Leucht­turm­pro­jekt für die Kunst­szene

Der Allge­meine Konsum­verein und die Braun­schwei­gi­sche Stiftung veran­stal­teten das 6. Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“.

Nein, es fällt Künst­le­rinnen und Künstlern nicht leicht, ihre Ateliers zu öffnen, damit das Publikum sehen kann, wo und wie Kunst entsteht. Alle zwei Jahre führt für jene aus Braun­schweig und der Region aller­dings kein Weg vorbei. Denn dann veran­staltet der Allge­meine Konsum­verein das Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“. Zentrum war auch bei der sechsten Auflage das Künst­ler­haus Hinter Liebfrauen. Insgesamt betei­ligten sich aber 80 Künst­le­rinnen und Künstler aus der gesamten Region und öffneten ihre Ateliers.

„Es ist schon speziell, weil Ateliers ja eigent­lich ein verschlos­sener Raum sind, in dem Dinge entstehen und indem natürlich viele Sachen herum­liegen, die aus der Arbeit heraus entstehen“, sagt Martina Reichelt. Die gebürtige Bonnerin erzählt, was es heißt, sein Atelier zu öffnen: „Die Tage vorher heißt es: aufräumen, aufräumen, aufräumen. Weil natürlich die ganzen Arbeits­ma­te­ria­lien wegge­räumt werden müssen, damit das Atelier überhaupt vorzeigbar und für größere Menschen­gruppen betretbar ist. Und dann ist immer die Frage: Wie viel zeigt man, was präsen­tiert man?“

Für Hans Wesker ist, obwohl Künstler der ersten Stunde im Haus des Allge­meinen Konsum­ver­eins, die Teilnahme an dem Kunstfest stets eher ein Angehen als eine liebge­won­nene Tradition. „Diesen intimen Bereich zu öffnen, ist immer wieder ein Einbruch in meine Arbeits­pro­zesse. Ich muss mich überwinden“, erklärt der Klang­künstler unumwunden.

„Ich wäge aber immer wieder ab und spüre am Ende, dass die unmit­tel­baren Begeg­nungen mit den inter­es­sierten Menschen eine Beson­der­heit ist. Es ist faszi­nie­rend, diese tastenden Leute zu beobachten, die eigent­lich nur neugierig reinkommen und dann merken, da ist jetzt etwas zwischen privat und öffent­lich. Und wenn dann plötzlich ein Funke überspringt, man ins Gespräch über die Kunst  kommt, dann findet etwas statt, was ich sonst nirgendwo so erleben kann“, überwiegen auch bei ihm schließ­lich stets die positiven Momente.

Dr. Anne Mueller von der Haegen leitet das Kunst­festes von Beginn an. Gemeinsam mit ihrem Team hat es die Vorsit­zende zu einem Leucht­turm­pro­jekt für die hiesige Kunst­szene entwi­ckelt. „Braun­schweig hat eine Kunst­hoch­schule und hat ganz viele Künstler, die hier wohnen. Die Idee war also: Wir bauen eine Brücke zwischen Publikum und den Künstlern und Künst­le­rinnen in der Region und zeigen, dass Braun­schweig eine Region ist, in der Kunst nicht nur gelehrt wird und deswegen entsteht, sondern in der auch Kunst ansässig ist, in der einfach auch Künstler und Künst­le­rinnen ihr Atelier haben. Es ist wunderbar, dass wir mit der Braun­schwei­gi­schen Stiftung einen so engagierten Koope­ra­ti­ons­partner gefunden haben“, berichtet sie von den Anfängen.

Mit dem Konzept der offenen Ateliers wird die Hemmschwelle für Kontakte zwischen Publikum und Künstlern im Vergleich zu herkömm­li­chen Ausstel­lungen tatsäch­lich deutlich verrin­gert. Es entsteht eine vertrau­liche Atmosphäre, es kommt zu einem Austausch auf Augenhöhe. Der Erfolg bestätigt die Heran­ge­hens­weise. An den Tagen des offenen Ateliers  kommen mehr Besucher, um sich die Werke anzuschauen, als das norma­ler­weise in Galerien der Fall ist. An den sich entwi­ckelnden Dialogen zwischen Besuchern und Künstlern wird deutlich, dass sich hier und jetzt nicht nur ein enger Exper­ten­kreis an die Kunst wagt sondern vielmehr breite Bevöl­ke­rungs­schichten.

Als einen Erfolgs­faktor dafür hat Thomas Bartels die Vielfalt im Braun­schweiger Künst­ler­haus ausge­macht. „Das macht das Kunstfest für Besucher besonders spannend, gerade jetzt hier im Haus, wo mehrere Ateliers nur durch eine Treppe getrennt sind, kommen die Besucher von einem Medium in ein anderes. Eine Besucherin staunte: Ich war jetzt unten bei den neuen Medien, nun bin hier auf einmal bei den alten Medien und da war auch noch Malerei dazwi­schen! Und das ist einfach das Tolle, dass man so verschie­dene künst­le­ri­sche Medien erleben kann und auch sehen kann, wie wir Künstler damit umgehen“, meint er.

Für Braun­schweigs Künst­ler­szene spielt das Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ jeden­falls eine eminent wichtige Rolle, sagt Martina Reichelt. Die Veran­stal­tung lenke die Aufmerk­sam­keit auf den Schaf­fens­pro­zess, der gewöhn­lich im Verbor­genen bleibt, meint sie.

„Die zeitge­nös­si­sche Kunst ist in Braun­schweig nicht unbedingt sichtbar. In dem Moment, wo die Ateliers offen sind, gehen aber viele Leute durch, die staunen, was in dieser Stadt künst­le­risch so alles passiert. Ich habe schon oft gehört: Mensch, das habe ich schon in Berlin gesehen, das habe ich schon in Hamburg gesehen – und das entsteht hier? Das ist ja toll!“, erläutert sie.

Das Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ hat erneut auf höchst infor­ma­tive und unter­halt­same Art Künstler und Kunst­in­ter­es­sierte zusam­men­ge­führt. All jenen, die das Kunstfest in diesem Jahr verpasst haben, sei empfohlen, sich den Oktober 2017 vorzu­merken. Vorfreude ist erlaubt…

Mehr: www.konsumverein.de/

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