Vor 111 Jahren kehrte mit Ernst August ein Welfe zurück auf den Thron

Victoria Luise und Ernst August werden bei ihrer Ankunft von Braunschweigs Oberbürgermeister Hugo Retemeyer begrüßt. Foto: Stadtarchiv

Hochzeit mit Kaiser­tochter Victoria Luise hatte die Fehde mit den Hohen­zol­lern befriedet und den Weg geebnet.
1913 ist für die Braun­schwei­gi­sche Landes­ge­schichte ein histo­risch bedeu­tendes Jahr. Denn am 1. November, also genau vor 111 Jahren, bestieg nach drei Jahrzehnten währender Unter­bre­chung mit Herzog Ernst August (1887–1953) wieder ein Welfe den Thron im Residenz­schloss Braun­schweig. An seiner Seite hatte er Ehefrau Victoria Luise (1892–1980). Er sollte aller­dings auch der letzte amtie­rende Braun­schweiger Herzog sein, denn nach dem verlo­renen Ersten Weltkrieg musste er am 8. November 1918 seine Abdan­kungs­ur­kunde unter­schreiben. Nach der Novem­ber­re­vo­lu­tion wurde die Weimarer Republik (1918–1933) ausge­rufen. Sie beendet als erste parla­men­ta­ri­sche Demokratie die Monarchie im Deutschen Reich.

Politi­sche Dimension

Die Liebes­ge­schichte des Welfen-Herzogs Ernst August und der einzigen Tochter Kaiser Wilhelms II. aus der Hohen­zol­lern-Dynastie hatte eine entschei­dende politi­sche Dimension. Denn mit der Eheschlie­ßung versöhnten sich die beiden seit 1866 verfein­deten Häuser. So konnte mit Ernst August erstmals seit 1884 wieder ein Welfe den Braun­schwei­gi­schen Thron einnehmen. Hinter­grund der Fehde war, die militä­ri­sche Ausein­an­der­set­zung beim Deutschen Krieg 1866, bei dem der Deutsche Bund unter Führung Öster­reichs gegen Preußen kämpfte. Das Herzogtum Braun­schweig hatte wie das König­reich Hannover gegen das siegrei­cher Preußen gekämpft. Preußen annek­tierte daraufhin das König­reich Hannover. Das Herzogtum Braun­schweig, das lange bemüht gewesen war, Neutra­lität zu bewahren, blieb dagegen eigen­ständig.
Als mit Herzog Wilhelm (1806–1884) der Letzte der älteren Welfen­linie des Hauses Braun­schweig-Lüneburg kinderlos starb, übernahm ein von Preußen einge­setzter Regent­schaftsrat die Regierung. Vergebens protes­tierte Ernst August (1845–1923), welfi­scher Kronprinz von Hannover und Herzog von Cumber­land. Er sah sich in der Frage der Braun­schwei­gi­schen Erbfolge berech­tigt, aber statts­einer wurde Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) von der Landes­ver­samm­lung zum braun­schwei­gi­schen Regenten gewählt. Er blieb bis zu seinem Tod im Amt. Ihm folgte von 1907 bis 1913 mit Herzog Johann Albrecht von Mecklen­burg (1857–1920).

Wilhelm blieb kinderlos

Herzog Wilhelm war zwar bereits als junger Mann sehr an Frauen inter­es­siert gewesen. Die Bevöl­ke­rung erhoffte sich eine Vermäh­lung und Famili­en­grün­dung des beliebten Herzogs. Schloss­bau­meister Carl Theodor Ottmer hatte sogar ein „Herzo­gin­nen­zimmer“ im neuen Residenz­schloss vorge­sehen. Doch Wilhelm unter­hielt lieber Bezie­hungen zu Sänge­rinnen und Tänze­rinnen am Braun­schweiger Theater. Ohne legitime Nachkommen endete die Linie des Hauses Braun­schweig-Lüneburg, und es kam zu preußi­scher Regent­schaft.
Die Rückkehr eines Welfen auf den Braun­schwei­gi­schen Thron war tatsäch­lich einer zufäl­ligen Begegnung geschuldet. Zur Beerdi­gung von Prinz Georg Wilhelm zu Braun­schweig-Lüneburg (1880–1912), dem ältesten Sohn des Kronprinzen von Hannover, hatte Kaiser Wilhelm II. unerwartet eine Ehren­wache entsandt. Um sich dafür zu bedanken, reiste der welfische Herzog von Cumber­land mit seinem Sohn Ernst August nach Berlin. Dort lernte der spätere Herzog zu Braun­schweig und Lüneburg, Ernst August, Victoria Luise beim Tee mit der Familie des Kaisers kennen.

Jubel der Bevöl­ke­rung

Im Zuge der aufflam­menden Liebe zwischen dem 25jährigen Welfen-Prinzen und der 20 Jahre alten Kaiser­tochter wurden diplo­ma­tisch Wege sondiert, wie es um die Bereit­schaft der Häuser für eine Annähe­rung bestellt sei. Am 24. Mai 1913 heira­teten die beiden schließ­lich prunkvoll. Die Hochzeit war das letzte große Treffen europäi­scher Adels­häuser vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Schon bei der Verlobung im Februar 1913 in Karlsruhe hatte Ernst August dem Kaiser einen Treueid geschworen und wurde auf dessen Befehl zum Rittmeister befördert. Am 27. Oktober 1913 verzich­tete der Kronprinz von Hannover zugunsten seines Sohnes förmlich auf seine Ansprüche auf das Herzogtum Braun­schweig. Der Bundesrat beschloss, dass Ernst August und Victoria Luise regie­rendes Herzogs­paar zu Braun­schweig und Lüneburg werden sollten.
Der Einzug in Braun­schweig am 3. November 1913 erfolgte unter großer Betei­li­gung und großem Jubel der Bevöl­ke­rung. Auf dem Weg mit der Kutsche durch die Stadt zum Residenz­schloss am Bohlweg waren sogar wie am Hagen­markt Tribünen aufgebaut worden, damit möglichst viele einen freien Blick auf das neue und vor allem welfische Herzogs­paar haben konnten. Das ehemalige König­reich Hannover übrigens blieb preußi­sche Provinz.

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