Digitaler Sammel­punkt für jüdisches Leben in Nieder­sachsen

Das Geburtshaus der Kunstvermittlerin Galka Scheyer in der Okerstraße in Braunschweig. Foto: Bet Tfila
Das Geburtshaus der Kunstvermittlerin Galka Scheyer in der Okerstraße in Braunschweig. Foto: Bet Tfila

Seit 1995 unter­sucht die Forschungs­stelle Bet Tfila am Institut für Bauge­schichte der TU Braun­schweig jüdische Archi­tektur in Europa.

Orte, Personen, Insti­tu­tionen und Quellen zum jüdischen Leben in Geschichte in Gegenwart in Nieder­sachsen zu sammeln und online zugäng­lich zu machen, das ist das große Ziel des Projektes „.“ In den kommenden drei Jahren soll in Koope­ra­tion zwischen der Forschungs­stelle Bet Tfila am Institut für Bauge­schichte der TU Braun­schweig und dem Israel Jacobson Netzwerk (IJN) das entspre­chende Online-Portal entstehen.

„Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler, Heimat­pfle­ge­rinnen und Heimat­pfleger, Menschen vor Ort, Kultur­tou­risten und andere Inter­es­sierte sollen auf dem Portal zusam­men­finden, Infor­ma­tionen recher­chieren können und vonein­ander lernen“, erklärt die Judaistin Dr. Rebekka Denz, die das Projekt mit entwi­ckelt hat. Dazu erarbei­tetet sie mit dem Projekt­team und der IT-Abteilung des Landes Nieder­sachsen eine modular aufge­baute Datenbank, in der Infor­ma­tionen über Personen, Orte, Quellen und Insti­tu­tionen mit einem Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte zusam­men­ge­tragen und mitein­ander verknüpft werden können.

Start zwischen Harz und Heide

Stadtrundgang zur jüdischen Geschichte in Peine mit Jens Binner (rechts). Foto: Israel Jacobson Netzwerk
Stadt­rund­gang zur jüdischen Geschichte in Peine mit Jens Binner (rechts). Foto: Israel Jacobson Netzwerk

Verbunden werden sollen die einzelnen Einträge in einer Landkarte, so dass ein Zugang über Regionen, Orte oder auch einzelne Gebäude möglich ist, aber auch ein Filter nach Themen, Personen und Insti­tu­tionen soll möglich sein. Den Anfang machen die Regionen Ostfries­land, Osnabrück und Osnabrü­cker Land und die Region zwischen Harz und Heide, die das IJN betreut.

Die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, das Land Nieder­sachsen, die Braun­schwei­gi­sche Stiftung, die VGH-Stiftung, die Kloster­kammer Hannover, die Stiftung Nieder­sachsen und der Landes­ver­band der jüdischen Gemeinden von Nieder­sa­chen finan­zieren das fünfköp­fige Projekt­team an der Bet Tfila und dem IJN für die kommenden drei Jahre.

Neue Forschungs­themen anstoßen

Ein Teil des Projektes, den Rebekka Denz verant­wortet, wird die Sammlung der für die Stolper­steine recher­chierten Biogra­fien sein. „Dabei sind epochen­über­grei­fende Biogra­fien recher­chiert worden, die nicht nur etwas zur Zeit der Verfol­gung, sondern auch zum Leben davor und danach aussagen können“, erklärt sie. So könne man mithilfe dieses kollektiv-biogra­fi­schen Materials z.B. das Leben jüdischer Kinder und Jugend­li­cher in den 1920er Jahren unter­su­chen, ein Thema, das bisher noch nicht syste­ma­tisch erforscht wurde. Im Blick­punkt stehen dabei „Durch­schnitts­juden“ in verschie­denen Städten und auf dem Land.

Anstöße geben für neue Forschungs­themen und dazu anregen, über den eigenen Teller­rand zu blicken, auch das ist ein Ziel des Portals. „Wenn jemand zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in seinem Heimatort forscht, kann er in der Datenbank Infor­ma­tionen zu anderen Gemeinden finden, Paral­lelen feststellen oder aber auch Beson­der­heiten entdecken“, erläutert Dr.-Ing. Katrin Keßler. Auch von den Projekt­mit­ar­bei­tenden werden verschie­dene inhalt­liche Module erarbeitet. „Ziel dabei ist es, nicht nur Infor­ma­tionen zu sammeln, sondern sie auch inhalt­lich mitein­ander zu verknüpfen – als Essenz der Datenbank sozusagen“, ergänzt Rebekka Denz.

Vernet­zung bestehender Angebote

„Das Portal soll keine Konkur­renz sein für bestehende Angebote“, betont Dr.-Ing. Katrin Keßler, wissen­schaft­liche Mitar­bei­terin an der Bet Tfila. „Es soll vielmehr bereits bestehende Angebote vernetzen, Akteuren ein Podium bieten und durch Wissen überein­ander zum Austausch anregen.“ So wird auch ein Veran­stal­tungs­ka­lender Teil des Portals werden und mit den Einträgen in der Datenbank verknüpft. Dafür ist das Team natürlich auf die Zuarbeit der Organi­sa­toren und Veran­stalter in den einzelnen Regionen zuständig. Damit will das Portal Menschen und Insti­tu­tionen verbinden, die Regionen Nieder­sach­sens unter­ein­ander, von Nieder­sachsen raus in die Welt, aber auch die Welt nach Nieder­sachsen.

Stolperstein David Wegmann in Helmstedt. Foto: Jochen Weihmann
Stolper­stein David Wegmann in Helmstedt. Foto: Jochen Weihmann

Den Anfang machen die Veran­stal­tungen, die im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutsch­land“ in Nieder­sachsen statt­ge­funden haben bzw. noch statt­finden werden, da das Festjahr bis 2022 verlän­gert wurde. Im November soll das zentrale Archiv online gehen. Auch das Modul Antise­mi­tismus will die verschie­denen Akteure vernetzen und Inhalte bündeln. So können hier Schulen Ansprech­partner finden, um Bildungs­an­ge­bote zu planen.

Zwei starke Projekt­partner

In dem Projekt koope­rieren zwei Insti­tu­tionen mitein­ander, die bei der Darstel­lung, Erfor­schung und Vermitt­lung jüdischen Lebens in der Region Braun­schweig engagiert sind. Aufgabe der Bet Tfila – Forschungs­stelle für jüdische Archi­tektur in Europa ist die Erfassung, Dokumen­ta­tion und syste­ma­ti­sche Erfor­schung sakraler und säkularer Archi­tek­turen jüdischer Gemein­schaften in Europa. Diese Bauten und Einrich­tungen sollen im Hinblick auf ihre Genese ebenso wie ihren histo­ri­schen, kultu­rellen und typolo­gi­schen Kontext unter­sucht und kritisch verglei­chend in das Ganze der europäi­schen Archi­tek­tur­ge­schichte einge­ordnet werden. So leistet sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Bewahrung jüdischen Kultur­guts und zur Erwei­te­rung eines gemein­samen kultur-histo­ri­schen Bewusst­seins.

Regionale Insti­tu­tionen, wissen­schaft­liche und kultu­relle Einrich­tungen sowie inter­es­sierte Privat­leute aus den Landkreisen und Städten Braun­schweig, Wolfsburg, Salzgitter, Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfen­büttel engagieren sich in dem 2016 gegrün­deten Israel Jacobson Netzwerk für jüdische Kultur und Geschichte e. V. Es versteht sich als ein Forum, in dem sich die Mitglieder und Inter­es­sierte über ihre laufenden Vorhaben regel­mäßig austau­schen und aus ihren unter­schied­li­chen Tätig­keits­be­rei­chen gemein­same Projekte initi­ieren. Das Netzwerk gibt Anstöße zur themen­be­zo­genen Zusam­men­ar­beit unter Einbe­zie­hung des gegen­wär­tigen jüdischen Lebens in der Region.

Infor­ma­tionen

Zur Mitarbeit und zum Befüllen der Datenbank sind alle einge­laden und aufge­rufen. Ansprech­partner sind die Projekt­mit­ar­beiter der:

Bet Tfila – Forschungs­stelle für jüdische Archi­tektur in Europa
Techni­sche Univer­sität Braun­schweig

Pockelsstr. 4
38106 Braun­schweig

0531/391‑2525
info@bet-tfila.org

Weiter Infor­ma­tionen finden Sie auf der Webseite der Forschungs­stelle: http://www.bet-tfila.org/.

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