Die Kirche ohne Fenster

Ohne Fenster: die Südseite der Magnikirche. Foto: Archiv Ostwald
Ohne Fenster: die Südseite der Magnikirche. Foto: Archiv Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 37: die Öffnungen auf der Südseite der Magni­kirche wurden nach dem Krieg zugemauert.

Am 15. Oktober 1944 wurde Braun­schweig von der 5. Bomber­gruppe der Royal Air Force angegriffen. Das infer­na­li­sche Flächen­bom­bar­de­ment entfachte einen wahren Feuer­sturm in den Gassen der noch mittel­al­ter­lich geprägten Stadt. Er wütete in zweiein­halb Tage lang, bis fast alles zerstört war. 90 Prozent der Fachwerk­bauten, die Braun­schweigs histo­ri­sches Stadtbild ausge­macht hatten, fielen dem Feuer zum Opfer. Damit gehörte Braun­schweig zu den durch den Zweiten Weltkrieg am stärksten beschä­digten Städten Deutsch­lands. In heftige Mitlei­den­schaft wurde dabei auch das Magni­viertel mit der Kirche St. Magni gezogen, die bereits durch Spreng­bomben am 23. April 1944 stark beschä­digt worden war. Von ihr blieben lediglich das Westwerk sowie die Außen­mauern von Chor und Langhaus erhalten. Heute aber ist sie wieder der imposante Mittel­punkt des Magni­vier­tels. Skurril ist aller­dings, dass es an der Südseite keine Fenster mehr gibt. Sie wurden einfach zugemauert.

Lange Zeit stand nicht fest, ob die Kirche überhaupt wieder aufgebaut werden sollte. Die damaligen Stadt­planer wollten aus den Trümmern ein neues, modernes und autoge­rechtes Braun­schweig erstehen lassen. Die noch vorhan­denen Fachwerk­häuser im Magni­viertel, dem alten Dorf der „Hörigen“, die einst Bauern waren und die Ritter in der Burg Dankwar­derode versorgten, störten da nur. Am liebsten hätte man auch die erhalten geblie­benen Häuser vor und hinter dem Magni­kirch­platz gleich mit den Trümmern abgerissen und über den Platz eine breite, moderne Straße, eine Einfall­schneise wie die hoffnungslos überdi­men­sio­nierte Kurt- Schuma­cher-Straße gezogen.

Solch schreck­liche, geschichts­ver­ges­senen Visionen existierten lange Zeit in den Köpfen der Städte­planer und Archi­tekten, auch noch, als man in der Zeit von 1956 bis 1964 bereits mit dem Wieder­aufbau der Kirche begonnen hatte. Apsis, Chorjo­chen und westli­ches Langhaus­joch wurden in der alten Form, aller­dings verein­facht, wieder herge­stellt. Doch die Fenster auf der Südseite, zum Kirch­platz, wurden – mit einer Ausnahme – schlicht zugemauert. Mit diesem Frevel wollte man dem künftigen Durch­gangs­ver­kehr begegnen, der mögli­cher­weise Schall­pro­bleme in die Kirche gebracht hätte.

Zum Glück wurden die Pläne der riesigen Straßen­schneise nicht reali­siert. Es entstand vielmehr die Tradi­ti­ons­insel Magni­viertel. Sie zählt wie der Altstadt­markt, der Burgplatz, das Michaelis- und das Aegidi­en­viertel zu den rekon­stru­ierten Teilen der Stadt, die an das frühere Braun­schweig vor der Zerstö­rung erinnern. Das Magni­viertel ist eines der belieb­testen Quartiere Braun­schweigs und ein Anzie­hungs­punkt für Auswär­tige.

Aber zurück zur Magni­kirche. Eine Kirche ganz ohne Fenster? Das wäre wohl kaum denkbar. Und die Lösung findet sich tatsäch­lich auf der Nordseite des Gebäudes. Es  erhielt dort eine moderne Farbver­gla­sung des Künstlers Hans Gottfried von Stock­hausen. Damit kam nicht nur ausrei­chend Tages­licht in den Kirchen­raum, sondern zugleich auch ein beson­deres, sehr beein­dru­ckendes Kunstwerk, das allein schon den Besuch der Kirche lohnt.

Die Kirche St. Magni, die vermut­lich ihren Namen erhielt, um den bei den Friesen verehrten, apuli­schen Bischof Magnus zu ehren, ist übrigens für die Stadt­ge­schichte Braun­schweigs sehr bedeutend. Schließ­lich wird in ihrer Weihe­ur­kunde aus dem Jahr 1031 erstmals der Name unserer Stadt erwähnt: Brunes­guik. Braun­schweigs Ersterwäh­nungs­ur­kunde wird im Stadt­ar­chiv als ganz beson­derer Schatz gehütet.

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