„Alle große Geschichte wurzelt in der kleinen“

Ausgangspunkt der Braunschweigischen Identität: Burgplatz (historische Aufnahme). Repro: IBR
Ausgangspunkt der Braunschweigischen Identität: Burgplatz (historische Aufnahme). Repro: IBR

Das Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte (IBRG) bietet Vorträge, Workshops, Themen­tage und Bildungs­an­ge­bote für jedermann rund um die regio­nal­ge­schicht­liche Forschung.

Der Blick auf das Braun­schwei­gi­sche beschäf­tigt immer mehr Bürge­rinnen und Bürger in unserer Region. Es gibt ein deutlich wahrnehm­bares und stetig wachsendes Bedürfnis nach Identität, nach Zugehö­rig­keit. Gerhard Glogowski, Braun­schweiger Ehren­bürger, früherer Oberbür­ger­meister Braun­schweigs und ehema­liger Minis­ter­prä­si­dent Nieder­sach­sens, führt das auch auf die Globa­li­sie­rung und Digita­li­sie­rung zurück, die eine neue Sehnsucht nach Heimat, nach überschau­barer Nähe als Gegenpol entfacht haben. Diesem Bedürfnis kommen viele Insti­tu­tionen wie die großen Museen, die bedeu­tenden Archive, die teilweise Jahrhun­derte alten Stiftungen, Heimat­pfleger schon sehr lange nach. Neuer­dings kristal­li­sieren sich diverse Inter­net­in­itia­tiven wie unser „Löwe“ oder die Facebook-Gruppe „Braun­schweig im Wandel der Zeit“ heraus und werden stark wahrge­nommen. Seit 2009 widmet sich auch die Techni­sche Univer­sität mit ihrem Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung (IBRG) verstärkt um das Braun­schwei­gi­sche.

Keine Heimat­tü­melei

Mit Heimat­tü­melei habe das nichts zu tun, weil „alle große Geschichte in der kleinen wurzelt“, meint Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, Gründungs­di­rektor des IBRG. Die eigenen Wurzeln könnten inneren Halt geben und die Frage nach der Identität beant­worten. Dabei sei der Geburtsort nicht zwangs­läufig gleich­zu­setzen mit Heimat. Es gehe vielmehr um den Lebens­standort. Ein Europäer könne man trotz des Inter­esses an der Heimat und deren Geschichte trotzdem sein. „Ich zum Beispiel bin ein braun­schwei­gi­scher Europäer“, meint Gerd Biegel, der unver­än­dert am IBRG lehrt.

Von Beginn an ist das IBRG so ausge­richtet gewesen, dass es neben der univer­si­tären Lehre auch einen starken populär­wis­sen­schaft­li­chen Bildungs­auf­trag verfolgt. Durch Vorträge, Workshops, Themen­tage und Bildungs­an­ge­bote für jedermann wird regio­nal­ge­schicht­liche Forschung anschau­lich vermit­telt. Seite 2018 ist das IBRG als Forschungs­stelle der Fakultät für Geistes- und Erzie­hungs­wis­sen­schaften der TU in seiner Existenz abgesi­chert. Ausgangs­punkt für die Gründung des Instituts war das unermüd­liche Wirken für die histo­ri­sche Aufar­bei­tung des Braun­schwei­gi­schen durch Gründungs­di­rektor Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel. Er war von Mitte der 1980er-Jahre bis 2009 Direktor des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums.

Am Nerv der Zeit

Schon während dieser Zeit hielt er Vorle­sungen an der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig. 2002 verlieh ihm das histo­ri­sche Seminar die Ehren­dok­tor­würde, 2007 die mathe­ma­ti­sche Fakultät eine Professur. Biegel veröf­fent­licht seit Jahrzehnten diverse Beiträge über das Braun­schwei­gi­sche in verschie­denen Medien. Auf unserer Seite finden sich seine „Braun­schwei­gi­schen Geschichte(n)“. Er traf früh den Nerv der Menschen im Braun­schwei­gi­schen, die durchaus mit Stolz auf die Vergan­gen­heit ihrer Heimat blickten und blicken.

Mit Heinrich dem Löwen habe es Braun­schweig, so schrieb der gebürtige Braun­schweiger und spätere Präsident der Stiftung Preußi­scher Kultur­be­sitz, Prof. Dr. Werner Knopp (1931 bis 2019), in seinem Beitrag für das Buch „Die Braun­schwei­gi­sche Landes­ge­schichte – Jahrtau­sen­drück­blick einer Region“ (erschienen 2000 im Appelhans Verlag / ISBN 3–930292-28–9 / Heraus­geber: Horst-Rüdiger Jarck und Gerhard Schuldt), geschafft, aus der Anony­mität vieler deutscher Städte und Regionen heraus­zu­treten und zu einem deutschen, ja europäi­schen Begriff zu werden.

Zwar sei der Herzog mit dem Unter­fangen, ein nordost­deut­sches Großreich zu schaffen, letztlich geschei­tert, aber gerade das sei Auslöser der Entwick­lung gewesen, über das 1235 geschaf­fene Herzogtum Braun­schweig-Lüneburg und die folgenden welfi­schen Erbtei­lungen schließ­lich zu einem eigenen Staat zu werden. Die staat­liche Eigen­stän­dig­keit blieb über Jahrhun­derte erhalten. Im Jahr 1946 erlosch die Existenz des kleinen Land jedoch mit der Bildung des Bundes­landes Nieder­sachsen durch die britische Besat­zungs­macht.

Fester Bestand­teil in Stadt und Region

Das Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte ist längst zu einem festen Bestand­teil von Stadt und Region geworden. Insbe­son­dere die vielfäl­tigen Vortrags­reihen im univer­si­tären und vor allem aber außer­uni­ver­si­tären Bereich fördern wesent­lich das öffent­liche Interesse an braun­schwei­gi­scher Regio­nal­ge­schichte. Seine Aufgabe ist es, vorrangig die Geschichte des Braun­schweiger Landes vom Mittel­alter bis heute zu erfor­schen und zu vermit­teln. Dazu gehört unter anderem auch die Geschichte der Mobilität, der indus­tri­ellen Arbeit und des Konsums.

Wegen der Corona-Pandemie finden die Vorträge im Rahmen des Kollo­quiums Regio­nal­ge­schichte vorerst jedoch nur noch in digitaler Form statt. Der nächste Vortrag beschäf­tigt sich am 20. Januar (19 Uhr) unter dem Titel „Eine braun­schwei­gi­sche Prinzessin am Hofe Katha­rinas der Großen“ mit Auguste von Württem­berg (1764–1788). Vortra­gende ist Dr. Silke Wagener-Fimpel (Wolfen­büttel).
Veran­stalter ist der Braun­schwei­gi­sche Geschichts­verein in Koope­ra­tion mit dem IBRG.

Die geschäfts­füh­rende Leitung des IBRG fällt im zweijäh­rigen Wechsel einer Vertre­terin oder einem der Vertreter des Instituts für Geschichts­wis­sen­schaft zu. Aktuell führt Prof. Dr. Thomas Scharff, Mittel­al­ter­liche Geschichte am Institut für Geschichts­wis­sen­schaft, die opera­tiven Geschäfte. In Anerken­nung seiner heraus­ra­genden Leistung und seiner beson­deren Verdienste ist Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel auf Lebens­zeit in beratender Funktion im wissen­schaft­li­chen Beirat des Instituts tätig.

Dem wissen­schaft­li­chen Beirat gehören weiterhin Dr. Brage Bei der Wieden (Nieder­säch­si­sches Landes­ar­chiv, Standort Wolfen­büttel), Prof. Dr. Peter Burschel (Herzog-August Biblio­thek, Wolfen­büttel), Prof. Dr. Thomas Großböl­ting (Westfä­li­sche Wilhelms-Univer­sität Münster – Histo­ri­sches Seminar), Tobias Henkel (Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz), Dr. Anja Hesse (Dezer­nentin für Kultur und Wissen­schaft der Stadt Braun­schweig), Dr. Heike Pöppel­mann (Braun­schwei­gi­sches Landes­mu­seum) und Dr. Henning Stein­führer (Stadt­ar­chiv Braun­schweig) an. Das IBRG wird von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gefördert.

Kontakt:

Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte
Fallers­leber-Tor-Wall 23
38100 Braun­schweig

Telefon: 0531–1219674
E‑Mail: ibrg@tu-bs.de
Internet: www.tu-braunschweig.de/ibrg

Zum Tod des gebür­tigen Braun­schwei­gers Werner Knopp

(1931 bis 2019), u.a. von 1977 bis 1998 Präsident der Stiftung Preußi­scher Kultur­be­sitz in Berlin, veröf­fent­lichte der „Löwe“ Auszüge aus seinen Gedanken über das Braun­schwei­gi­sche:

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