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Genialer Regisseur der Meisterelf

Lothar Ulsaß (obere Reihe, zweiter von rechts) führte die Meistermannschaft. Auf dem Foto obere Reihe von links: Präsident Ernst Fricke, Hans-Georg Dulz, Jürgen Moll, Joachim Bäse, Trainer Helmuth Johannsen, Horst Wolter, Peter Kaack, Lothar Ulsaß, Erich Maas, untere Reihe von links: Klaus Gerwien, Walter Schmidt, Gerd Saborowski und Klaus Meyer. Foto: Archiv Ralph-Herbert Meyer.
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Große Sportpersönlichkeiten, Folge 5: Lothar Ulsaß kam 1964 von Arminia Hannover und führte Eintracht Braunschweig 1967 zum legendären Titelgewinn.

Auf den Schulhöfen Braunschweigs wollte in jenen Tagen jeder sein wie Lothar Ulsaß. Er war der große Dirigent von Eintrachts legendärer Meistermannschaft. 1967 holte das Team vor allem dank seines Spielwitzes und seiner 14 Tore den deutschen Fußballtitel. Der begnadete Techniker bestritt für Eintracht von 1964 bis 1972 insgesamt 201 Bundesligaspiele und erzielte dabei 84 Tore. „Lothar war eine echte Führungspersönlichkeit. Er war unser Spiellenker und Torjäger in Personalunion, so etwas ist selten“, erinnerte sich Achim Bäse, damals Kapitän Eintrachts und Zimmergenosse von Ulsaß während der Trainingslager, später.

Von Arminia Hannover geholt

Lothar Ulsaß wird vom Hamburger Willy Schulz gefoult. Im Hintergrund Lothar Kurbjuhn. Screenshot: Helmuth lass die Löwen raus.

Lothar Ulsaß wird vom Hamburger Willy Schulz gefoult. Im Hintergrund Lothar Kurbjuhn. Screenshot: Helmuth lass die Löwen raus.

Ulsaß kam aber nicht als Star zu Eintracht. Dennoch war er vor dem Start in die zweite Bundesliga-Saison die entscheidende Verpflichtung des weitsichtigen Meistertrainers Helmuth Johannsen auf dem Weg zum Titelgewinn. Der 23jährige, damals Torjäger des Regionalligisten Arminia Hannover, stand als hoffnungsvolles Talent auf der Wunschliste mehrerer Bundesliga-Klubs. Der Hamburger SV glaubte schon, den Transfer unter Dach und Fach zu haben, als Johannsen Ulsaß zur Reise nach Amsterdam zum Intertotorundenspiel einlud, um Team und Umfeld näher kennenzulernen. Das war ein gelungener Schachzug. Noch im dortigen Hotel unterschrieb der künftige Eintracht-Regisseur. Ihm hatte gefallen, was er gesehen hatte. Es war der Start zu einer Karriere auf großer Bühne.
Trotz der Verpflichtung galt Eintracht aber in der Bundesliga weiter als „graue Maus“. Selbst im Meisterjahr zählte kein einziger Bundesliga-Trainer die Johannsen-Elf zum erweiterten Favoritenkreis. Die Frankfurter Allgemeine schrieb sogar recht gehässig: „Die Gefahr, dass die Hanse der Bundesligastädte als nächsten Fremdkörper die biederen Braunschweiger abstößt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Das Ausscheiden der Braunschweiger käme einer folgerichtigen Begradigung der geografischen und wirtschaftlichen Bundesligagremien gleich.“ Spätestens nach Eintrachts souveränem 3:0 über den zuvor punktgleichen Verfolger aus Frankfurt am 21. Spieltag änderte sich die Wahrnehmung wohl auch am Main.
Unvergessen sind die dramatischen Minuten um Lothar Ulsaß bei Eintrachts erstem Auftritt im Europapokal der Meister bei Rapid Wien. In der 39. Minute erlitt der geschmeidige Regisseur, wie immer Dreh- und Angelpunkt des Teams von Trainer Helmut Johannsen, eine tiefe Platzwunde an der rechten Schläfe. Blutüberströmt verließ Ulsaß den Platz. Er wurde in der Kabine genäht, kam in der 62. Minute mit einem dicken Kopfverband wieder auf den Platz. Auswechseln war damals noch nicht erlaubt. Eintracht verlor 0:1, kam dank des 2:0-Sieges (Tore: Wolfgang Grzyb und Gerd Saborowski) vor eigener Kulisse aber weiter.

International erfolgreich

Die großen Auftritte gegen Wien und Juventus Turin (3:2, 0:1, 0:1 im Entscheidungsspiel in Bern) wurden direkt im Fernsehen übertragen, ganz Deutschland fieberte plötzlich mit Eintracht, die schon als sympathischer Außenseiter Meister geworden war. Lothar Ulsaß und seine Mannschaftskollegen erwarben sich damals ein unerhört hohes Maß an Ansehen. „Die entfesselten Furien aus Braunschweig schienen Juventus zu demütigen. Aber Italiens Meister rettete sich nach der Pause vor der Erniedrigung“, zitiert Jochen Döring in seinem Buch „Helmuth, lass die Löwen raus“ die italienische Zeitung „Tuttosport“ zum Auftritt im Eintracht-Stadion. Braunschweigs Peter Kaack hatte im spektakulären Heimspiel zwei Bälle unglücklich ins eigene Tor abgefälscht.

Im DFB-Dress einen Hattrick

Ulsaß bestritt für einen Akteur seiner Qualität „nur“ zehn Länderspiele in der A-Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes. „Lothar hätte sicher viel mehr Länderspiele absolviert, wenn er nicht mit dem Kölner Wolfgang Overath und dem Gladbacher Günther Netzer zwei weitere Ausnahmespieler vor sich gehabt hätte“, ist Achim Bäse überzeugt. „Hinderlich war wohl auch, dass Lothar für einen Provinzklub spielte“, mutmaßte Bäse im nach Ulsaß‘ Tod geführten Interview. Seinen großen Auftritt in der Nationalmannschaft hatte Ulsaß am 9. Oktober 1965, als er beim 4:1 über Osterreich einen lupenreinen Hattrick innerhalb von 35 Minuten schaffte. Insgesamt erzielte der gebürtige Hannoveraner acht Tore für den DFB.
Die Ära Lothar Ulsaß endete in Braunschweig abrupt und unrühmlich. lm Rahmen des Bundesligaskandals wurde Eintrachts wohl bedeutendster Fußballer vom DFB für ein Jahr gesperrt, weil er eine Prämie von Arminia Bielefeld angenommen hatte. Ulsaß wechselte zum Wiener SK, war in Österreich sofort wieder spielberechtigt und blieb bis 1978 aktiv.

Tod durch Schlaganfall

Seine Kontakte nach Braunschweig, wo er im Ortsteil Schapen gewohnt hatte, brachen weitgehend ab. Auch zur 100-Jahr-Feier (1995) war er nicht gekommen. „Aber den Verein hat er nie aus den Augen verloren“, versicherte Utz Lambers, ein guter Freund aus Braunschweiger Tagen, kurz nach dem Tod des Fußball-Idols. Ulsaß, der nach seiner Fußballer-Laufbahn in Wien blieb und ein erfolgreicher Geschäftsmann in der Sportartikelbranche war, erlag am 16. Juni 1999 einem Schlaganfall. Für Braunschweigs Fußball-Kenner ist er unvergesslich.

Eintrachts Rekord Bundesliga-Spieler

Franz Merkhoffer (419 Spiele), Bernd Franke (346), Wolfgang Grzyb (306), Peter Kaack (299), Reiner Hollmann (270), Klaus Gerwien (237), Dietmar Erler (236), Achim Bäse (234), Bernd Gersdorff (204), Lothar Ulsaß (201).

Eintrachts Meistermannschaft

Tor: Hans Jäcker (†), Horst Wolter; Abwehr: Joachim Bäse, Wolfgang Brase, Wolfgang Grzyb (†), Peter Kaack, Wolfgang Matz (†), Klaus Meyer (†), Moll Jürgen (†); Mittelfeld: Hans-Georg Dulz (†), Lothar Ulsaß (†), Walter Schmidt; Sturm: Klaus Gerwien (†), Wolf-Rüdiger Krause, Erich Maas (†), Gerd Saborowski.

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