Der Kopf der Brunonia und das Schicksal der ersten Quadriga

Vordergrund Dr. Andreas Büttner, Hintergrund Podest, Sockel, Kopf einer Bronzestatue, "Quadriga Braunschweig".
Hat den Durchblick: Kurator Dr. Andreas Büttner vom Städtischen Museum mit dem Kopf der ersten Brunonia-Statue.

Im Städti­schen Museum Braun­schweig ist eines der letzten Überbleibsel der ursprüng­li­chen Braun­schweiger Quadriga zu entdecken. Doch wie landete Brunonias Kopf im Museum? Die Spur führt in die Vergan­gen­heit.

Man wird beobachtet, wenn man als Museums­be­su­cher durch den Lichthof des Städti­schen Museums läuft.

Denn während wir unten die spannenden Sonder­aus­stel­lungen bestaunen, aktuell gerade „People and Pianos: Steinway & Sons | Grotrian-Steinweg“, blickt von oben fast unbemerkt ein bekanntes Braun­schweiger Gesicht auf uns herab: Die Brunonia – oder vielmehr das, was davon übrig ist: ihr Kopf.

Der Kopf der Brunonia ist 95 Zenti­meter hoch und 63 Zenti­meter breit. Foto: Der Löwe

Die neue Quadriga mit ihrer Stadt­pa­tronin steht seit dem Jahr 2008 wieder auf dem Braun­schweiger Schloss. Wie kommt also ihr Kopf ins Städti­sche Museum? Um es vorweg­zu­nehmen: Durch eine fürch­ter­liche Tragödie.

Das Unglück der ersten Braun­schweiger Quadriga

Dabei beginnt die Geschichte der Figuren­gruppe hoffnungs­voll. 1855 stifteten die Braun­schweiger Landstände die Statuen Herzog Wilhelm, um sein neues Residenz­schloss zu krönen. Der Schöpfer der Quadriga, der bedeu­tende Bildhauer Ernst Rietschel, schuf die Brunonia als Stadt­pa­tronin nach dem Vorbild antiker Göttinnen, vor allem der Athene. Sinnbild­lich sollte sie für eine weise und gerechte Regent­schaft des Herzogs stehen.

1863 war es so weit. Nach acht Jahren Arbeit vom ersten Entwurf bis zur Fertigung wurden die Figuren zwischen dem 1. September und dem 14. Oktober auf dem Portikus des Schlosses aufgebaut.

Die Freude darüber währte nur kurz. In der Nacht des 23. Februars 1865, also gerade einmal 15 Monate nach ihrer Aufstel­lung, brach ein Feuer im neuen Residenz­schloss aus. Zwei Drittel des Baus fielen dem Unglück zum Opfer. Die Flammen fraßen sich bis durch das Dach, das zusam­men­brach – und die Quadriga 25 Meter mit sich in die Tiefe riss.

Wie der Kopf ins Städti­sche Museum kam

Wenige Tage nach dem Unglück malte der Braun­schweiger Histo­ri­en­maler Andreas Christian Ludwig Tacke die abgestürzte Quadriga, vermut­lich auf eigene Initia­tive, und schenkte das Bild dem Städti­schen Museum, das erst wenige Jahre zuvor 1861 gegründet worden war. Das Gemälde hängt heute im Städti­schen Museum, oben auf der Galerie, nur wenige Meter vom Kopf der Brunonia entfernt.

Die abgestürzte, zerschmetterte Quadriga nach dem Schlossbrand 1865, Gemälde von Andreas Christian Ludwig Tacke,1865
Die abgestürzte Quadriga nach dem Schloss­brand 1865, Gemälde von Andreas Christian Ludwig Tacke,1865. Foto: Der Löwe

Wie der knapp ein Meter hohe und 63 Zenti­meter breite Kopf schließ­lich aus dem Trümmer­haufen ins Museum kam, weiß Kurator Dr. Andreas Büttner. „Nach dem Brand gab es natürlich die große Frage, was man mit den Resten der Quadriga macht. Der Kopf war das besterhal­tene Objekt.“ Die Unter­lagen des Museums verraten, dass er zunächst an den Braun­schweiger Bildhauer Georg Ferdinand Howaldt übergeben wurde, vermut­lich, um kleinere Schäden auszu­bes­sern. Howaldt hatte die Figuren als ausfüh­render Bildhauer ursprüng­lich angefer­tigt. „Dann gelangte er wieder in den Besitz von Herzog Wilhelm“, erklärt Andreas Büttner. „Er wiederum hat sie dann kurz danach, 1865 bereits, dem Städti­schen Museum geschenkt.“

Aber warum steht der Kopf so weit oben und blickt über den Lichthof? Auch dafür gibt es eine Erklärung, die mit dem Neubau des Museums­ge­bäudes am Löwenwall zu tun hat. Zuvor war die Sammlung im Neustadt­rat­haus unter­ge­bracht. „Als das Museum 1906 gebaut wurde, stand Brunonias Kopf schon hier oben, weil der heutige Lichthof des Museums als ein Ehrenraum der Braun­schweiger Geschichte konzi­piert wurde, mit Wandma­le­reien, die die verschie­denen Braun­schweiger Stadt­teile zeigten.“ erläutert Büttner. Auch die Original-Gipsfi­guren wichtiger Braun­schweiger Denkmäler standen dort, wie beispiel­weise der beiden Reiter­stand­bilder, die heute wieder auf dem Schloss­platz stehen. „Und da gehört natürlich die Stadt­pa­tronin als Hüterin Braun­schweigs dazu“, sagt Büttner. So steht sie noch heute im Städti­schen Museum und behält die Geschichte ihrer Stadt im Blick.

Die neue Quadriga

Im Braun­schweig des Jahres 1865 ließ man das Unglück übrigens nicht auf sich sitzen und beauf­tragte schnell die Anfer­ti­gung einer zweiten Quadriga, die Ende 1868 aufge­stellt wurde. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stand sie auf dem Schloss, wo sie kaum beschä­digt wurde. Erst in der unmit­tel­baren Nachkriegs­zeit wurde sie durch Buntme­tall­diebe zerstört. Im Zuge der Schloss­re­kon­struk­tion entstand dann die heutige, dritte Quadriga.

Wer Lust bekommen hat, die Figuren­gruppe aus der Nähe zu sehen, kann heute die Plattform besuchen – und dabei, genau wie die Brunonia selbst, einen wunder­baren Ausblick über die Stadt genießen.

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