Wider­stand gegen den Despoten

Schlossbrand 1830. Foto: Archiv Biegel
Schlossbrand 1830. Foto: Archiv Biegel

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 4: Braun­schweiger Bürger­brannten das Schloss nieder und vertrieben Karl II.

Mit Karl II. ist das Bild des brennenden Residenz­schlosses 1830 in Braun­schweig und die Vertrei­bung eines Herzogs verbunden. Geradezu legen­den­haft hält sich die Überlie­fe­rung, die Braun­schweiger hätten sich in demokra­ti­schem Bewusst­sein ihrer Monarchie entledigt. Tatsäch­lich galt der Wider­stand dem Despoten, dem später als „Diaman­ten­herzog“ bezeich­neten Karl II., aber nicht dem System.

Karl II. Friedrich August Wilhelm wurde am 30. Oktober 1804 in Braun­schweig geboren. Seine Eltern waren der „Schwarze Herzog“ Friedrich Wilhelm und Marie von Braun­schweig. Nach dem Tod des Vaters in den Befrei­ungs­kriegen übernahm der englische Prinz­re­gent und spätere König Georg IV. die Vormund­schaft, ehe Herzog Karl II. im Frühjahr 1826 den Thron in Braun­schweig bestieg. Seine despo­ti­sche Willkür­herr­schaft, Eingriffe in das Finanz- und Justiz­wesen und die öffent­lich kriti­sierte Verschwen­dungs­sucht belas­teten das ohnehin zwiespäl­tige Verhältnis zum Adel, Militär und Bürgertum. Die katastro­phale wirtschaft­liche Notlage traf aber vor allen Dingen die unteren Schichten des Volkes empfind­lich. Preis­stei­ge­rung, die schlechte Ernte im Jahr 1830, wachsende Arbeits­lo­sig­keit und Furcht vor einer drohenden Hungersnot im kommenden Winter schufen ein soziales Spannungs­po­ten­zial, das den Herzog zum Handeln hätte zwingen müssen.

Bereits im Februar 1830 hatte der Braun­schweiger Magis­trats­di­rektor Wilhelm Bode vermerkt, dass vor allem die unteren Schichten der Bevöl­ke­rung unter Teuerung und zuneh­mender Arbeits­lo­sig­keit zu leiden hätten und die Unzufrie­den­heit endlich auf das Äußerste stieg und (…) zu Extremen und Explo­sionen führen musste. Warnende Stimmen gab es im Sommer 1830, die forderten, dass der Herzog und seine Regierung dringend Vorsor­ge­maß­nahmen treffen sollten. Als eine Delega­tion des Magis­trats unter Führung Bodes am 1. September beim Herzog notwen­dige Finanz­mittel für erste Maßnahmen forderte, reagierte dieser zwar, jedoch bis seine Entschei­dungen am 7. September 1830 öffent­lich wirksam werden konnten, war es zu spät.

Die Unruhe der Bevöl­ke­rung über die Untätig­keit der Regierung richtete sich gegen den Herzog, als er am Abend des 6. September 1830 das Hoftheater verließ. Proteste beglei­teten ihn, Steine flogen gegen den davon­ra­senden Wagen und die Menge zog weiter zum Schloss­platz mit Forde­rungen nach Brot und Arbeit. Die Reaktion Karls II. auf diese Proteste bestand in einer deutli­chen Demons­tra­tion militä­ri­scher Macht, indem er Kanonen vor der Aegidien-Kaserne auffahren ließ. Immer mehr Menschen versam­melten sich gegen Abend vor dem Schloss.

Ein zeitge­nös­si­scher Zeitungs­be­richt beschreibt die Situation: Nun fasste der Herzog den zweiten unglück­li­chen Entschluss, ließ noch in der Nacht aus der Kammer­kasse Gelder nach dem Schlosse holen und deutete dadurch gewis­ser­maßen auf Vorbe­rei­tungen zur Abreise. Morgens acht Uhr versam­melten sich jedoch wieder viele Bürger. […] An diesem Tage ging es unruhig her. Es kam zu Tätlich­keiten. Es kam zu Plünde­rungen im Schloss, aber das Militär unter dem Kommando des Generals August von Herzberg hielt sich sichtbar zurück. Das Unheil nahm seinen freien Lauf, und das Schloss brannte, doch weder Militär noch Lösch­mann­schaften wurden aktiv, sie beschränkten sich lediglich darauf, die angren­zenden Häuser zu schützen: … Als der Morgen dämmerte, waren die Arbeits­leute auch nicht für den vierfa­chen Tageslohn zu gewinnen, den südlichen Schloss­flügel vor den Flammen zu retten. Das Schloss muss brennen, war die Antwort.

Als das Schloss 1830 brannte, ging es um einen sozialen Protest der „Unter­schichten“, der armen und verges­senen Menschen in Stadt und Land, die um das bloße Überleben kämpften und die sich vom Regenten im Stich gelassen fühlten. Herzog Karl II. war erfolg­reich durch eine Revolu­tion vertrieben. Das entstan­dene Macht­va­kuum füllte der Magistrat, und bereits am 10. September traf der Bruder von Karl II., Herzog Wilhelm, in Braun­schweig ein und wurde begeis­tert empfangen. Maßgebend für den Fortgang waren Magis­trats­di­rektor Wilhelm Bode und Minister Wilhelm von Schle­i­nitz, deren diplo­ma­ti­schem Geschick es zu verdanken war, dass der Deutsche Bund nicht  militä­risch eingriff. Die Gefahr war groß, daher betonten Magistrat und Regierung immer wieder, dass keine Revolu­tion im Gange sei, jedoch jederzeit dazu die Gefahr bestände, wenn Karl II. zurück­kehren würde. Damit wollte Bode deutlich machen, dass die Unruhen einzig gegen den Despoten gerichtet waren, nicht gegen das legitime System.

Als 1830 das Vertrauen des Volkes in Regierung verloren war, blieb nur die Revolu­tion. In diesem Sinne wäre es ein wünschens­werter Beitrag der Erinne­rungs­kultur, auf dem Schloss­platz als zentralem Ort der Revolu­tionen in Braun­schweig mit einer Gedenk­platte zu erinnern.

Der Text wurde zuerst im Viervier­tel­kult (Ausgabe Herbst 2018), dem Magazin der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, veröf­fent­licht.

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