Sogar die Katha­ri­nen­kirche galt als Hindernis

Das Ende des alten Hagenmarkts, 1947. Foto: Archiv Stadtheimatpfleger

Braun­schweigs Plätze, Folge 17: Der alte Hagen­markt mit seinen einst palais­ar­tigen Wohnbauten mutierte zu einer Verkehrs­dreh­scheibe.

Über keinen Platz in Braun­schweig wurde in der jüngeren Vergan­gen­heit mehr disku­tiert, ja gestritten als über den Hagen­markt. Die einen wollten nach dem Herbst­sturm Xavier im Herbst 2017 wieder eine „grüne Oase“, ein neues „Hagen­wäld­chen“ anlegen, die anderen dagegen die Rückbe­sin­nung auf einen Stadt­platz, so wie es Jahrhun­derte lang auch war. Jetzt ist wohl ein Kompro­miss gefunden. Das Berliner Büro capat­tistau­bach urbane landschaften hat den städti­schen Gestal­tungs­wett­be­werb zum Hagen­markt gewonnen, 2024 könnte mit der Neuge­stal­tung begonnen werden. Der Ist-Zustand des Hagen­markts ist bedau­erns­wert, ein Blick zurück lohnt sich.

Halte­stelle Hagen­markt mit Uhr, die bis 1981 erhalten blieb. Foto: Stadt­ar­chiv

Wie Radeklint und John‑F.-Kennedyplatz (früher August­platz) teilt der Hagen­markt das Schicksal, Teil des sogenannten Tangen­ten­qua­drats um die Innen­stadt zu sein. Der vierte Eckpunkt, der Europa­platz, wurde 1979 eben zu diesem Zweck angelegt. Die Planungen des Straßen­sys­tems entstanden im Zuge des Wieder­auf­baus der zerstörten Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Hagen­markt war nahezu völlig zerstört worden und schließ­lich der letzte Teil, der nach der entspre­chenden Verkehrs­pla­nung gestaltet wurde.

Alles für eine „autoge­rechte Stadt“

Planung Kerntan­gen­ten­qua­drat, Stand 1980. Foto: Archiv BZ

Die Priorität der Verkehrs­pla­nungen im Zuge einer damals für zeitgemäß erach­teten ‚autoge­rechten Stadt‘ sollte die Gestal­tung des Hagen­markts in den folgenden Jahrzehnten prägen. „Die Maßlo­sig­keit der Verkehrs­pla­nungen in der Amtszeit des Stadt­bau­rats Willi Schütte (1953–1965) gipfelte Mitte der 1950er Jahre in der Überle­gung, den Westbau von St. Katha­rinen mit einer Arkade für den Fußgän­ger­ver­kehr (nach dem Vorbild des Gewand­hauses) auszu­höhlen: Eines der kostbarsten Baudenk­mäler der Stadt erhielt hier den Status eines Verkehrs­hin­der­nisses“, erinnert Bauhis­to­riker Elmar Arnhold in seinem Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“, das gerade in zweiter Auflage erschienen und im Buchhandel sowie bei Borek am Domplatz erhält­lich ist, an zum Glück gestoppte Auswüchse.

Die Bebauung des Hagen­markts nach der Zerstö­rung zog sich lange hin und wurde mit dem Verwal­tungs­ge­bäude des früher dort ansäs­sigen Einwoh­ner­mel­de­amtes (1979) und dem Hagen­markt-Center (1980) abgeschlossen. Die 1982/83 umgesetzten Freiraum­pla­nungen von Antonio Mander (Stadt­pla­nungsamt) beruhten auf Ideen von Stadt­baurat Konrad Wiese und prägen den Hagen­markt bis heute. „Sie ließen einen Stadt­platz nach dem Muster begrünter Platz­an­lagen in den Stadt­er­wei­te­rungs­ge­bieten des 19. Jahrhun­derts entstehen. Eine Argumen­ta­tion für die Begrünung des Hagen­markts war die Schaffung eines Ausgleichs für die großen Verkehrs­flä­chen“, erläutert Arnhold.

Blick nach Nordwesten mit St. Andreas im Hinter­grund, 1950. Foto: Stadt­ar­chiv

Renais­sance-Portal gerettet

Dabei war der Hagen­markt, um 1160 als Zentrum des ehema­ligen Weich­bildes Hagen von Heinrich dem Löwen gegründet, einst sehr bedeutend. Seine Anlage gilt als typisch für die Stadt­pla­nung des 12. Jahrhun­derts. Nach 1200 entstand St. Katha­rinen, das letzte Relikt aus der frühen Zeit. In der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 brannten beide Türme völlig aus. Das Kirchen­dach und das Dach des Glocken­hauses wurden schwer beschä­digt. Der Wieder­aufbau gelang und lohnte. Der Rest der Hagen­markt-Bebauung, überwie­gend aus Fachwerk, verbrannte oder war zerbombt. Erste Überle­gungen, erhalten geblie­bene Grund­mauern zum Wieder­aufbau zu nutzen, wurden fallen­ge­lassen. Wenigs­tens wurde das Renais­sance-Portal der einstigen Hagen­markt-Apotheke gerettet. Heute ist es in die Nordfas­sade des Gewand­hauses am Altstadt­markt integriert.

Hagen­markt mit Markt­ständen, 1894. Foto: Stadt­ar­chiv

Eine besondere Blüte erlebte der Hagen­markt mit der Eröffnung des Opern­hauses (1690) und dem Bau des Residenz­schlosses „Grauer Hof“ am Bohlweg. Es entstanden palais­ar­tige Hofbauten für Adel und Hofbeamte. Nach dem Abbruch des alten Opern­hauses (1864) erhielt der Hagen­markt vom Grundsatz her seine bis heute unver­än­derte Ausdeh­nung. 1874 wurde der von Stadt­baurat Ludwig Winter entwor­fene Heinrichs­brunnen als Denkmal für den Stadt­gründer Heinrich den Löwen enthüllt.

Verkehr war beim Hagen­markt übrigens schon früher ein Thema. Elmar Arnhold, auch Stadt­teil­hei­mat­pfleger Innen­stadt, schreibt in seinem Buch: „Nach Einfüh­rung einer Pferde-Straßen­bahn im Jahr 1879 avancierte der Hagen­markt zu einem Kreuzungs­punkt des ab 1897 elektri­fi­zierten Straßen­bahn­netzes.“

Die Südwest­ecke des Hagen­markts vor dem Durch­bruch der Caspa­rist­raße, um 1880. Foto: Stadt­ar­chiv

Fakten:

Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
(z.Zt. vergriffen, Neuauf­lage geplant)
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12.90 Euro

Mehr unter:

https://www.der-loewe.info/siegerentwurf-gestaltungswettbewerb-hagenmarkt

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