphammel und der Studi­enrat Wilhelm Frantzen.

 

Den größten Teil der Ausstel­lung nehmen Darstel­lungen ein, die die Stadt als Trümmer­land­schaft zeigen. Daneben sind die zerstörten Kirchen zu sehen, der Wieder­aufbau, Szenen des Alltags und der roman­tisch-verklä­rende Blick auf die Ruinen der Stadt. Im Städti­schen Museum werden Aquarelle, Zeich­nungen und Druck­gra­phiken präsen­tiert. In der Jakob-Kemenate sowie im Bankhaus Löbbecke, im Augus­tinum und der St. Andreas-Kirche sind es überwie­gend Gemälde, in der Kemenate Hagen­brücke werden Zeich­nungen des Künstlers Wilhelm Krieg gezeigt.

 

Ergänzt wird die Schau mit einem umfang­rei­chen Begleit­pro­gramm. Neben Führungen und Lesungen werden Filmdo­ku­mente zur Zerstö­rung Braun­schweigs präsen­tiert, es gibt Stadt­spa­zier­gänge, Vorträge und ein beson­deres Begleit­pro­gramm für Schulen. Zur Ausstel­lung erscheint ein umfas­sender, reich bebil­derter Katalog mit vielen Infor­ma­tionen über das zerstörte Braun­schweig und über die Entwick­lung des Luftkrieges.

Viele der in der Ausstel­lung gezeigten Künstler hatten eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Vergan­gen­heit, darauf verweisen Texte im Katalog, die sich mit den Biogra­fien ausein­an­der­setzen.

Künstler:

In der Ausstel­lung sind unter anderem Arbeiten von Erich Constein, Hermann Flesche, Wilhelm Frantzen, Hedwig Hornburg, Günther Kaphammel, Wilhelm Krieg, Karl-Heinz Meyer, Gottlieb Mordmüller, Karl Neuss, Christof Nanko, Ernst Straßner, Daniel Thulesius und Herbert Waltmann zu sehen.

 

Ausstel­lungs­orte:

Städti­sches Museum, Stein­tor­wall 14, 38100 Braun­schweig (Eintritt s.u.)

Jakob-Kemenate, Eiermarkt 1 b, 38100 Braun­schweig (Eintritt frei)

Kemenate Hagen­brücke, Hagen­brücke 5, 38100 Braun­schweig (Eintritt frei)

Augus­tinum, Am Hohen Tore 4a, 38118 Braun­schweig (Eintritt frei)

Bankhaus Löbbecke, Petri­tor­wall 22, 38118 Braun­schweig (Eintritt frei)

Andre­as­kirche, An der Andre­as­kirche 4, 38100 Braun­schweig (Eintritt frei)

 

Begleit­pro­gramm für Schul­klassen:

Für die Jahrgangs­stufen 9 und 10

E‑Mail: martin.baumgart@braunschweig.de

Telefon: 0531–4704504

 

Kontakt:

Städti­sches Museum

Stein­tor­wall 14

38100 Braun­schweig

 Telefon: 0531–4704505

E‑Mail: staedtisches.museum@braunschweig.de

Öffnungs­zeiten:

Dienstag – Sonntag von 10 bis 17 Uhr

 

Eintritt:

Erwach­sene 5 Euro

Ermäßi­gung für Schüler, Studie­rende, Auszu­bil­dende, Menschen mit Behin­de­rung, Rentner sowie Inhaber des „Braun­schweig Passes“ 2,50 Euro

Kinder von 6 – 16 Jahre 2,00 €

Schul­klassen und Kinder bis 6 Jahre freier Eintritt

 

Weitere Infor­ma­tionen zum Begleit­pro­gramm: www.braunschweig.de/kultur/museen/staedtisches_museum/ausstellungen.php

 

Das könnte Sie auch interessieren

  • Hunger nach Kultur

    Hunger nach Kultur

    75 Jahre Kriegsende, Folge 5: Durch Plünderung und Zerstörung waren bei den ausgelagerten Braunschweigischen Sammlungsbeständen unersetzliche Verluste eingetreten. Weiterlesen

  • „Das provo­ziert schon“

    „Das provo­ziert schon“

    Ludger Hinse zeigt seine Licht­kreuze in Kirchen – Ausstel­lung läuft bis zum 9. Juni. Das namens­ge­bende Licht­kreuz hängt im Kaiserdom Königs­lutter und strahlt Hoffnung und Freude aus. Es demons­triert, dass der Titel der Ausstel­lung von Ludger Hinse, „Zeichen des Lichts“, ausge­zeichnet gewählt ist. Hinse zeigt mehr als 60 Werke, darunter Skulp­turen, Gemälde und fotogra­fi­sche Bilder… Weiterlesen

  • Nach der Feuers­brunst kam „Don Juan“

    Nach der Feuers­brunst kam „Don Juan“

    Schon am 16. Juli 1945 erhielt das Staatliche Hochbauamt den Auftrag zum Wiederaufbau des Staatstheaters. Weiterlesen