Ein Querschnitt der Bevöl­ke­rung aus Stein

Der Altstadtmarkt mit dem Altstadtrathaus zählt zu den eindrucksvollsten erhaltenen Stadtbildern des Spätmittelalters. Foto: Bestand Arnhold

Sechs histo­risch bedeu­tende Ziermasken aus dem Nachlass des Bildhauers Karl Birker kehren in das Altstadt­rat­haus zurück.

Die Dauer­aus­stel­lung des Städti­schen Museums im Altstadt­rat­haus erhält für den Ort authen­ti­sche und für die Geschichte des Bauwerks bedeu­tende Zugänge. Durch die Schenkung von Nachfahren des Bildhauers Karl Birker (1906–1989) kehren sechs Ziermasken zurück. Im Auftrag der Stadt hatte Birker die durch Kriegs­ein­wir­kung zerstörten Masken an den Maßwerk­brüs­tungen der Lauben des Altstadt­rat­hauses restau­riert oder durch eigen­ständig entwi­ckelte histo­ri­sie­rende künst­le­ri­sche Nachemp­fin­dungen ersetzt.

Eine der histo­ri­schen Ziermasken. Foto: Elmar Arnhold

39 unbekannte Gesichter

Insgesamt gibt es 39 solcher Ziermasken, 28 an der Platz­seite und insgesamt 11 an den beiden Giebel­seiten. Hinzu kommen Roset­ten­mo­tive mit Laubwerk. Nach Auffas­sung des renom­mierten Bauhis­to­ri­kers Elmar Arnhold handelt es sich bei den Masken um drei nicht wieder angebrachte Originale und um drei Nachbil­dungen aus der Zeit der Restau­rie­rung im 19. Jahrhun­dert. Die steinernen Antlitze stammen aus dem Nachlass des Künstlers. „Alle Masken am Altstadt­rat­haus zeigen keine bekannten Persön­lich­keiten. Mögli­cher­weise sollten sie einen Querschnitt der Bevöl­ke­rung der Altstadt darstellen“, erläutert er. Die durchaus realis­ti­schen Darstel­lungen der Köpfe zeigen indivi­du­elle Züge und passen damit in den Kontext ihrer spätgo­ti­schen Entste­hungs­zeit.

Auf dem darüber­lie­genden recht­wink­ligen Balkon befinden sich dagegen neun Pfeiler­fi­guren aus der Mitte des 15. Jahrhun­derts, die ottoni­sche und welfische Kaiser, Könige und Herzöge mit ihren Frauen darstellen. Das Altstadt­rat­haus gehört zu den bedeu­tendsten mittel­al­ter­li­chen Rathäu­sern in Deutsch­land. Der Bau wurde vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhun­derts errichtet.

Bildhauer Karl Birker (1906–1989). Foto: Christian Manig

Präsen­ta­tion am 17. Juni

In der Kleinen Dornse des Altstadt­rat­hauses stellt Museums­di­rektor Peter Joch am Montag, 17. Juni, um 18 Uhr, die Fassa­den­teile der Öffent­lich­keit vor. Elmar Arnhold, Bauhis­to­riker und Heimat­pfleger für die Innen­stadt, hält danach einen Vortrag über die Bauge­schichte des Altstadt­rat­hauses. Im Anschluss werden die Originale im Erdge­schoss des Altstadt­rat­hauses besich­tigt. Die Ziermasken wurden dem Museum von Christian Manig übergeben. Er ist ein Enkel von Karl Birker. Manig und weitere Nachfahren werden bei der Veran­stal­tung anwesend sein. Der Eintritt ist frei.

Birker (1906–1989), der Bildhauerei an der Braun­schweiger Kunst­ge­wer­be­schule studiert hatte, schuf in der Zeit des Wieder­auf­baus der Stadt Braun­schweig eine Fülle von Repliken und eigen­stän­digen künst­le­ri­schen Arbeiten, die den im Zweiten Weltkrieg teilweise oder vollständig zerstörten Figuren­schmuck an Gebäuden der Stadt ersetzten. Arbeiten Birkers Hand finden sich auch auf der östlichen Fassa­den­seite des Gewand­hauses, am Portal des Stechi­nelli-Hauses und an den Portalen, die am Gymnasium Martino-Katha­ri­neum und vor der Klint­schule stehen.

Das Altstadt­rat­haus gehört zu den bedeu­tendsten mittel­al­ter­li­chen Rathäu­sern in Deutsch­land. Foto: Elmar Arnhold

Birker und der Wieder­aufbau

Für seine vielzäh­ligen und heraus­ra­genden Leistungen beim Wieder­aufbau der Stadt Braun­schweig erhielt Karl Birker 1984 das Bundes­ver­dienst­kreuz. Zu seinen bekann­testen künst­le­ri­schen Werken nach eigenem Entwurf zählt das aus zehn Stelen bestehende Rieseberg-Denkmal auf dem Braun­schweiger Stadt­friedhof (vormals Städti­scher Urnen­friedhof).

Die Dauer­aus­stel­lung zur Geschichte der Stadt im Altstadt­rat­haus ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Die Sammlung zeigt, wie sich die reiche, politisch selbst­be­wusste Hanse­stadt Braun­schweig im Mittel­alter entwi­ckelte. Besondere Exponate sind Zeugnisse aus der Regie­rungs­zeit von Herzog Heinrich dem Löwen, das erste Siegel der Stadt und das Landes­wappen des Herzog­tums Braun­schweig-Lüneburg. Zu den Beson­der­heiten gehört auch ein Stadt­mo­dell, das Braun­schweig im Spätmit­tel­alter zeigt.

Das Stadt­mo­dell im Altstadt­rat­haus von 1671. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen

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