Der i‑Punkt auf eine gelungene Sanierung

Restauratorin Carla Leupold-Belter und Michael Wischnewski vom Bauherrn Stefan Gmyrek Holding GmbH unter der sanierten Stuckdecke. Foto: Daniela Nielsen/Stadt Braunschweig

Die Stuck­decke in der Villa Wester­mann stellt eine Beson­der­heit von überre­gio­naler Bedeutung dar.

Die Villa Wester­mann (Löwenwall 6) ist in den vergan­genen fünf Jahren Schritt für Schritt von Grund auf saniert worden. Heraus­ra­gend war dabei eine aus 45 Kasset­ten­fel­dern bestehende Stuck­decke. Sie war viele Jahrzehnte lang hinter einer Unter­decke verborgen. Nach ihrer Entde­ckung wurde sie in aufwän­diger Klein­ar­beit denkmal­ge­recht restau­riert. Die Stuck­decke stellt eine Beson­der­heit von überre­gio­naler Bedeutung dar. Ihre Sanierung war Bestand­teil der Förde­rungen, die die Stadt gemeinsam mit der Richard Borek Stiftung seit 2002 privaten und kirch­li­chen Projekten der Denkmal­pflege gewährt. Vorge­stellt wird sie im aktuellen Bericht „Denkmal­för­de­rung 2020/21. Zuschüsse zur Pflege des baulichen Kultur­gutes“, der in Kürze online einzu­sehen sein wird. „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ wird entspre­chend berichten. Vorab sprachen wir mit Restau­ra­torin Carla Leupold-Belter und Michael Wisch­newski vom Bauherrn Stefan Gmyrek Holding GmbH.

Detail­ge­treu restau­riertes Decken­feld in der südöst­li­chen Raumecke. Foto: Stadt Braun­schweig

Herr Wisch­newski, wie haben Sie die Stuck­decke überhaupt entdeckt?
Es war Zufall. Als wir das erste Oberge­schoss in Angriff genommen haben, um es wieder so herzu­richten, dass es dem äußeren Erschei­nungs­bild des Gebäudes entspricht, haben wir eine Trennwand entfernt. Dabei haben wir gesehen, dass da noch irgendwas hinter der abgehängten Decke verborgen sein muss, und ein kleines Feld geöffnet. Als ein Stück der wunder­baren Stuck­decke sichtbar wurde, war uns klar, dass es sich um einen Schatz handelt, der erhalten werden muss. Deswegen haben wir Frau Leupold-Belter zurate gezogen. Sie hat sich dann Milli­meter für Milli­meter in mikro­sko­pi­scher Klein­ar­beit vorge­ar­beitet. Ein erster Versuch, die Decke mit Trockeneis zu säubern, war fehlge­schlagen, weil so die Farbe mit herun­ter­ge­kommen wäre.

Befund der schad­haften Stuck­decke nach Abnahme der Unter­decke. Foto: Stadt Braun­schweig

Frau Leupold-Belter, was haben Sie vorge­funden?
Eine stark profi­lierte Stuck­decke mit Kassetten, die in ihrer Art mindes­tens in Braun­schweig einmalig ist und in Norddeutsch­land vielleicht noch in Hamburg vorkommt. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf von dem Archi­tekten Constantin Uhde selbst stammt. Die Art der Gestal­tung lässt auf die zweite Bauphase des Gebäudes Ende des 19. Jahrhun­derts schließen. Uhde hatte die 1868 erbaute Villa 1880 aufge­stockt und im Stil italie­ni­scher Renais­sance-Palazzi überformt. Dabei entstand der Raum mit der Stuck­decke im Oberge­schoss. Eine Kasset­ten­decke in der Art wie diese ist beispiels­weise im Palazzo Vecchio in Florenz zu sehen.

In welchem Zustand war die Decke?
Der Zustand war erstaun­lich gut. Wir haben anfangs nur an einem Teilfeld die Bestands­auf­nahme vorge­nommen, um zu sehen, wie viele Anstriche sich auf dem Stuck befinden. Es waren drei. Zwei polychrome und ein monochromer. Mit dem Skalpell und drei unter­schied­li­chen Lösungen bin ich auf die erste Farbfas­sung gestoßen. Die Fassung ist sehr aufwändig in Grün‑, Braun‑, Rot- und Blautönen mit schablo­nierten Friesen und floralen Ornamenten gestaltet. Die zweite Fassung war weiß, mit Vergol­dung. Da war die Frage, ob sie nicht auch denkmal­pfle­ge­ri­schen Wert hat. Deshalb finde ich die umgesetzte Lösung eine sehr, sehr gute. Es gibt jetzt drei Referenz­flä­chen der ersten Fassung und der Rest ist verein­facht neu gefasst.

Wie beurteilen Sie das Resultat, Herr Wisch­newski?
Es ist der i‑Punkt auf eine mehrjäh­rige Arbeit. Das Gebäude wurde 2019 mit dem Ziel erworben, die Villa wieder im Sinne der Denkmal­pflege zu sanieren. Vieles von dem, was die Villa ausmacht, war anfangs nicht zu erkennen, wie etwa die Holzfuß­böden, auf denen meistens Teppich­boden lag, oder die Holzver­tä­fe­lungen, die wir sandstrahlen mussten, um die untypi­sche hochglän­zende Oberfläche abzutragen und eine matte zu erhalten. Die Sanierung der Stuck­decke war auch deswegen so schwierig, weil Setzungs­risse des Gebäudes Schäden daran mitver­ur­sacht hatten. Wir sind sehr froh, dass wir sie retten und für die Nachwelt erhalten konnten. Sie ist jetzt wieder ein Schmuck­stück und schon für sich ein Denkmal für heraus­ra­gende Baukunst.

Komplett­an­sicht der sanierten Decke mit den farbigen Restau­rie­rungs­fel­dern. Foto: Stadt Braun­schweig

Fakten:

Constantin Uhde (1836–1905) war freier Architekt, Hochschul­lehrer und Publizist in Braun­schweig. Er stand in der Zeit des Histo­rismus für die Verbin­dung histo­ri­schen Bauens mit den neuen Bauweisen seiner Zeit. Uhde plante sowohl techni­sche Projekte der Eisenbahn, Fabriken, Brücken als auch öffent­liche Bauten und zahlreiche Wohnbau­pro­jekte, einschließ­lich großzü­giger Villen. Bekann­teste Werke von ihm sind das Altge­bäude der TU, die Okerbrücke Pockels­straße, die ehemalige Synagoge, das Bankhaus Löbbecke, zahlreiche Villen wie zum Beispiel Rimpau und Löbbecke in Braun­schweig und nicht zuletzt die Villa Seeliger in Wolfen­büttel.

Mehr unter: der-loewe.info/motivation-fuer-eigentuemer-von-denkmalen

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