Ein neues altes Stück fürs Musik­zimmer

Konsole und übrige Ensembleteile bei einem Händler, 2009. Foto: Bernd Wedemeyer

Objekt des Monats, Folge 8: Die Wandkon­sole aus dem Schloss­mu­seum.

Im Musik­zimmer des Braun­schweiger Schloss­mu­seums steht ein neuer Konsol­tisch. Der Tisch ist 93 x 88 cm groß, sehr elegant und seine Herkunft birgt eine äußerst spannende Geschichte. Das polierte Mahago­ni­fur­nier auf einem üblichen Nadel­holz­korpus, die zweifach geschwun­gene Boden­platte, feine vergol­dete Messing­stäbe und Rosetten zur Betonung des archi­tek­to­ni­schen Gefüges von Beinen, Querbalken und Sockeln sowie der zierliche achttei­lige Stern auf der Innen­seite: all das verrät die hohe Möbel­kunst aus der Zeit des Spätem­pire um 1820 aus russi­scher Herkunft. Ein ursprüng­lich aufge­setzter Spiegel ist heute nicht mehr vorhanden.

Konsole im Schloss­mu­seum, um 1820. Foto: Bernd Wedemeyer

Wechsel­voller Werdegang

Die Konsole aus dem Musik­zimmer und 16 weitere Stücke – ein Schreib­tisch, ein Bett, Kommoden, Schränke, Tische und Sitzmöbel – gehörten einst zum Fundus der Braun­schwei­gi­schen Residenz. Nach 1820 liegt ihr Verbleib für lange Jahre im Dunkeln. Erst 1885 wurde das Ensemble mit Sicher­heit im Schloss am Bohlweg greifbar. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Stücke regis­triert und erhielten den HRSCHL-Stempel (Herzog­li­ches Residenz­schloss), der den Kronbe­sitz vom privaten Besitz des 1884 verstor­benen Herzog Wilhelms trennte.

Konsole, Rückseite mit dem Stempel HSB 3162. Foto: Bernd Wedemeyer

Die Möbel standen vielleicht schon seit 1868 in einem Wohnzimmer für Hofgäste mit Blick auf den Schloss­platz in der zweiten Etage des Schlosses. 1885 bezieht Prinz Friedrich Heinrich, Sohn von Herzogs­re­gent Albrecht von Preußen, diesen Raum, 1911 wohnt hier die Oberhof­meis­terin unter Herzogs­re­gent Johann Albrecht von Mecklen­burg-Schwerin und von 1913 bis 1918, bei ihren Besuchen in Braun­schweig, Kaiserin Auguste Victoria, Mutter der letzten Herzogin Victoria Luise. 1911 erfolgte dort im Zimmer auch die Stempe­lung mit HSB (Herzog­li­ches Schloss Braun­schweig) und einer vierstel­ligen Zahl zur Auffin­dung im Möbel­in­ventar.

Auflösung des Ensembles

Die Geschichte des gerad­li­nigen ‚Aufstiegs‘ des Ensembles geriet von nun an zur Achter­bahn. Um 1921 wurden die Konsole, ein Kleider­schrank und eine Vitrine vorab an das vormalige Herzogs­paar Ernst August und Victoria Luise in die Weinberg­villa in Gmunden im Salzkam­mergut abgegeben. Die übrigen dreizehn Stücke gelangten ins museale Minis­ter­zimmer des Braun­schweiger Schloss­mu­seums, gingen aber 1925 bei der großen Abgabe aller Museums­ge­mälde und Möbel von vor 1835 auch an das bis 1918 regie­rende Herzogs­haus. Das wieder­ver­einte Ensemble verfrach­tete man 1928 ins Schloss Blanken­burg und 1945 (vor dem Einmarsch der russi­schen Truppen nach dem Ende des Weltkriegs) auf die Marien­burg bei Nordstemmen.

Dort blieb es jedoch nicht lange. Aufgrund finan­zi­eller Nöte wurde es im April 1950 in Braun­schweig im Herzog Anton Ulrich-Museum durch das Aukti­ons­haus „Eduard Hünerberg“ für 4000 D‑Mark zum Kauf angeboten. Unter dem beschrie­benen Konvolut findet sich auch die Konsole im Schloss­mu­seum. Das Ensemble wurde einzeln an Händler verkauft, einiges gelangte an eine Indus­tri­el­len­fa­milie in Kassel.

Auktion 1950 – Schreib­tisch aus dem Ensemble. Foto: Archiv Wedemeyer

Es dauerte bis 2009, bis der Richard Borek Stiftung acht Stücke aus dem Ensemble zum Kauf angeboten wurden, wenn auch erfolglos. 2012 geht es lediglich um zwei überteu­erte, abgewie­sene Armlehn­stühle, und 2023 kommt die Konsole auf den Markt. Sie kann durch die Richard Borek Stiftung für das Schloss­mu­seum – den Ursprungsort – zurück­ge­wonnen werden. Die anderen Stücke des Ensembles sind noch im Umlauf.

Dr. Bernd Wedemeyer ist Bau- und Kunst­his­to­riker sowie Autor mehrerer Bücher über das Braun­schweiger Residenz­schloss.

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