Gebildet, bescheiden und schön

Eine Sonderausstellung zum Leben Maries ist noch bis zum 25. Juni im Schlossmuseum zu sehen. Foto: Schlossmuseum Braunschweig/Peter Sierigk
Eine Sonderausstellung zum Leben Maries ist noch bis zum 25. Juni im Schlossmuseum zu sehen. Foto: Schlossmuseum Braunschweig/Peter Sierigk

Folge 9 der Reihe „Schick­sale am einstigen Braun­schweiger Hof“: Marie.

Nach Marie, der Frau des „Schwarzen Herzogs“, wurde die Ev.-luth. Diako­nis­sen­an­stalt Marien­stift ebenso benannt wie die im östlichen Ringge­biet in Braun­schweig gelegene Marien­straße. Viel stärkere Spuren hinter­ließ sie jedoch in der braun­schwei­gi­schen Geschichte durch ihre beiden Söhne: Karl und Wilhelm.

Als Marie am 7. September 1782 als fünfte Tochter des Erbprinzen Karl Ludwig von Baden und seiner Frau Amalie geboren wurde, bejubelte dies kaum jemand am Hof oder in der Bevöl­ke­rung. Ein weiteres Mädchen löste nicht das Problem des noch immer fehlenden Erbprinzen. Dennoch erhielt sie eine umfas­sende Erziehung durch ihre Gouver­nante und bereits seit dem frühen Kindes­alter Unter­richt in Rechnen, Schreiben, Religion, Franzö­sisch, Geschichte, Geogra­phie, Malerei, Musik, deutscher Literatur, Handar­beiten und Tanzen.

Sie entwi­ckelte sich zu einer „Prinzessin, die alle Eigen­schaften vereint“, wie es Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in einem Brief an seinen Sohn Friedrich Wilhelm 1801 zusam­men­fasste. Dies bedeutete zur damaligen Zeit, dass sie zurück­hal­tend und bescheiden war. Wie ihre Schwes­tern galt sie zudem als Schönheit. Darüber hinaus war Marie mit 17 Jahren im besten Heirats­alter, als sie Friedrich Wilhelm erstmals begegnete. Nachdem sich dieser trotz ihrer positiven Eigen­schaften die Entschei­dung, auf sein Jungge­sel­len­leben zu verzichten, nicht leicht gemacht hatte, wurde am 12. Juni 1801 in Karlsruhe die Verlobung gefeiert.

Eine für die damalige Zeit ungewöhn­liche lange Verlo­bungs­dauer lag in einer Reise und einem Schick­sals­schlag Maries begründet: Sie war mit ihren Eltern und ihrem Bruder Karl nach Schweden gereist, um eine bereits verhei­ra­tete Schwester zu besuchen. Kurz vor der Rückreise verun­glückte ihr Vater am 16. Dezember 1801 tödlich und eine Erkran­kung Maries im Frühjahr verzö­gerte die Heimkehr weiter. Briefe waren für Marie und Friedrich Wilhelm zunächst also die einzige Möglich­keit, sich näher kennen zu lernen, bevor sie sich wieder­sahen und am 1. November 1802 schließ­lich in Karlsruhe die Hochzeit stattfand. Entschei­dend für Maries Absiche­rung waren die vorher zwischen ihrem Großvater sowie Carl Wilhelm Ferdinand verhan­delten Ehepakten. In 22 Artikeln regelten diese die gemein­samen Haushalte der Eheleute, ihr Zusam­men­leben, die Absiche­rung Maries bei Witwen­schaft, die Versor­gung der Kinder bis zur Volljäh­rig­keit und die braun­schwei­gi­sche Erbfolge zu deren Gunsten.

Im Dezember 1802 wurde das Paar in Braun­schweig mit großer Freude durch Familie und Bevöl­ke­rung empfangen. Es folgte mit Empfängen, Ausflügen und Theater­be­su­chen eine abwechs­lungs­reiche Zeit für Marie, die aber schon Anfang 1803 mit dem Umzug ins branden­bur­gi­sche Prenzlau endete, wo Friedrich Wilhelm in der preußi­schen Armee diente. Marie, die das Leben an einem hochad­ligen Hof gewohnt war, vermisste Eltern, Geschwister und ihre Freundin in der Heimat. In Briefen beklagte sie sich über nahezu alles: vom fehlenden kultu­rellen Angebot über das Wetter, die Kälte und den Regen bis hin zur flachen Landschaft. Marie war häufig krank, was nicht zuletzt auch der Mode ihrer Zeit geschuldet war. Die damals üblichen Chemi­sen­kleider aus dünner Mousse­line schützten nicht vor Kälte und Nässe. Doch nicht nur durch die Mode ihrer Zeit wurde Marie beein­flusst. Sie inter­es­sierte sich, gemäß ihrer Erziehung im Zeichen der Aufklä­rung, auch für Musik und vor allem Literatur ihrer Zeit.

Erst als Marie ihr erstes Kind erwartete hielt sie sich erneut in Braun­schweig auf. Am 30. Oktober 1804 kam ihr Sohn Karl zur Welt. Er war der ersehnte Nachkomme für das Fürstentum Braun­schweig und das Ereignis wurde durch Familie und Bevöl­ke­rung mit größter Freude aufge­nommen. Prenzlau blieb aller­dings weiterhin Wohnort der jungen Familie und Marie musste im Mai 1805 erneut von Braun­schweig Abschied nehmen. Trotz der Einsam­keit bot das Leben fern des Hofes, zusammen mit einem sich verän­dernden Famili­en­bild, Marie und ihrem Sohn die Möglich­keit einer inten­si­veren Beziehung als sie noch eine Genera­tion zuvor möglich gewesen war. Die Geburt auch des zweiten Kindes, einein­halb Jahre später, sollte jedoch wieder in Braun­schweig statt­finden und am 25. April 1806 kam – bei weitaus gerin­gerem Interesse – Wilhelm zur Welt.

Marie befand sich noch in Braun­schweig als im September Friedrich Wilhelms ältester Bruder kinderlos verstarb und Friedrich Wilhelm die Position des Erbprinzen einnahm. Der Umzug in eigene Appar­te­ments im Schloss (dem Grauen Hof) stand an und der bereits seit Frühjahr geplante Bau eines eigenen Palais sollte Marie die Zukunft innerhalb einer höfischen Umgebung sichern. 1806 wurde jedoch zum Schick­sals­jahr. Während Maries Heimat Baden von Napoleons Erfolgen profi­tierte, führten diese zum zeitwei­ligen Ende des Fürsten­tums Braun­schweig. Durch den Krieg zwischen Frank­reich und Preußen fürchtete Marie um Schwie­ger­vater und Ehemann in preußi­schen Diensten. In der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde Carl Wilhelm Ferdinand schwer verletzt, und Friedrich Wilhelm geriet während des Rückzugs in Gefan­gen­schaft.

In Braun­schweig wurde die Flucht unver­meid­lich und Marie traf erstmals eigene Entschei­dungen: Sie floh am 18. Oktober ins schwe­di­sche Stralsund. Für Friedrich Wilhelm hielt Marie fest, wer sie beglei­tete und betonte, dass Schmuck und Geld in Sicher­heit waren. Die Reise fand ihr vorläu­figes Ende in Malmö, wo ihre Schwester (und schwe­di­sche Königin) Friede­rike Marie sie erwartete.

Maries Korre­spon­denz mit dem ohne Pass in Gefan­gen­schaft lebenden und durch die Gescheh­nisse tief getrof­fenen Friedrich Wilhelm belegt ihren Wandel zur Ratge­berin ihres Mannes, die fest entschlossen war, ihm zu helfen. Durch ihren Bruder ermutigt, brach sie sogar zu einem Gespräch mit Napoleon auf, kehrte jedoch zurück, ohne ihn getroffen zu haben.

Im Mai 1807 war es der Familie möglich, wieder zusammen zu leben. Nach einigen Zwischen­sta­tionen reisten Marie und Friedrich Wilhelm mit den Kindern nach Karlsruhe, wo Marie blieb, während Friedrich Wilhelm Reisen unternahm, um Besitz­tümer zu retten. Marie war erneut schwanger und nach zwei Söhnen hätte sie sich über eine Tochter freuen können. Doch diese kam tot zur Welt und Marie starb am 20. April 1808 im Alter von 25 Jahren an den Folgen der Geburt. Sowohl die Kinder­sterb­lich­keit als auch Fehlge­burten und Geburten mit Todes­folge für Mutter und Kind waren Anfang des 19. Jahrhun­derts noch häufig.

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