Von Yokohama nach Braun­schweig

Die Rauchalen aus dem historischen Residenzschloss, Yokohama, 1911; jetzt im Arbeitszimmer des Schlossmuseums. Rechts diejenige mt den beiden Braunschweigischen Löwen, links die mit dem Lüneburger Löwen. (Beides bis 1918 Bestandteile des Kleinen Braunschweigischen Staatswappens.)
Die Rauchalen aus dem historischen Residenzschloss, Yokohama, 1911; jetzt im Arbeitszimmer des Schlossmuseums. Rechts diejenige mt den beiden Braunschweigischen Löwen, links die mit dem Lüneburger Löwen. (Beides bis 1918 Bestandteile des Kleinen Braunschweigischen Staatswappens.)

Objekt des Monats, Folge 19: Zwei Rauch­schalen für das Residenz­schloss.

Unter dem Braun­schwei­gi­schen Herzogs­re­genten Johann Albrecht von Mecklen­burg (1857–1920) wurde die Ausstat­tung des histo­ri­schen Residenz­schlosses durch fernöst­li­ches Kunst­hand­werk berei­chert, hübsche Stücke von kleinem Format. Es geht um die beiden Rauch­schalen im Braun­schweiger Schloss­mu­seum. Johann Albrecht hatte außerdem mehrere Aschen­be­cher von gleicher Art bestellt, die hier aller­dings nicht abgebildet werden. Beides, Rauschalen und Aschen­be­cher, wurden 1911 in Mengen von bis zu 20 Stück angeschafft; in Schloss Blanken­burg fand man sie auch.

Dass der Herzogs­re­gent sie ausge­rechnet in Yokohama bei der japani­schen Email­le­firma N. Nagai bestellte, ist Johann Albrechts fernöst­li­chen Bezie­hungen als kaiser­lich-deutscher Handels­at­taché in Tokio und seiner Funktion als Präsident der Deutschen Koloni­al­ge­sell­schaft zu verdanken. Der Händler Helm Bros. Ltd. aus Yokohama und die Spedition Paul Paetow, New York/Hamburg, besorgten den Ankauf und Versand rings um den Globus ins ferne Braun­schweig; soweit die Akten des Hofmar­schall­amts, das in der Hofstatt für derlei Ankäufe zuständig war.

Braun­schweig und Fernost: Löwen zwischen Blüten und Ranken

Genaue Anwei­sungen bezüglich der Braun­schwei­gi­schen Ausstat­tung müssen nach Japan verschickt worden sein. Denn die Innen­böden der zwei Schalen und die der Aschen­be­cher tragen einen farbigen Kreis. Darin sieht man abwech­selnd aus dem Kleinen Braun­schwei­gi­schen Staats­wappen den Blauen Löwen auf gelbem Grund mit roten Streu­herzen der älteren Lüneburger Linie sowie die zwei kleinen goldenen Löwen auf rotem Grund der älteren Braun­schweiger Linie (geteilt seit 1428/32). Hinzu kommt auf dem Unter­boden der Schalen (und auf dem Standring der Ascher) die Stand­ort­an­gabe: „Herzog­li­ches Residenz­schoss Braun­schweig MCMXI [1911]“.

Ausschnitt von den Rauchschalen: Unterboden mit der Standortbenennung "Herzogliches Residenzschloß Braunschweig 1911“.
Ausschnitt von den Rauch­schalen: Unter­boden mit der Stand­ort­be­nen­nung “Herzog­li­ches Residenz­schloß Braun­schweig 1911“.

Die florale Ausstat­tung ist aber fernöst­lich geprägt. Sie besteht aus blauen, gelben, roten und grünen Blatt­ranken mit ebensol­chen Blüten auf grünen und weißen Unter­gründen, dazwi­schen in der Mitte die erwähnten Wappen­felder. Blauweiße Bordüren umrahmen die Böden und Seiten­wangen, so dass alles von farblich harmo­ni­schem Blattwerk dicht umsponnen ist. Blatt- und Blüten­mo­tive über Japan hinaus, ja aus China und Korea aus der Zeit zwischen dem 15. und 19. Jh., sind hier sinnfällig mitein­ander verwebt. Sehr feine, auf den Goldgrund gelötete Goldstege trennen die Blüten­felder vonein­ander. Gefärbtes, pulve­ri­siertes Glas wird einge­streut und schmilzt beim Brenn­vor­gang. Dies Verfahren wird Zellen­schmelz- oder Cloisonné-Technik genannt.

Ausschnitt von den Rauchschalen: Schaleninnenseite mit dem Lüneburger Löwen.
Ausschnitt von den Rauchschalen: Schaleninnenseite mit dem Lüneburger Löwen.
Ausschnitt von den Rauch­schalen: Schalen­in­nen­seite mit dem Lüneburger Löwen.

Kunst­volle Gefäße für Rauch und Duft

Die Berei­che­rung um eine Pretiose vor allem des „Japani­schen Zimmers“ war eine der sinnli­chen Aufgaben der Rauch­schalen und Aschen­be­cher. Johann Albrecht hatte es 1911 im nördli­chen Westflügel des histo­ri­schen Residenz­schlosses mit ebenso fernöst­lich anmuten­dern Möbel­stü­cken und feinen japanoisen Seiden ausstatten lassen. Aber es gibt noch einen einfachen Zweck für die Stücke. Bei den Aschen­be­chern liegt es auf der Hand. Hier kam die Asche der schweren Zigarren von den Herren des Hofes hinein. Das mag gelegent­lich bei den Rauch­schalen auch der Fall gewesen sein. Aber ihre Größe von ca. 25 Zenti­me­tern Durch­messer legt es nahe, dass hier ätheri­sche Öle, in heißem Wasser gelöst, oder Weihrauch verdampften und die Zimmer­luft um belebende Düfte berei­cherten.

Historisches Braunschweiger Residenzschloss, Ausschnitt des Japanischen Zimmers im nordwestlichen Hauptflügel, um 1913. Auf dem Kabinettschrank eine der beiden Rauchschalen und davor ein typgleicher Aschenbecher in Bootsform.
Historisches Braunschweiger Residenzschloss, Ausschnitt des Japanischen Zimmers im nordwestlichen Hauptflügel, um 1913. Auf dem Kabinettschrank eine der beiden Rauchschalen und davor ein typgleicher Aschenbecher in Bootsform.
Histo­ri­sches Braun­schweiger Residenz­schloss, Ausschnitt des Japani­schen Zimmers im nordwest­li­chen Haupt­flügel, um 1913. Auf dem Kabinett­schrank eine der beiden Rauch­schalen und davor ein typglei­cher Aschen­be­cher in Bootsform.

Die Rauch­schalen wurden 1925 vom Welfen­haus in der vom Land Braun­schweig zugestan­denen großen Beräumung des Schloss­mu­seums mitge­nommen. 1945 verzogen sie von Schloss Blanken­burg auf die Marien­burg bei Nordstemmen. 2005 erwarb sie die Richard Borek Stiftung auf der Welfen­auk­tion. Nach 86 Jahren kamen sie zurück und sind heute in der Dauer­aus­stel­lung im Arbeits­zimmer des Braun­schweiger Schloss­mu­seums zu sehen. Einen der bislang bekannten fünf Aschen­be­cher konnte die Stiftung von Privat ankaufen. Dieser hat eine Bootsform, ist ca. 20 Zenti­meter lang, aber schmal. Vier weitere Aschen­be­cher gibt es im Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums in Form von Dreieck, Raute und Bogen. Ob es in Privat­haus­halten noch weitere dieser kleinen Kunst­werke gibt?

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