Objekt des Monats, Folge 20: Die Grandelbrosche.
Seit jeher wurden für Schmuck die unterschiedlichsten Materialien verarbeitet: Metall, Holz, Ton, Perlen, Mineralien, Gesteine, Knochen oder Elfenbein. Weniger bekannt ist dagegen die Verwendung von Grandeln, den Eckzähnen aus dem Oberkiefer des Rothirsches.
Das Wort „Grandel“ stammt ursprünglich aus der Jägersprache und ist vor allem im süddeutschen und österreichischen Sprachraum gebräuchlich.
Archäologische Funde belegen, dass Hirschzähne schon seit der Steinzeit als Schmuck getragen und als Trophäen gesammelt wurden. Die Zähne dienten nicht nur als Dekor, sondern auch als Zeichen von Jagderfolg und sozialem Status.
Schon zu früheren Zeiten wurden Grandeln von Männern und Frauen als Jagdtrophäe an einer sog. Charivari, einer über dem Gürtelband des Trachtenkostüms angebrachten Gliederkette, getragen.
Häufig schenkten Jäger ihren Ehefrauen zu Schmuckstücken verarbeitete Grandeln als Zeichen Ihrer Verbundenheit. Neben Anhängern, Ringen oder Ohrringen waren Grandeln vor allem auch als Zierde von Broschen sehr beliebt.

Ein besonderes Geschenk für die Herzogin
Hierzu gehört auch die in der Form eines kleinen Aststückes gestaltete Brosche aus den 1920er Jahren (Abb. 1), die Victoria Luise (1892–1980) von ihrem Ehemann Herzog Ernst August (1887–1953), dem letzten regierenden Herzog von Braunschweig, geschenkt bekam (Abb. 2).
Wie bei den meisten Adeligen seiner Zeit spielte auch für Ernst August die Jagd eine bedeutende Rolle. Für ihn war die Jagd nicht bloß Zeitvertreib, dem er insbesondere nach seiner Abdankung im Jahr 1918 im österreichischen Exil in Gmunden nachging, sondern ein disziplinäres Übungsfeld für Geduld, Beobachtung und Respekt vor der Natur.
Die insgesamt vier Grandeln werden auf Goldfassungen getragen, die wie kleine Kätzchen entlang des aus Gold gefertigten Astes wachsen (Abb. 3). Wie anhand der Inschrift des Etuis zu erkennen ist, wurde die Brosche bei dem Juwelier F. W. Sanders in Hannover hergestellt.

Kombiniert wurde diese Art von Schmuck neben der klassischen Trachtenmode gerne mit Wanderkleidung, wie sie auch Victoria Luise bei Ihren Wanderungen in den Bergen trug; Wandern war eine Vorliebe, die sie sich nicht nur mit ihrem Mann teilte, sondern der sie auch bis ins hohe Alter treu blieb.
Je älter, umso wertvoller
Grandeln sind selten. Als besonders begehrt gelten dunklere braune Exemplare, was zum einen auf die Nahrung der Hirsche zurückzuführen ist: Nadelbäume, insbesondere Kiefern, hinterlassen auf den Zähnen eine bräunliche Läsur. Zum anderen zeugen die braunen Stellen vom hohen Alter des Tieres.
Nach dem Tod von Victoria Luise wurde die Grandelbrosche bei dem Auktionshaus Exner in Hannover versteigert. Im Jahr 2007 wurde sie der Richard Borek Stiftung angeboten, die sie daraufhin für ihre Sammlung erwarb. Die Brosche ist im Grünen Salon des Schlossmuseums Braunschweig in einer Vitrine zu sehen, die dem Thema Victoria Luise und ihrer Wanderleidenschaft gewidmet ist.