Warum Braun­schweigs Landes­mu­seum 47,5 Millionen Euro erhält

So könnte das Forum des Braunschweigischen Landesmuseums nach der Sanierung aussehen. Die Visualisierung stammt vom Architekturbüro Dierks und Kramer Architekten. Foto: Patrik Dierks / Dierks & Cramer
So könnte das Forum des Braunschweigischen Landesmuseums nach der Sanierung aussehen. Die Visualisierung stammt vom Architekturbüro Dierks und Kramer Architekten. Foto: Patrik Dierks / Dierks & Cramer

Das Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum im histo­ri­schen Vieweg­haus am Burgplatz soll aufwendig saniert, neu einge­richtet – und ein attrak­tiver Veran­stal­tungsort werden.

Das Vieweg­haus am Braun­schweiger Burgplatz. Für Gerd Biegel, Leiter des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte, zählt es zu den heraus­ra­genden Zeugnissen des deutschen Neoklas­si­zismus und zu den wichtigen Baudenk­mä­lern braun­schwei­gi­schen Geschichte. Ab Ende der 70er Jahre wurde das statt­liche, aber auch verwin­kelte Gebäude entkernt und als neuer Sitz des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums einge­richtet. Als Biegel 1986 dessen Direktor wurde, konnte er die Einrich­tung der neuen Dauer­aus­stel­lung noch mit begleiten.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 07.07.2020 (Bezahl-Artikel)

Gut 30 Jahre später soll das Haus erneut aufwendig saniert werden. 47,5 Millionen Euro plant Nieder­sach­sens Landes­re­gie­rung im Entwurf für den Haushalt 2021 ein. Das sind rund zehn Millionen Euro mehr als zuletzt in Renovie­rung und Erwei­te­rung des Herzog-Anton-Ulrich-Museums inves­tiert wurden.

Kultur­mi­nister Björn Thümler: Zentrales Museum für die Region

„Die Sanierung des Landes­mu­seums ist dringend notwendig“, sagte Nieder­sach­sens Kultur­mi­nister Björn Thümler unserer Zeitung. „In der Mitte der Stadt Braun­schweig in einem bedeu­tenden Beispiel klassi­zis­ti­scher Archi­tektur gelegen, spielt es eine ganz zentrale Rolle für die Menschen in Braun­schweig und der Region.“

Es gab Zeiten, in denen Hannover weniger willig war, Geld für die Bewahrung und Präsen­ta­tion der Braun­schwei­gi­schen Geschichte in die Hand zu nehmen. Wie Biegel berichtet, beklagte sich sein Vorvor­gänger Alfred Tode 1960 öffent­lich, dass „trotz Jahr für Jahr wieder­holter Anträge noch keinerlei einmalige Wieder­aufbau-Mittel“ für das Landes­mu­seum zur Verfügung gestellt wurden.

Damals befand es sich noch am Standort Aegidi­en­kirche, wo es 1902, rund zehn Jahre nach der Gründung durch geschichts­in­ter­es­sierte Bürger, einge­richtet worden war. Die Kirche war 1811 säkula­ri­siert worden. Als sie aufgrund der großen Zahl katho­li­scher Neubürge aus den früheren deutschen Ostge­bieten nach dem Zweiten Weltkrieg neu geweiht wurde, verlor das Landes­mu­seum einen Großteil seiner Ausstel­lungs­fläche.

Der Clou mit dem Vieweg­haus

Todes Nachfolger Rolf Hagen war es, der auf die Idee mit dem Vieweg­haus kam. 1967 hatte er erfahren, dass der Verlag seinen Sitz nach Wiesbaden verlegen wollte. Wie Gerd Biegel berichtet, setzte Hagen sich beim Land mit Nachdruck dafür ein, Kaufver­hand­lungen aufzu­nehmen. Doch Hannover war das Projekt zu teuer. Schließ­lich gewann Hagen den Braun­schwei­gi­schen Verei­nigten Kloster- und Studi­en­fonds – die heutige Stiftung Braun­schweiger Kultur­be­sitz – dafür, die Mittel für den Kauf des histo­ri­schen Gebäudes aufzu­bringen.

Der Berliner Verleger Friedrich Vieweg hatte das Wohn- und Verlags­haus ab 1799 im Stil des Neoklas­si­zismus am Burgplatz errichten lassen. Unter­stützt und gefördert wurde er von Herzog Carl Friedrich Ferdinand, der in seiner Residenz­stadt neue archi­tek­to­ni­sche, wirtschaft­liche und wissen­schaft­liche Impulse setzen wollte. Das Kalkül ging auf; im 19. Jahrhun­dert wurde Vieweg zu einem der bedeu­tendsten deutschen Verlage.

Die Verlags­ge­schichte will die heutige Museums­chefin Heike Pöppel­mann im Zuge der Neuge­stal­tung des Hauses mit einer eigenen Abteilung würdigen. „Wir haben etwa die Schlüssel der Hausherrin Charlotte, Kronleuchter und Tagebü­cher im Sammlungs­be­stand“, erzählt sie.

Neue Kuppel für das Forum

Erster großer Bauab­schnitt werde in den beiden kommenden Jahren aber die aufwen­dige Neuge­stal­tung des Forums im Innenhof. Das Glasdach, das derzeit mit dem ersten Stock abschließt, soll komplett erneuert werden und künftig auch das zweite Oberge­schoss überwölben. Zudem werde anspruchs­volle Beleuch­tungs­technik instal­liert, so dass ein hochat­trak­tiver Veran­stal­tungsort samt Bistro entstehe – ganz im Sinne von Pöppel­manns grund­le­gender Konzep­tion: „Ich sehe das Museum als diskur­siven Ort, in dem die Werte unserer Gesell­schaft verhan­delt werden und die Besucher sich über Vergan­gen­heit, Gegenwart und Zukunft austau­schen.“

Bis Ende 2020 muss die gesamte Sammlung des Landesmuseums verpackt und in ein externes Depot ausgelagert werden. Foto: Anja Pröhle / BLM
Bis Ende 2020 muss die gesamte Sammlung des Landes­mu­seums verpackt und in ein externes Depot ausge­la­gert werden. Foto: Anja Pröhle / BLM

Dass die Landes­re­gie­rung das statt­liche Inves­ti­ti­ons­vo­lumen von 47,5 Millionen Euro in den Etatent­wurf 2021 einge­stellt hat, sieht sie auch als Bestä­ti­gung der Arbeit ihres Teams, das Haus mit vielfäl­tigen Ausstel­lungen und Projekten wie dem Kinder­mu­seum für weite Bevöl­ke­rungs­kreise attraktiv zu machen. „Ich freue mich unheim­lich, auch über das Engage­ment des Kultur­mi­nis­te­riums.“

Dass die bei der ersten Vorstel­lung der Pläne genannte Summe von 54 Millionen Euro sich reduziert habe, liege an dem gut ausge­rüs­teten externen Zentral­depot, das das Museum anmieten konnte. „Dadurch gewinnen wir Raum und sparen Kosten für Depot­technik.“

Ein Gutteil der Inves­ti­ti­ons­summe fließe in Brand­schutz und die techni­sche Moder­ni­sie­rung des Vieweg­hauses, erläutert Thomas Popp, Leiter des Staat­li­chen Bauma­nage­ments in Braun­schweig. Voraus­sicht­lich Anfang kommenden Jahres würden die Arbeiten beginnen.

Kinder­mu­seum und neue Dauer­aus­stel­lung

Der erste Schritt ist spekta­kulär: Das abgängige alte Glasdach wird rückge­baut und eine neue Kuppel mit Kränen vom Burgplatz aus aufge­setzt. „Wir planen, den Platz nach der nächsten Opern-Bespie­lung dafür zu sperren“, sagt Popp. Man hoffe, dem Museum das sanierte Forum in andert­halb bis zwei Jahren wieder für Veran­stal­tungen zur Verfügung stellen zu können, während Sanierung und Umbau der Geschosse weiter­liefen.

Geplant sei, im Hochpar­terre vor allem das Kinder­mu­seum einzu­richten, sagt Direk­torin Pöppel­mann. Das erste Stockwerk soll 800 Quadrat­meter Raum für Sonder­aus­stel­lungen sowie eine Fläche bieten, um wechselnde Aspekte der Landes­ge­schichte zu vertiefen. Im Oberge­schoss mit rund 1100 Quadrat­me­tern Fläche werde die neue Dauer­aus­stel­lung einge­richtet.

Rund sechs Jahre sind für die Arbeiten veran­schlagt. Zunächst muss das Museum mit seinen tausenden Sammlungs­ob­jekten von Schmuck bis zu Langschwer­tern kontrol­liert ausge­räumt werden. Bis Jahres­ende soll das geschafft sein – ihre Mitar­beiter seien mit Feuer­eifer dabei, sagt Pöppel­mann.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 07.07.2020 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article229469326/Warum-Braunschweigs-Landesmuseum-47–5‑Millionen-Euro-erhaelt.html (Bezahl-Artikel)

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