Die Quadriga krönt das Residenzschloss
„Die Brunonia zieht heute aufs Schloss“. So betitelte die BZ am 22. Oktober 2008 das Großereignis des Herbstes in der Stadt, und wenn man auf die anwesenden, medialen Vertretern von NDR, MDR und einigen Radiosendern schaute, auch in Norddeutschland. Es ging um die endlich vollständige Braunschweiger Quadriga.
Im mittleren 19. Jahrhundert, wie auch jetzt, war sie eine Bürgerstiftung. Brunonia, die Wagenlenkerin, ist die Schutzpatronin des Landes Braunschweig und erhielt daher die Gestalt der beliebten antiken Göttin Athena, die für Weisheit, Kunst und gewappneten Frieden steht.
Die Gießerei DBA Broncearticle von Emil Kosicki hatte sie zwischen Februar 2006 und Oktober 2008 im polnischen Komorniki, unweit von Posen, nach dem Originalmodell Ernst Rietschels von 1856 hergestellt: dreimal so groß, 9,50 Meter hoch und knapp 26 Tonnen schwer. Nun sollte die Gruppe auf das nach den Plänen von 1836 gestaltete Postament auf dem Schlossmitteltrakt aufgebaut werden.
Nachtarbeit war nötig
Die Verheißung in der BZ erfüllte sich leider nicht gleich. Was war geschehen? Wegen Messfehlern an den 15 Millimeter starken Halterungsschrauben musste die Aufstellung vorübergehend abgebrochen werden. Nachts stellte die den Schlossfreunden vertraute Metallbaufirma Klauenberg aber die benötigten 2-3 Zentimeter dicken Scheiben her. Sie gaben dem Wagensockel den erforderlichen Abstand zu der empfindlichen Dachhaut des Quadrigapostaments. Allein das schlechte Wetter passte zu jenem Unglücksmittwoch
Anderntags, am 23. Oktober, ging alles glatt, selbst das Wetter überraschte mit einem strahlenden, blauen Himmel. Und die neuen Unterlegscheiben halfen. Rasch war der angelieferte Sockel von 6 Metern Länge, 5 Metern Breite und 0,75 Metern Höhe gegen 10 Uhr auf dem Postament verschraubt. Als nächstes kamen die Wagenachse und die großen Räder von fast 3 Meter Durchmesser oben an. Aufbau von hinten nach vorne, wo nichts behinderte. Bei der Verschraubung auf dem großen Sockel mit acht Schrauben pro Rad hatte der Mitarbeiter von DBA im Sockel reichlich zu schaffen.
Fliegende Pferde am Schloss
Anschließend kamen von Mittag an im Halbstundentakt die vier Zugtiere an. Die Zuschauer freuten sich über die „fliegenden Pferde“, die in ihren Gurten am Kranhaken rasch an Höhe gewannen. Aufgestellt wurde sie auf ihren Sockelplatten von 4 x 2 x 0,4 m von innen nach außen. Vier Großschrauben verankern sie. Es stimmte alles, die Maße, die Bohrungen und die Lage der Großschrauben in den Sockeln.
Der Eindruck des Viergespanns bei der Kaffeepause gegen halb drei Uhr war schon gut. Derweil wurde der Wagen vergurtet und kam eine Stunde später oben an. Das Gespann war fast vollständig.
Aber bevor Brunonia endlich ihr Ziel erreichte, wurde sie bei ihrem Schwergewicht von 5,4 Tonnen mit mehreren Gurten gesichert, dann hob der Kran sie an. Sich leicht wendend, die vielen Zuschauer unter sich lassend, schwebte sie empor: goldglänzend, in das Abendlicht eines goldglühenden Sonnenunterganges. Langsam setzte der Kran die Figur im Quadrigawagen ab. Die vier Pferde schienen darauf gewartet zu haben. Ihr Standsockel und der große Unterbau im Wagen fügten sich zusammen, und die vier 15 Millimeter starken Schrauben waren zügig angezogen. Gegen 18 Uhr hatte Braunschweig einen neuen Höhepunkt in seiner Silhouette. Das Viergespann war vollzählig.
Die Erleichterung war jedem der Beteiligten anzusehen. Nach zweieinhalb Jahren Arbeit samt Rückschlägen war es geschafft. Die Gegner in der Presse – die Sache sei unmoralisch und nicht machbar – wurden eines Besseren belehrt. Und heute: die Quadriga auf der in Europa einzigartigen Plattform auf dem Schloß, von der aus man die Gruppe aus der Nähe genau betrachten kann, gehört mit jährlich mehr als 10.000 Besuchen zu den beliebtesten Treffpunkten in der Stadt.
Dr. Bernd Wedemeyer ist Kunsthistoriker und Verfasser des Standardwerks „Quadriga. Das Viergespann des Residenzschlosses zu Braunschweig“.
Video: youtube.com/watch?v=Ptf344EIfUM
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