Die dritte Quadriga wird schon zehn

Imposante Erscheinung: Die Pferde der Quadriga auf dem Residenzschloss. Foto: Schlossmuseum
Imposante Erscheinung: Die Pferde der Quadriga auf dem Residenzschloss. Foto: Schlossmuseum

Zum Jubiläum widmet das Schloss­mu­seum Europas größtem Vierge­spann vom 6. August bis zum 30. September eine Sonder­aus­stel­lung mit ihrem verklei­nerten Abbild aus Seesen.

Nicht nur die Quadriga auf dem Residenz­schloss Braun­schweig, die 2008 aufge­stellt wurde, feiert in diesem Jahr ein rundes Jubiläum, sondern auch ihr verklei­nertes Abbild, die Seesener Quadriga. Sie entstand vor nun schon 125 Jahren und wird vom 6. August bis zum 30. September im Schloss­mu­seum Braun­schweig gemeinsam mit weiteren Modellen und Nachbil­dungen der vom Dresdener Bildhauer Ernst Rietschel 1856 entwor­fenen Quadriga in einer kleinen Sonder­aus­stel­lung gezeigt.

Weltweit gibt es 43 Wagen­len­k­er­gruppen, schreibt Bauhis­to­riker Dr. Bernd Wedemeyer in seinem Standard­werk „Standard­werk „Quadriga – das Vierge­spann des Residenz­schlosses zu Braun­schweig“. Vorwie­gend in Europa, in London, Madrid, Paris, Moskau, Wien, aber auch New York. Größer seien lediglich die beiden St. Peters­burger Sechser­ge­spanne und die Brüsseler Quadriga mit aller­dings zwei Wagen­len­kern. Als klassi­sche Quadriga mit vier Pferden und einem Wagen­lenker, so schreibt Wedemeyer,  ist die Braun­schweiger Skulptur die größte in Europa. Sie ist auch weltweit die einzige Quadriga, die auf einem Residenz­schloss errichtet wurde. Der braun­schwei­gi­sche Hofbau­meister Carl Theodor Ottmer hatte bereits 1830 eine Quadriga in frühen  Schloss­plänen vorge­sehen. 1863 wurde sie schließ­lich erstmals aufge­stellt.

„Die Seesener Quadriga ist unange­fochten das Haupt­ex­ponat unserer kleinen Ausstel­lung”, sagt Museums­lei­terin Dr. Ulrike Sbresny, „aber auch die kleinen Nachbil­dungen haben einen ganz genauen Blick verdient, da man an ihnen viele Details entdecken kann.“ Gleich eine ganze Reihe dieser Nachbil­dungen werden im Schloss­mu­seum gezeigt, darunter auch eine Version in Grün und ein vergol­detes Exemplar. Aus nächster Nähe können die Besucher sowohl an den kleinen als auch an den großen Quadrigen viele Infor­ma­tionen über deren Herstel­lung und Geschichte erfahren. Das Schloss­mu­seum bietet Kombi-Führungen durch die Ausstel­lung und auf die Plattform für Kinder und Erwach­sene an.

Die aktuell dritte Quadriga auf dem Schloss war von 2006 bis 2008 in der Bronze­kunst­gie­ßerei Emil Kosicki im polni­schen Komorniki im Auftrag der Richard Borek Stiftung herge­stellt worden. Im Gegensatz zu ihren beiden Vorgän­ge­rinnen, die 1865 (Schloss­brand) und 1955 (Kriegs­schäden) zerstört wurden, wurde sie nicht aus handge­trie­benen Kupfer­platten über einem Eisen­ske­lett gebaut, sondern nach einem Gipsab­druck des 1999 in Dresden überra­schend entdeckten 1:3‑Originalmodells aus Silizi­um­bronze gegossen.

Aufge­stellt wurde die Statue am 23. Oktober 2008. Vier Tage später folgte die offizi­elle Einwei­hung mit der Übergabe als Geschenk an die Stadt. In der Stiftungs­ur­kunde heißt es dazu: „Die Stiftung der dritten Quadriga, die den Wieder­aufbau des Braun­schweiger Residenz­schlosses abschließt, soll die tiefe Verbun­den­heit von Familie und Firma Richard Borek zum Braun­schweiger Land dokumen­tieren. Möge sie außerdem Vorbild für ein engagiertes Bürgertum sein.“ Zur Einwei­hung waren 6.000 Inter­es­sierte auf den Schloss­platz gekommen.

„Natürlich bin ich heute tief bewegt. Natürlich denke ich an meinen Vater, der so sehr unter der Zerstö­rung seıner Heimat­stadt im 2. Weltkrieg gelitten hatte und leider vergeb­lich gegen den vollstän­digen Abriss unseres Schlosses im Jahre 1960 protes­tierte. Natürlich bin ich stolz, dass es mir, meiner Famılıe und meinem Unter­nehmen vergönnt gewesen war, bei dem Aufbau des Residenz­schlosses mitwirken und die Quadriga der Stadt Braun­schweig und ihren Bürge­rinnen und Bürgern stiften zu können. Vor allem aber bin ich glücklich darüber, dass die große Mehrzahl der Braun­schweiger den Wieder­aufbau unseres Schlosses und jetzt die Aufbrin­gung der Quadriga begeis­tert befür­worten und damıt ihre Verbun­den­heit zu der großen Geschichte unseres kleinen Braun­schweiger Landes bekunden“, sagte Stifter Richard Borek in seiner Festan­sprache.

Die an diesem Tag noch golden glänzende Quadriga hat mittler­weile Patina angesetzt. Sie ist erneut zu einem Wahrzei­chen Braun­schweigs geworden. Schloss und Quadriga sind ein imposanter Anblick, der Braun­schweiger wie Touristen begeis­tert. Erste Planungen, das Schloss mit der Quadriga zu krönen, hatte es bereits im Sommer 2003 gegeben, als die Stadt und die ECE Projekt­ma­nage­ment den Vertrag über den Bau von Schloss und Einkaufs­zen­trum unter­zeichnet hatten. Die Quadriga war dabei jedoch kein Bestand­teil, weil die der damalige Oberbür­ger­meister Dr. Gert Hoffmann dafür keine kommu­nalen Mittel einsetzen wollte. „Ich wollte aber, dass das Schloss seine Quadriga erhält, denn das Braun­schweiger Schloss ohne Quadriga ist kein richtiges Schloss“, schil­derte Richard Borek in einem späteren Interview seine Motiva­tion für das große finan­zi­elle Engage­ment und seine beein­dru­ckende Tatkraft in dem Projekt, das ja nicht immer ganz glatt lief.

Von alldem schreibt Bauhis­to­riker Dr. Bernd Wedemeyer in seinem Quadriga-Buch. Ein Teil ist auch der kleinen Schwester gewidmet. „Die Seesener Quadriga, die im späten 19. Jahrhun­dert noch einmal Rietschels großen Entwurf aufgriff, zählt in Deutsch­land neben den drei großen histo­ri­schen Quadrigen in Berlin, Dresden und München zu den bedeu­tendsten histo­ri­schen Zeugnissen dieser so seltenen Gattung der Bildhau­er­kunst.“

Die Seesener Quadriga wurde in den Jahren 1890/93 im 1:3‑Maßstab für die Weltaus­stel­lung in Chicago angefer­tigt. Auftrag­geber war die Braun­schweiger Handwer­ker­schaft des Metall­ge­werbes, die für die Ausstel­lung, als Referenz­stück ihres

Könnens benötigte. Ausfüh­rende war aber nicht mehr die Werkstatt Howaldts, sondern die Braun­schwei­gi­sche Wilhelms­hütte in Bornum bei Bockenem am Harz. Um 1910 wurde die Ausstel­lungs­qua­driga verkauft. Der neue Eigen­tümer hatte 1914 vor, sie nach einem gewon­nenen Weltkrieg seiner Heimat­stadt Seesen zu schenken und auf einem eigens dafür zu errich­tenden Trium­phtor beim alten Amtsschloss als Sieges­symbol aufzu­stellen. Der Krieg ging 1918 verloren, die Schenkung fand nicht statt, und die Quadriga verblieb im Besitz der Erwer­ber­fa­milie, die die Quadriga schließ­lich auf ihrem Privat­haus aufstellen ließ.

Dort blieb sie bis zum März in diesem Jahr. Zwischen der Eigen­tü­merin und der Richard Borek Stiftung wurde verein­bart, dass die kupfer­ge­trie­bene Skulptur in einen ausstel­lungs­fä­higen Zustand versetzt und der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht wird. Die Restau­rie­rung steht noch aus.

Video:

www.youtube.com/watch?v=Ptf344EIfUM

Kontakt:

Dr. Ulrike Sbresny, Leiterin des Schloss­mu­seums

Telefon: 0531–470 3895

E‑Mail: sbresny@residenzschloss-braunschweig.de

oder neumann@residenzschloss-braunschweig.de

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