10 Jahre Stiftung Prüsse

Blick in die John-Lennon-Asstellung in der Jakob-Kemenate. Foto: Stiftung Prüsse/Andreas Greiner-Napp
Blick in die John-Lennon-Asstellung in der Jakob-Kemenate. Foto: Stiftung Prüsse/Andreas Greiner-Napp

Ausstel­lungen, Lesungen, Vorträge, Lieder­abende: Die Stiftung Prüsse hat die Jakob-Kemenate und die Kemenate Hagen­brücke in Braun­schweig zu kultu­rellen Treff­punkten gemacht.

Zufälle gibt es im Leben von Stifter Jochen Prüsse eigent­lich nicht. Und doch hat eine Verket­tung von unvor­her­seh­baren Ereig­nissen dazu geführt, dass die Jakob-Kemenate und die Kemenate-Hagen­brücke heute eine Anlauf­stelle für dieje­nigen sind, die an Kunst, Kultur und Stadt­ge­schichte inter­es­siert sind. Begonnen hat das Engage­ment der Stiftung mit einer notdürftig abgedeckten Ruine, die seit den Zerstö­rungen durch den Zweiten Weltkrieg ein Dasein als Abstell­bunker fristete, der Jakob-Kemenate. Sie liegt am Eiermarkt, hinter der Jakobs­ka­pelle und gilt als ältestes weltli­ches Gebäude Braun­schweigs. „Das Haus sah furchtbar aus“, erinnert sich Prüsses Ehefrau Karin. In der Kemenate, einem mittel­al­ter­li­chen Speicher aus dem Jahr 1250, gab es keinen Fußboden und kein richtiges Dach, der Keller stand voller Gerümpel und im Gebälk nisteten die Tauben. Nach einer grund­le­genden Renovie­rung entstand ein Gebäude, das alte und moderne Elemente gekonnt verband und mit Preisen ausge­zeichnet wurde, mit dem Nieder­säch­si­schen Staats­preis für Archi­tektur, dem IF Commu­ni­ca­tion Design Award und dem Peter Joseph Krahe-Preis.

Doch wie sollte das Haus mit Leben erfüllt werden? Zunächst hatten Karin und Jochen Prüsse an ein Begeg­nungs­zen­trum gedacht, ergänzt mit kultu­rellen Elementen. Doch schnell war den beiden klar, dass das nicht reichte, um die Menschen auf Dauer in die kleine Gasse zur Kemenate zu locken. „Die Kemenate muss leben“, erkannte Jochen Prüsse. So entstand die Idee einer ersten Ausstel­lung mit Bildern aus Braun­schweig, die aus seiner privaten Sammlung stammen. Ihr Titel: „Martini on the Wall“, denn auf allen Gemälden und Graphiken ist die Marti­ni­kirche zu sehen, ein Gottes­haus, zu dem Jochen Prüsse eine tiefe Verbun­den­heit empfindet. Nach dem Krieg, als Trümmer­land­schaften und Wieder­aufbau seine Heimat­stadt prägten, ist der Schüler täglich an der Kirche vorbei­ge­gangen. Diese Eindrücke hat er mit dem Sammeln der Kunst­werke bewahrt, die viele Besucher der Ausstel­lung „Martini on the Wall“ faszi­niert haben.

Der Erfolg der ersten Schau hat den Stiftern Mut gemacht und bald folgten weitere Ausstel­lungen: unter anderem die Künstler Jörg Plickat, Otmar Alt und Hermann Buß, die Ausstel­lung Jesus 2.0, die Doppel-Begabungen Hermann Hesse, Günther Grass und John Lennon und derzeit Gudrun Brüne. Ein besonders großes Echo fand die Präsen­ta­tion mit Günther Grass. Doch auch Lesungen, Vorträge und Lieder­abende locken die Besucher in die Kemenate. Für große Vorhaben sucht sich die Stiftung Partner: etwa das Bankhaus Löbbecke, den Haupt­bahnhof, die Stadt­halle oder das Augus­tinum. „Unser größter Schatz sind jedoch die vielen ehren­amt­li­chen Helfer, die uns täglich unter­stützen“, sagt Karin Prüsse. Fast 200 Männer und Frauen gehören zum Kreis der Helfer, manche für eine Stunde im Monat, andere für mehrere Tage. Sie betreuen die Besucher in den Kemenaten, führen durch die Ausstel­lungen oder helfen, wenn Not am Mann ist.

Mittler­weile sind die Helfer nicht nur in der Jakob-Kemenate im Einsatz, denn seit 2015 gibt es mit der Kemenate-Hagen­brücke einen weiteren Standort der Stiftung. Hier sind vor allem Werke von zwei Braun­schweiger Künstlern zu sehen: von Günter Affeldt und Jürgen Weber. Preis­ge­krönt ist auch diese Kemenate, sie wurde mit dem Peter Joseph Krahe-Sonder­preis und dem Archi­tek­tur­preis Nieder­sachsen des Bundes Deutscher Archi­tekten ausge­zeichnet.

Ganz wichtig ist Karin und Jochen Prüsse, dass die beiden Gebäude allen Inter­es­sierten offen stehen. „Jeder ist einge­laden und alles ist anders“, sagt Jochen Prüsse. „Wir wollen keine Konkur­renz für Museen oder Kunst­ver­eine sein.“ Ein Kurato­rium berät die Stifter bei ihrer Arbeit, die neben den Kemenaten auch die evange­li­sche Landes­kirche und die jüdische Gemeinde unter­stützen. Zum Refor­ma­ti­ons­ju­bi­läum hat die Stiftung Prüsse ein beson­deres Kunst­pro­jekt gestiftet: vier Skulp­turen des Braun­schweiger Bildhauers Magnus Kleine-Tebbe, die an die zentralen Erkennt­nisse Martin Luthers erinnern sollen und im Braun­schweiger Land stehen. Auch für das nächste Jahr sind spannende Ausstel­lungen geplant. Die Besucher der beiden Kemenaten dürfen gespannt sein.

Infor­ma­tion

Jakob-Kemenate
Eiermarkt 1A
38100 Braun­schweig

Kemenate-Hagen­brücke
Hagen­brücke 5
38100 Braun­schweig

www.kemenaten-braunschweig.de

Öffnungs­zeiten

Jakob-Kemenate
Montag bis Sonnabend, 11 bis 17 Uhr, Sonntag 12 bis 17 Uhr

Kemenate-Hagen­brücke
Dienstag bis Sonnabend 11 bis 17 Uhr, Sonntag 12.15 bis 17 Uhr

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