Total­schaden am Radeklint

Radeklint mit zerstörter Neustadt und St. Andreas, 1949. Foto: NLD
Radeklint mit zerstörter Neustadt und St. Andreas, 1949. Foto: NLD

Braun­schweigs Plätze, Folge 6: Aus dem mittel­al­ter­li­chen Platz wurde ein reiner Verkehrs­kno­ten­punkt.

Von allen noch existie­renden histo­ri­schen Plätzen Braun­schweigs hat der Radeklint wohl die massivste Verän­de­rung seit dem Zweiten Weltkrieg hinnehmen müssen. Heute ist der Radeklint nur noch eine riesige Straßen­kreu­zung und nicht mehr als Platz­an­lage zu bezeichnen oder wahrnehmbar. Ähnlich erging es nur noch dem histo­ri­schen August­platz, der ebenfalls nach weitge­hender Zerstö­rung autoge­recht umgestaltet, wenn nicht verschan­delt wurde. Er heißt heute John‑F. Kennedy-Platz, was es tatsäch­lich nicht besser macht.

Heimat der Handwerker

Zurück zum Radeklint: „Bis zur Zerstö­rung im Zweiten Weltkrieg bestand die Bebauung am Radeklint ausschließ­lich aus Fachwerk­häu­sern. Heraus­ra­gende Bauten sind hier nicht entstanden, das histo­ri­sche Stadt­quar­tier war lange überwie­gend von Handwer­kern und Klein­händ­lern geprägt. Die ältesten bildlich überlie­ferten Häuser stammten aus dem 15. Jahrhun­dert“, erläutert Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Elmar Arnhold.

Die Westseite des Radeklints mit Fachwerkbauten um 1870. Foto: Archiv Heimatpfleger Braunschweig, Fotografien von Walter Ehlers
Die Westseite des Radeklints mit Fachwerk­bauten um 1870. Foto: Archiv Heimat­pfleger Braun­schweig, Fotogra­fien von Walter Ehlers

Gemeinsam mit ihm stellt „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ Braun­schweigs Innen­stadt-Plätze in monat­li­cher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung heraus­ge­ge­benen Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestal­tungs­pläne für den Hagen­markt. Heraus­ge­kommen ist ein attrak­tives Standard­werk.

Stadtbild der Nachkriegs­mo­derne

„Am Radeklint treffen Celler Straße, Gülden­straße und Lange Straße aufein­ander. Die Einmün­dung der durchweg vierspu­rigen Straßen­züge mit ihren zusätz­li­chen Abbie­ge­streifen und weiteren Freiräume ließen die umgebenden Gebäude als Solitäre erscheinen. Entstanden sei ein Stadtbild nach dem Muster der aufge­lo­ckerten Stadt im Sinne des Städte­baus der Nachkriegs­mo­derne“, meint Arnhold.

Die Rolle als Verteiler für den Verkehr hatte der Radeklint aufgrund seine Lage vor dem 1196 erstmals erwähnten Petritor schon seit seiner Entste­hung. Er wurde 1320 erstmals als Radhe­clint regis­triert. Besonders seit der Verlegung des Petritors im Rahmen der der Neube­fes­ti­gung Braun­schweigs Anfang des 18. Jahrhun­derts wurde der Radeklint zu einem bedeu­tenden Verkehrs­kno­ten­punkt in der Stadt.

Einst heraus­ra­gende Perspek­tive

Die Perspek­tive durch die Weber­straße mit dem mächtigen Turmwerk von St. Andreas habe, nach Arnholds Überzeu­gung, zu den heraus­ra­genden Stadt­bil­dern im alten Braun­schweig gehört. Nach den Bomben­an­griffen des Jahres 1944 gehörte die ehemalige Neustadt aller­dings zu den Total­scha­dens­ge­bieten. Über die Trümmer­wüste sei der Blick frei gewesen vom Petritor bis zum Fallers­le­bertor.

Im Rahmen der danach begon­nenen verkehrs­ge­rechten Umgestal­tung der Innen­stadt wurde die Verkehrs­füh­rung durch den Durch­stich der Celler Straße zum Petritor Anfang der 1960er Jahre entschei­dend geändert. Der histo­ri­sche Platz­cha­rakter des Radeklints fiel dem zum Opfer. Als Anker­punkt blieb lediglich die Petri­kirche erhalten. Stadt­re­pa­ratur erscheint an dieser Stelle so gut wie unmöglich.

Blick über den Radeklint von Süden, Ansichtspostkarte um 1965. Foto: Archiv Heimatpfleger Braunschweig
Blick über den Radeklint von Süden, Ansichts­post­karte um 1965. Foto: Archiv Heimat­pfleger Braun­schweig

Fakten:

Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12.90 Euro

Elmar Arnhold veröf­fent­licht unter #elmararn­hold auf Instagram Beiträge zum gebauten Erbe. Auf www.der-loewe.info wird von Januar 2022 an dazu eine neue, monatlich erschei­nende Serie starten.

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