„Andern dienend verzehr ich mich“

Bildnis Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1528-1589), Ausschnitt. Foto: Städtisches Museum Braunschweig

„Herzog­li­ches Kalen­der­blatt“, Folge 2: Vor 435 Jahren, am 3. Mai 1589, verstarb Herzog Julius von Braun­schweig-Wolfen­büttel

Wer erinnert sich noch seiner? Vor 435 Jahren, am 3. Mai 1589, verstarb Herzog Julius von Braun­schweig-Wolfen­büttel. Viele Jahre vor der Aufklä­rung im 18. Jahrhun­dert mit ihrem neuen, idealen Verhältnis von Volk und Monarch war sein Leitspruch bereits: „Andern dienend, verzehr ich mich“.

Julius wurde am 29. Juni 1528 geboren und regierte von 1568 bis 1589. Er war einer der bedeu­tendsten Braun­schwei­gi­schen Herzöge. Als Gehbe­hin­derter zunächst zum geist­li­chen Amt erzogen, stieg er 1553 nach dem Schlach­tentod seiner beiden Brüder zum Nachfolger des Vaters, Herzog Heinrich d.J., auf. Er revolu­tio­nierte – im guten Sinn – das Land von oben.

Refor­ma­tion einge­führt

1568 wurde die Refor­ma­tion, der er anhing, einge­führt. Klöster wie Amelungs­born, Riddags­hausen und Mariental wurden Predi­ger­se­mi­nare, die anderen Klöster behielten ihre Konvente und bauten Schulen auf. 1569 errich­tete er den Braun­schwei­gi­schen Verei­nigten Kloster- und Studi­en­fonds, der heute ein Teilver­mögen der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz ist. 1574/76 gründete er in Helmstedt das Juleum, die Landes­uni­ver­sität (bis 1810) mit den Schwer­punkten Theologie und Juris­pru­denz.

Er beerbte die welfi­schen Linien Göttingen und Calenberg, die nördli­chen Ämter Hoya und Bruch­hausen sowie das Halber­städter und Teile des Hildes­heimer Hochstifts. Sein Arm reichte über das östliche Nieder­sachsen zwischen Bremen, Hanno­versch-Münden, Halber­stadt und dem Harz.

Seine Residenz Wolfen­büttel wurde neu befestigt, das Schloss in der Dammfes­tung standes­gemäß ausgebaut und 1572 die Biblio­theca Julia nördlich davon im Kanzleihaus gegründet. Später erlangte sie durch Herzog August Weltbe­rühmt­heit. 1570 erhielt die alte, östlich gelegene Hof- und Bürgers­stadt ihre Rechte, 1575 entstanden östlich davon die „Neue Heinrichs­stadt“ und 1576 das „Gottes­lager“ (Julius­stadt), als, wenn auch erfolg­loser, Wirtschaftspol gegen Braun­schweig.

Glück­liche Regie­rungs­hand

Was Julius anfasste, gelang zumeist. Als protes­tan­ti­scher Exilant, geschult durch seine Tour nach Paris, Löwen und Küstrin, organi­sierte er seine Länder­ver­wal­tung neu. Er schuf die Ressorts, einzig­artig im nachmit­tel­al­ter­li­chen Kaiser­reich, und teilte sie auf in die Sparten für Justiz, Wirtschaft, Kirche, Reich und Geheim­sa­chen. Zeit- und Kosten­er­sparnis sowie die Bildung seiner Unter­tanen waren in allem sein Ziele.

Auf frühmer­kan­tile Art sollten die Güter des täglichen Bedarfs im Land herge­stellt werden, um den Geldab­fluss für Einkäufe so gering wie möglich zu halten. Der Außen­handel, zum Beispiel mit den Metall­waren aus dem Harz und mit den von ihm erdachten Kanonen­ku­geln aus Schlacke, reichte bis nach Holland, Dänemark, Schweden und Russland.

Verbunden waren die staat­li­chen Maßnahmen mit der Einrich­tung von Sozial­ein­rich­tungen: für die Gewerke der Berg- und Hütten­leute gab es Steuer­be­güns­ti­gungen. Darüber etablierte er für sie und ihre Familien Unter­stüt­zungen im Fall von Krankheit und Tod, aber auch fallweise für die Bewohner der Residenz.

Dass dieser umtrie­bige Fürst sich nebenbei auch noch der Wissen­schaft und Erfin­dungen widmen konnte, zeigt sein Skizzen­buch in der Herzog August-Biblio­thek. Mit einem sechs Meter langen Hinter­lader zum Beispiel war er Jahrhun­derte seiner Zeit voraus (heute Deutsches Museum, Berlin). Auch seine ausfahr­baren Trans­port­bühnen und sogar Acker­dünger zählen zu seinen Ideen. Es verwun­dert daher kaum, dass Herzog Julius 1589 seinem Sohn an die 80.000 Goldtaler hinter­ließ.

 

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