Spargel­schä­le­rinnen machten Platz für die Kultur

So wie die Arbeiterinnen auf diesem Foto aus der ehemaligen Konservenfabrik H. L. Krone & Co. um 1900. wurde auch in der Brunsviga Spargel geschält. Foto: Stadtarchiv Braunschweig
So wie die Arbeiterinnen auf diesem Foto aus der ehemaligen Konservenfabrik H. L. Krone & Co. um 1900. wurde auch in der Brunsviga Spargel geschält. Foto: Stadtarchiv Braunschweig

„Dosen­aus­stel­lung“ zum 40-jährigen Bestehen der Brunsviga erläutert vom 9. Februar an, wie aus der einstigen Konser­ven­fa­brik ein florie­rendes, sozio­kul­tu­relles Zentrum wurde.

Dort an der Karlstraße, wo einst Frauen Ende des 19. Jahrhun­derts zur Blütezeit der Braun­schweiger Konser­ven­in­dus­trie Spargel für ganz Deutsch­land und darüber hinaus schälten, ist heute das Kultur- und Kommu­ni­ka­ti­ons­zen­trum Brunsviga unter­ge­bracht. Die gleich­na­mige Konser­ven­fa­brik hatte den Betrieb einge­stellt, als die Stadt die Gebäude 1981 erwarb, um sie zu sanieren und einer neuen, modernen Nutzung zuzuführen. Zu der Zeit lag es im Trend, alte Indus­trie­bauten umzuwidmen in sogenannte „sozio­kul­tu­relle Zentren“.

„Unter­stützer“ Hartmut Scupin

Blick auf das heutige Kultur- und Kommunikationszentrum Brunsviga. Foto: Brunsviga
Blick auf das heutige Kultur- und Kommu­ni­ka­ti­ons­zen­trum Brunsviga. Foto: Brunsviga

In Braun­schweig machte sich der „Verein zur Gründung eines Kommu­ni­ka­ti­ons­zen­trums in Braun­schweig“ auf den Weg und fand im damaligen Oberbür­ger­meister Hartmut Scupin (CDU) einen unerwartet wie wertvollen Unter­stützer. Bis 1994 sollte es aber noch dauern bis aus der in der Studen­ten­kneipe „Tunikum“ geborenen Idee tatsäch­lich Realität werden sollte und sich die Brunsviga schließ­lich in mehreren Bauab­schnitten zu dem Kultur- und Kommu­ni­ka­ti­ons­zen­trum entwi­ckelte, wie wir es heute kennen.

An diese Schritte der längst als vielseitig genutzter Veran­stal­tungsort und engagierte Kabarett­bühne etablierten Brunsviga erinnert vom 9. Februar an eine besondere „Dosen­aus­stel­lung“, die so auch einen Brücken­schlag zur ursprüng­li­chen Nutzung der Gebäude herstellen will. Sie wurde mit der Unter­stüt­zung des dort mit behei­ma­teten Bürger­ra­dios Okerwelle umgesetzt und holt die Zeiten von damals wenigs­tens akustisch zurück.

Für jedes Jahr eine Station

Spargelwerbung der Konservenfabrik Brunsviga. Foto: Stadtarchiv
Spargel­wer­bung der Konser­ven­fa­brik Brunsviga. Foto: Stadt­ar­chiv

An 40 Dosen-Stationen lassen sich Inter­views mit den damaligen Protago­nisten und den aktuell Handelnden um Geschäfts­füh­rerin Chris­tiane Mielke sowie Mitschnitte über QR-Codes auf dem Smart­phone anhören. Das Projekt wird unter­stützt von der Braun­schwei­gi­schen Sparkas­sen­stif­tung. Für den 24. April ist eine weitere Jubilä­ums­ver­an­stal­tung mit den Gründe­rinnen und Gründern der Brunsviga geplant. Dabei stellt Michael Heinze seinen fünftei­ligen Film über die Brunsviga vor. Er war Gründungs- und Vorstands­mit­glied der ersten Stunde. Seit 1990 ist er Geschäfts­führer und Produzent einer Multi­media-Agentur im Magni­viertel.

Konser­ven­fa­brik 1895 gegründet

An die ganz alten Zeiten als Indus­trie­standort erinnert außer der äußeren Hülle nicht mehr viel. Selbst der „Brunsviga-Konserven“-Schriftzug, der einst hoch oben unterhalb der höchsten Etage stolz prangte, ist verschwunden. Erinnert sei dennoch an die Geschichte: Der Spargel­anbau und die Entwick­lung der Konser­ven­in­dus­trie von Mitte des 19. Jahrhun­derts an sind untrennbar mitein­ander verbunden. Es entwi­ckelte sich für Braun­schweig ein Wirtschafts­zweig, der rund ein Jahrhun­dert lang in unter­schied­li­chen Facetten florierte und vor allem die Güte des hiesigen Spargels in die Welt verbrei­tete. Braun­schweiger Spargel wurde schon früh nach China, Japan, Austra­lien oder die Verei­nigten Staaten expor­tiert.

In der Blütezeit arbeiteten 6000 Menschen, überwiegend Frauen in den Braunschweiger Konservenfabriken (hier H. L. Krone & Co. um 1900). Foto: Stadtarchiv
In der Blütezeit arbei­teten 6000 Menschen, überwie­gend Frauen in den Braun­schweiger Konser­ven­fa­briken (hier H. L. Krone & Co. um 1900). Foto: Stadt­ar­chiv

Die 1895 gegrün­dete „Brunsviga“ zählte zu den kleineren Konser­ven­fa­briken in Braun­schweig. Insgesamt gab es 52 von ihnen, in denen in der Spitze rund 6.000 Menschen Arbeit fanden. Es waren vorwie­gend Frauen, die zunächst Spargel schälten, später aber auch andere Gemüse­sorten und Obst putzten, bevor sie in Konserven haltbar gemacht wurden. Weitere etwa 8000 Frauen, überwie­gend Gastar­bei­te­rinnen, sollen Schät­zungen zufolge auf den Feldern rund um Braun­schweig gearbeitet haben.

Nieder­gang nach 1945

Die Brunsviga nach der Fabrikschließung. Foto: Brunsviga
Die Brunsviga nach der Fabrik­schlie­ßung. Foto: Brunsviga

Auch die Dosen wurden in der Konserven-Hochzeit in Braun­schweiger Fabriken herge­stellt und selbst die Maschinen, die zur Dosen­her­stel­lung erfor­der­lich waren, kamen aus der Stadt. Dosen produ­zierte beispiels­weise Schmal­bach, damals noch unter J.A. Schmalbau firmie­rend. Und die Anlagen baute beispiels­weise die 1853 gegrün­dete und noch immer erfolg­reiche Braun­schweiger Maschi­nen­fa­brik (BMA). Heute gibt es keine einzige Konser­ven­fa­brik mehr in Braun­schweig. Der Nieder­gang des einst so bedeu­tenden Wirtschafts­zweigs begann nach 1945, nicht zuletzt wegen des immer freier werdenden Waren­han­dels innerhalb Europas.

Platz für Neues

So gab es schließ­lich Platz für das Kultur- und Kommu­ni­ka­ti­ons­zen­trum Brunsviga. Es entstand erst ein provi­so­ri­scher Bürger­treff, und erst 1984 gab es Gewiss­heit, dass die Fabrik nicht abgerissen werden sollte. 1991 wurde der erste Bauab­schnitt mit einer Kinder­ta­ges­stätte in städti­scher Regie und ersten Gruppen­räume abgeschlossen. 1994 folgte der zweite Bauab­schnitt mit einem großen Veran­stal­tungs­saal mit einem Fassungs­ver­mögen von 270 Sitzplätzen, einem kleinen Saal für 100 Personen, einem größeren Seminar­raum sowie einer Gastro­nomie. Mit ihren jährlich mehr als 150.000 Besuchern gehört die Brunsviga mittler­weile zu einem der größten Sozio­kul­tu­rellen Zentren Norddeutsch­lands.

Ein Foto aus den Anfängen als „Bürgertreff“. Foto: Brunsviga
Ein Foto aus den Anfängen als „Bürger­treff“. Foto: Brunsviga

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