Zeugnis einer „unein­nehm­baren Stadt“

Stadtmauerfragmente hinter der Jugendherberge. Foto: Der Löwe

Stadt­mau­er­frag­ment aus dem 12. Jahrhun­dert hinter der Jugend­her­berge am Neuen Geiers­hagen wieder aufgebaut.

Die Stele erläutert die Funktion der Stadt­mauer. Foto: Der Löwe

Was lange währt, wird endlich gut: Dreizehn Jahre nach seiner Entde­ckung 2011 wurde das Stadt­mau­er­frag­ment aus dem 12. Jahrhun­dert hinter der Jugend­her­berge am Neuen Geiers­hagen wieder aufgebaut und Kern eines neuen Infor­ma­tions- und Bildungs­orts, wie Braun­schweigs Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum die sehr gelungene Gestal­tung an der Fuß- und Radweg­ver­bin­dung zwischen der Wenden­straße und Inselwall nannte. Er lobte, dass Stadt­ge­schichte an einem konkreten Objekt räumlich erfahrbar sei und so in die Gegenwart trans­por­tiert werden könne. Bleibt zu hoffen, dass dieser neue archäo­lo­gi­sche Anzie­hungs­punkt nicht unter Vanda­lismus und Schmie­re­reien zu leiden hat.

Gefördert wurde das mehr als anerken­nens­werte Projekt von der Munte Projekt GmbH, Braun­schweig, auf deren Grund­stück die archäo­lo­gi­schen Ausgra­bungen seiner­zeit statt­ge­funden hatten, sowie von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Richard Borek Stiftung. Heike Zander, frühere Bürger­meis­terin des Stadt­be­zirks Innen­stadt, steuerte für dieses Herzens­pro­jekt privat 100.000 Euro bei. Das Gesamt­vor­haben wurde für weniger als die zunächst vorge­se­henen 300.000 Euro reali­siert, wie Oberbür­ger­meister Kornblum versi­cherte.

Balken aus dem Jahr 1178

Ein unter dem Rest der mittel­al­ter­li­chen Stadt­mauer gelegener Eichen­balken konnte durch dendro­chro­no­lo­gi­sche Unter­su­chungen auf das Jahr 1178 datiert werden. Das lässt den Schluss zu, dass die Mauer während der Regent­schaft von Stadt­gründer Heinrich dem Löwen errichtet worden ist. Vor Ort ist eine Nachbil­dung des Eichen­bal­kens zu sehen. Das Original wird auf dem Städti­schen Bauhof gelagert. Die Rekon­struk­tion stellte die Braun­schweiger Holzfirma Intakt her.

Nachbil­dung des Eichen­bal­kens aus dem Jahr 1178. Foto: Der Löwe

Zudem gibt eine Stele Infor­ma­tionen zu Braun­schweigs Geschichte und zur Befes­ti­gung der Stadt im Mittel­alter. Ihre Überschrift „eine unein­nehm­bare Stadt“ geht auf eine Beschrei­bung Braun­schweigs im frühen 13. Jahrhun­dert zurück. Am Fuß der Stele ist ein Bronze­mo­dell der Stadt um 1250 integriert. Es zeigt, wie stark das Stadt­ge­biet von Fluss­läufen und Gräben durch­zogen war und wie unter­schied­lich dicht die älteren und die jüngeren Teile der Stadt damals bebaut waren. Geschaffen haben das Modell Elmar Arnhold, Stadt­his­to­riker und Heimat­pfleger Innen­stadt, und Metall­gie­ßer­meister Thomas Zimmer aus Hermanns­burg.

Am Fuß der Stele ist ein Bronze­mo­dell der Stadt aus der Zeit um 1250 zu sehen. Foto: Der Löwe

Rogen­stein vom Nußberg

Von den etwa vier Kilome­tern Stadt­mauer im Mittel­alter sind nur noch wenige Relikte in Braun­schweig wie zum Beispiel am Giesel­er­wall vorhanden und erlebbar. Nun wurde ein ehema­liges Stück wieder in Szene gesetzt. Die bis zu 1,60 Meter starke Mauer aus Rogen­stein vom Nußberg wurde, dort, wo es möglicher war, in origi­naler Lage neu aufge­mauert. Die Steine waren, bevor sie abgetragen und saniert wurden, numme­riert. Die Maurer­ar­beiten haben die Werkstätten für Denkmal­pflege aus Quedlin­burg ausge­führt.

Zur ursprüng­li­chen Höhe der Mauer und ihrem oberen Abschluss liegen keine Kennt­nisse vor. Aufgrund der Mauer­stärke und analog zu Mauer­resten anderer Städte kann aber angenommen werden, dass sie mindes­tens 4,50 m hoch errichtet wurde. Vermut­lich war sie oben zur Beobach­tung und Vertei­di­gung als Wehrgang ausge­bildet. Vor den Stadt­mauern Braun­schweigs verliefen im Mittel­alter mindes­tens 10 Meter breite Wasser­gräben und davor lag, als zusätz­li­cher Schutz, vermut­lich ein weites Sichtfeld, in dem kein Baum geduldet wurde, heißt es in einem Infor­ma­ti­ons­pa­pier der Stadt. Von Mitte des 14. Jahrhun­derts an wurde die Befes­ti­gung durch Wälle verstärkt. Gegenüber dem Mauer­graben wurde ein erheblich breiterer Wallgraben angelegt.

 

Vor der Sanierung der Steine waren sie numme­riert worden. Foto: Der Löwe
Die Origi­nal­lage der Steine: Foto: Udo Gebauer

Mehr unter: der-loewe.info/mittelalterliche-stadtmauer-wird-wieder-aufgebaut

Das könnte Sie auch interessieren

  • Haus der Musik könnte zum „Wohnzimmer“ Braun­schweigs werden

    Haus der Musik könnte zum „Wohnzimmer“ Braun­schweigs werden

    Eine Podiumsrunde bringt kaum Neuigkeiten zum Großprojekt, aber interessante Randaspekte und Einblick in Erfahrungen der Stadt Dortmund. Weiterlesen

  • „Im Quartier St. Leonhard wird die Zukunft der sozialen Großstadt gelebt“

    „Im Quartier St. Leonhard wird die Zukunft der sozialen Großstadt gelebt“

    Das für Braun­schweig städte­bau­liche und soziale Leucht­turm­pro­jekt von der Richard Borek Stiftung und der Borek Immobi­lien GmbH & Co. KG wurde mit der offizi­ellen Einwei­hung abgeschlossen. Vierzehn Jahre nach der Unter­zeich­nung der Absichts­er­klä­rung ist das Quartier St. Leonhard Realität geworden. Mit der offizi­ellen Einwei­hung im in der nördli­chen Stall­scheune unter­ge­brachten Theater­saal fand das Baupro­jekt mit… Weiterlesen

  • Countdown gegen die Geschichts­ver­ges­sen­heit

    Countdown gegen die Geschichts­ver­ges­sen­heit

    1000 Jahre Braun­schweig: neues, zeitge­mäßes Bild der Stadt­ge­schichte in Planung. 2031 jährt sich die erste urkund­liche Erwähnung Braun­schweigs zum 1000sten Mal – Anlass für das Stadt­ar­chiv Braun­schweig, eine Tagung zum Auftakt der „Stadt­ge­schichts­de­kade“ durch­zu­führen. In der Dornse des Altstadt­rat­hauses disku­tierten renom­mierte Histo­ri­ke­rinnen und Histo­riker verschie­dener Fachrich­tungen zum Stand der Stadt­ge­schichts­for­schung und neuen Perspek­tiven. Die Stadt… Weiterlesen