Ein Braun­schweiger Natio­nal­held

Das Porträt des „Schwarzen Herzogs“ Friedrich Wilhelm von Johann Christian August Schwartz aus dem Jahr 1809. Foto: Stadtarchiv
Das Porträt des „Schwarzen Herzogs“ Friedrich Wilhelm von Johann Christian August Schwartz aus dem Jahr 1809. Foto: Stadtarchiv

Der Legende nach fiel der „Schwarze Herzog“ zwei Tage vor der Schlacht bei Waterloo durch einen Schuss, der durch Hand, Lunge und Leber ging.

Der 200. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo ist beherr­schendes Thema der europäi­schen Erinne­rungs­kultur. Bücher, Ausstel­lungen, Vorträge, Reisen… Wer möchte, kann sogar als einer von 5.000 Statisten an einer Rekon­struk­tion der Schlacht am Origi­nal­schau­platz teilnehmen.

Auch Braun­schweig hat seine eigene Geschichte in Belgien. Die Schlacht bei Waterloo beendete mit der militä­ri­schen Nieder­lage der franzö­si­schen Armee das Macht­streben Napoleons, der mit seinem Heer ganz Europa überrannte. Doch als am 18. Juni 1815 72.000 Franzosen 68.000 Alliierten und 48 000 preußi­schen Soldaten gegen­über­standen, hatte Braun­schweig sein Waterloo schon erlebt. Zwei Tage vorher war Herzog Friedrich Wilhelm, genannt der „Schwarze Herzog“, in der Schlacht von Quatre-Bras gefallen. Der Legende nach einem Schuss, der durch Hand, Lunge und Leber ging.

„Trauer tönet von der Deutschen Eiche,
Sie beweinet ihren Helden­sohn,
Streuet thränen­voll der blut’gen Leiche
Deiner Tapfer­keit und Tugend Lohn“.

So trauert August Heinrich Hoffmann von Fallers­leben in seiner noch im selben Jahr erschie­nenen „Elegie auf den Tod des Herzogs von Braun­schweig“. Tatsäch­lich wurde Friedrich Wilhelm von Braun­schweig schon vor seinem Tod als Volksheld verehrt, sein Marsch von Thüringen bis zur Nordsee ging in die deutschen Geschichts­bü­cher ein und machte ihn schon zu Lebzeiten zu einer Legende.

Friedrich Wilhelm wurde 1771 als vierter Sohn des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand geboren. Sein Leben war geprägt vom Kampf gegen Frank­reich und Napoleon, gemeinsam mit seinem Vater kämpfte der Braun­schweiger Thron­folger 1806 in der Schlacht bei Jena und Auerstedt, bei der Herzog Carl Wilhelm Ferdinand tödlich verwundet wurde.

Die Regierung im Herzogtum Braun­schweig konnte Friedrich Wilhelm nach dem Tod seines Vaters
jedoch nicht antreten. Napoleon hatte es nach dem Frieden von Tilsit 1807 dem neu geschaf­fenen König­reich Westphalen zugeteilt und unter die Regierung seines Bruders Jérôme gestellt. Friedrich Wilhelm zog sich zunächst in sein preußi­sches Herzogtum Oels zurück.

Um sich weiter am Kampf gegen Napoleon zu betei­ligen, stellte Friedrich Wilhelm dort 1809 das Herzog­lich Braun­schwei­gi­sche Korps zusammen. Da seine 2300 Mann starke Truppe überwie­gend schwarze Uniformen trug, erhielt sie den Beinamen „Schwarze Schar“. Zunächst kämpfte sie an der Seite Öster­reichs, als dieses jedoch unterlag und einen Waffen­still­stand mit Frank­reich verein­barte, zog Friedrich Wilhelm mit seiner Armee alleine weiter. Mit dem Schlachtruf „Sieg oder Tod“ marschierten sie über Halle, Halber­stadt, Braun­schweig, Burgdorf, Hannover, Delmen­horst und Elsfleth nach Brake, wo die Truppe auf die briti­schen Insel Wight übersetzte. Besonders die Erstür­mung von Halber­stadt und das Gefecht bei Ölper vor den Toren Braun­schweigs am 1. August 1809, in dem Friedrich Wilhelm sich gegen eine dreifache Übermacht behaup­tete, wurden von der deutschen Öffent­lich­keit in Gedichten und Liedern gefeiert.

Nach der Nieder­lage Napoleons in der Völker­schlacht von Leipzig und dem Ende der franzö­si­schen Herrschaft kehrte auch Friedrich Wilhelm, auf Bitten der Braun­schweiger Bevöl­ke­rung, aus seinem Londoner Exil zurück. Sie empfing ihn begeis­tert, Ehren­garden und Singchöre säumten die Straßen, voller Hoffnungen und Wünsche an ihren neuen Landes­herrn. Doch die Realität dämpfte schon bald die hoch gesteckten Erwar­tungen der Unter­tanen, die Umgestal­tung des Herzog­tums nach der westphä­li­schen Regierung stellte Friedrich Wilhelm vor große Heraus­for­de­rungen.

Auch den Kampf gegen Napoleon hatte der neue Herzog noch nicht aufge­geben. Die europäi­schen Großmächte verhan­delten bereits in Wien über eine neue Ordnung in Europa, als Napoleon am 26. Februar 1815 sein Exil auf Elba verließ und in Südfrank­reich an Land ging. Auf seiner Reise nach Paris feierte ihn die Bevöl­ke­rung und auch in der Haupt­stadt wurde er jubelnd empfangen. Napoleon nutzte die Begeis­te­rung in Frank­reich, um eine neue Armee aufzu­stellen. Er marschierte mit 125.000 Mann und 25.000 Pferden nach Belgien, um die Verei­ni­gung der engli­schen mit der preußi­schen Armee zu verhin­dern. Diese hatten beschlossen, gemeinsam mit Öster­reich und Russland, den Krieg gegen Napoleon wieder aufzu­nehmen. Im Juni kam es zur entschei­denden Schlacht, für Europa und für Braun­schweig.

„Unser Landes­vater ist gefallen!
Auf der Wahlstatt fleußt sein Theu’res Blut.
Nimmer soll sein Thaten­ruhm verhallen.
Ewig sei gepreist sein ed’ler Muth.“

Der Wunsch des Fallers­leber Dichters nach einem Gedenken an die Taten Herzog Friedrich Wilhelms ging in Erfüllung. Als Freiheits­kämpfer und Held im Kampf gegen Napoleon wurde er zu einer Identi­fi­ka­ti­ons­figur der braun­schwei­gi­schen Geschichte im 19. und 20. Jahrhun­dert. Die schwie­rigen Verhält­nisse, in der er sein Herzogtum zurück­ge­lassen hatte, traten zurück hinter seinen „Heldentod“ als Opfer für die Freiheit Deutsch­lands. Die Natio­nal­so­zia­listen belebten die Erinne­rung an den „Schwarzen Herzog“ wieder, als sie seinen Kampf gegen Napoleon für ihre antifran­zö­si­sche Politik nutzten. Heute ist er außerhalb der Region Braun­schweig kaum bekannt, obwohl es das ihm gewidmete und gerade restau­rierte Denkmal in Quatre-Bras.

In Braun­schweig jedoch ist die Verehrung der Bevöl­ke­rung für „ihren“ Herzog auch heute noch erkennbar. Vor dem Schloss reitet er an der Seite seines Vaters, der Obelisk auf dem Löwenwall erinnert ebenfalls an die beiden im Kampf gegen Napoleon gefal­lenen Herzöge. Als zum 75jährigen Gedenken an den Tod des Herzogs 1890 die Bevöl­ke­rung aufge­rufen war, Erinne­rungs­stücke an die Befrei­ungs­kriege zusam­men­zu­tragen, war die Betei­li­gung so groß, dass mit dieser Sammlung das Vater­län­di­sche Museum, das heutige Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum, gegründet wurde.

Der Braun­schweiger Natio­nal­held, der heute in kaum einem Geschichts­buch mehr einen Platz hat, wurde im Braun­schweiger Dom beigesetzt. Oder, um mit Hoffmann von Fallers­leben zu sprechen:

„Hier wohnt uns’res treuen Wilhelms Leiche,
Noch mit frischem Lorbeer­reis‘ umkränzt.
Er entschlum­merte zu jenem Reiche,
Wo ein ewigholder Friede glänzt.“

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