Spargel statt Wein und Tabak

Braunschweiger Spargel wurde früh zu einer Delikatesse. Foto: Postkarte Archiv Thomas Ostwald
Braunschweiger Spargel wurde früh zu einer Delikatesse. Foto: Postkarte Archiv Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 41: Zu unserem kulina­ri­schen Glück ließ Carl I. die Pfälzer in Veltenhof siedeln.

Der Braun­schweiger Spargel ist eine Spezia­lität, die weit über die Stadt­grenzen hinaus einen ausge­zeich­neten Ruf genießt. Weil es auf den Feldern in um Braun­schweig einen besonders geeig­neten Boden gibt, entstand hier eines der größten Spargel­an­bau­ge­biete Norddeutsch­lands. Hier wächst der Spargel gut und in beson­derer Qualität, dabei handelt es sich nicht um ein hier ursprüng­li­ches Gemüse. Tatsäch­lich kommt es aus Ägypten und wurde im Braun­schwei­gi­schen erst im 18. Jahrhun­dert angepflanzt. Skurril, wie es dazu kam:

Herzog Carl I. auswan­de­rungs­wil­lige Menschen aus der Pfalz nach Braun­schweig, wo sie sicher waren vor religiöser Unter­drü­ckung. Diese Pfälzer gehörten zur Refor­mierten Kirche und erhielten in Braun­schweig Religi­ons­frei­heit zugesi­chert. Ihre Gottes­dienste hielten sie in der Bartho­lo­mä­us­ka­pelle ab.

Wirtschaft­lich versprach sich der Herzog Erfolge von der Ansied­lung. Er sicherte den Pfälzern Privi­le­gien zu wie freies Bürger­recht, die zeitwei­lige Befreiung von Auflagen und eine großzü­gige Hilfe beim Häuserbau. Sie sollten vor allem Wein, Mais und Tabak im Braun­schwei­gi­schen Land anbauen

Im Jahre 1749 trafen die ersten Pfälzer in Braun­schweig ein und besich­tigten den ihnen zugedachten Grund und Boden am Münzberg bei Rühme. Doch damit waren die Neuan­kömm­linge nicht zufrieden, denn der Boden war ihnen nicht fruchtbar genug. So kam es zur Ansied­lung in Veltenhof.

Die ersten Ernten von Wein, Mais und Tabak waren enttäu­schend. Eine Delega­tion der Pfälzer überzeugte Herzog Carl I. schließ­lich davon, dass ein Produkt aus ihrer alten Heimat in dem Sandboden viel besser gedeihen würde. So kam der Spargel schließ­lich nach Braun­schweig. Der Anbau lief in der Tat wesent­lich erfolg­rei­cher, aber es blieb es nicht allein beim Spargel. So findet sich schon 1755 die folgende Anzeige in den ‚Braun­schweiger Anzeigen“:

Was zu verkaufen.

Bey dem Pfälzer­co­lo­nisten, Leonhard
Schenkel, zum Velten­hofe bey Braun-
schweig, ist vortreff­li­cher Spelt, der Himte
für 1 Thlr. Zur Aussaat zu verkaufen.

Es wird also deutlich darauf hinge­wiesen, dass es sich bei dem Verkäufer um einen Pfälzer handelt. Die Bezeich­nungen ‚Spelt‘ und ‚Himte‘ sind uns heute fremd. Der Mann bot Dinkel oder Spelz an, eine Weizen­sorte, eng verwandt mit dem heutigen Weich­weizen. Und die Himte war ein übliches Getrei­demaß, im Braun­schweiger Land bis ins 19. Jahrhun­dert. Eine Himte war ein halbes Scheffel, etwa 30 Liter.

Der Spargel aus dem Braun­schweiger Land trat seinen Siegeszug mit dem Aufkommen der Konser­ven­in­dus­trie an. 1852 wurde die erste Fabrik, P.W. Daubert, gegründet, weitere folgten. 1873 konnten mit einem Hochdruck­kessel zur Steri­li­sa­tion  der  Dosen und 1890 mit der Dosen­schließ­ma­schine entschei­dende Fortschritte gemacht werden.

Spargel aus Braun­schweig wurde in alle Herren Länder bis nach Austra­lien, Amerika oder China expor­tiert. Nicht zuletzt durch die Auswir­kungen des 2. Weltkrieges wurde die hiesige Konser­ven­fa­bri­ka­tion nach und nach bedeu­tungslos. Spargel wird bevorzugt als frisches Gemüse verzehrt.

Der Spargel aus dem Pfälzer Siedlungs­ge­biet  Veltenhof hat bis heute nichts an seinem exzel­lenten Ruf eingebüßt. Bei einem Gang durch den Ort kann man durchaus noch einige der alten Siedlungs­häuser nach „Pfälzer Art“ erkennen – die Pfälzer Mundart „Velten­he­j­wersch“ spricht dagegen wohl kaum noch jemand.

Carl I. hat sich jeden­falls neben seinen vielen  Initia­tiven für öffent­liche Kultur- und Bildungs­ein­rich­tungen, Wirtschafts­för­de­rung, ein staat­li­ches Sozial­wesen oder zuver­läs­sige Versi­che­rungs- und Kredit­an­stalten auch kulina­risch verdient gemacht. Wenn er die Pfälzer seiner­zeit nicht nach Braun­schweig gelassen hätte, wäre uns das verwehrt geblieben, worauf wir uns Frühjahr für Frühjahr so besonders freuen: unser Braun­schweiger Spargel!

Video zu Braun­schweiger Spezia­li­täten: https://www.der-loewe.info/braunschweigische-spaziergaenge‑6/

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