Ein Schmuck­stück mit Biss

Abb. 1: Grandelbrosche.
Abb. 1: Grandelbrosche.

Objekt des Monats, Folge 20: Die Grandel­bro­sche.

Seit jeher wurden für Schmuck die unter­schied­lichsten Materia­lien verar­beitet: Metall, Holz, Ton, Perlen, Minera­lien, Gesteine, Knochen oder Elfenbein. Weniger bekannt ist dagegen die Verwen­dung von Grandeln, den Eckzähnen aus dem Oberkiefer des Rothir­sches.

Das Wort „Grandel“ stammt ursprüng­lich aus der Jäger­sprache und ist vor allem im süddeut­schen und öster­rei­chi­schen Sprach­raum gebräuch­lich.

Archäo­lo­gi­sche Funde belegen, dass Hirsch­zähne schon seit der Steinzeit als Schmuck getragen und als Trophäen gesammelt wurden. Die Zähne dienten nicht nur als Dekor, sondern auch als Zeichen von Jagder­folg und sozialem Status.

Schon zu früheren Zeiten wurden Grandeln von Männern und Frauen als Jagdtro­phäe an einer sog. Charivari, einer über dem Gürtel­band des Trach­ten­kos­tüms angebrachten Glieder­kette, getragen.

Häufig schenkten Jäger ihren Ehefrauen zu Schmuck­stü­cken verar­bei­tete Grandeln als Zeichen Ihrer Verbun­den­heit. Neben Anhängern, Ringen oder Ohrringen waren Grandeln vor allem auch als Zierde von Broschen sehr beliebt.

Abb. 2: Das herzogliche Ehepaar Victoria Luise und Ernst August, um 1935.
Abb. 2: Das herzog­liche Ehepaar Victoria Luise und Ernst August, um 1935.

Ein beson­deres Geschenk für die Herzogin

Hierzu gehört auch die in der Form eines kleinen Aststü­ckes gestal­tete Brosche aus den 1920er Jahren (Abb. 1), die Victoria Luise (1892–1980) von ihrem Ehemann Herzog Ernst August (1887–1953), dem letzten regie­renden Herzog von Braun­schweig, geschenkt bekam (Abb. 2).

Wie bei den meisten Adeligen seiner Zeit spielte auch für Ernst August die Jagd eine bedeu­tende Rolle. Für ihn war die Jagd nicht bloß Zeitver­treib, dem er insbe­son­dere nach seiner Abdankung im Jahr 1918 im öster­rei­chi­schen Exil in Gmunden nachging, sondern ein diszi­pli­näres Übungs­feld für Geduld, Beobach­tung und Respekt vor der Natur.

Die insgesamt vier Grandeln werden auf Goldfas­sungen getragen, die wie kleine Kätzchen entlang des aus Gold gefer­tigten Astes wachsen (Abb. 3). Wie anhand der Inschrift des Etuis zu erkennen ist, wurde die Brosche bei dem Juwelier F. W. Sanders in Hannover herge­stellt.

Abb. 3: Detail Grandelbrosche.
Abb. 3: Detail Grandel­bro­sche.

Kombi­niert wurde diese Art von Schmuck neben der klassi­schen Trach­ten­mode gerne mit Wander­klei­dung, wie sie auch Victoria Luise bei Ihren Wande­rungen in den Bergen trug; Wandern war eine Vorliebe, die sie sich nicht nur mit ihrem Mann teilte, sondern der sie auch bis ins hohe Alter treu blieb.

Je älter, umso wertvoller

Grandeln sind selten. Als besonders begehrt gelten dunklere braune Exemplare, was zum einen auf die Nahrung der Hirsche zurück­zu­führen ist: Nadel­bäume, insbe­son­dere Kiefern, hinter­lassen auf den Zähnen eine bräun­liche Läsur. Zum anderen zeugen die braunen Stellen vom hohen Alter des Tieres.

Nach dem Tod von Victoria Luise wurde die Grandel­bro­sche bei dem Aukti­ons­haus Exner in Hannover verstei­gert. Im Jahr 2007 wurde sie der Richard Borek Stiftung angeboten, die sie daraufhin für ihre Sammlung erwarb. Die Brosche ist im Grünen Salon des Schloss­mu­seums Braun­schweig in einer Vitrine zu sehen, die dem Thema Victoria Luise und ihrer Wander­lei­den­schaft gewidmet ist.

Das könnte Sie auch interessieren