Plötzlich lebt das alte Braun­schweig wieder auf

„Timejumps“ machen die Verän­de­rungen des Stadt­bilds anhand von histo­ri­schen Fotos und Zeitraffer-Überblen­dungen ins Hier und Jetzt deutlich.
Am 14. Oktober jährt sich die verhee­rende Bomben­nacht, die Braun­schweig in Schutt und Asche legte, zum 80. Mal. Es war die Nacht, in der Braun­schweig sein Gesicht im Bomben­hagel der Alliierten endgültig verlor. 90 Prozent der mittel­al­ter­li­chen Stadt mit ihren herrli­chen Fachwerk­bauten wurden unwie­der­bring­lich zerstört. Wie sah die Stadt vorher aus? Und wie hat sie sich seither verändert? Kamera­mann Dirk Troue gibt mit seinem Projekt „Timejumps“ eindrucks­volle Antworten. Auf Wunsch der Richard Borek Stiftung werden aus Fotos histo­ri­scher Stadt­an­sichten Video­clips produ­ziert, die den Wandel von damals ins heute zeigen. Eindrück­lich ist dabei zu erleben, wenn die zerstörten Gebäude in der heutigen Stadt noch stehen und wirken würden „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ veröf­fent­licht die Filme in seiner neuen Serie „Braun­schweiger Timejumps“ in loser Folge.

Animierte Videos

Die Produk­tion dieser Videos erfordert akribi­sche Vorarbeit. Im Stadt­ar­chiv sucht Dirk Troue zunächst geeignete Stadt­an­sichten aus der Vorkriegs­zeit. Anschlie­ßend vergleicht er anhand eines alten Stadt­plans, wie sich alte Straßen durch die autoge­rechte Stadt verändert haben und ob er den Standort des einstigen Fotografen überhaupt einnehmen kann, um seine Zeitraffer-Aufnahmen zu reali­sieren. Und schließ­lich muss er auch noch den exakten Standort und die genutzte Brenn­weite des Fotoap­pa­rates des damaligen Fotografen ermitteln, mit der die histo­ri­sche Aufnahme angefer­tigt wurde. Schließ­lich hilft eine digitale Software, beide Zeitepo­chen zu überblenden und auch zum Animieren von Gebäuden und Fahrzeugen. Das macht die Clips spannend und überzeu­gend.
„Häufiger ist es nicht möglich, die alte Vorlage exakt zu verwenden, weil sich zum Beispiel Straßen­züge verändert haben. So muss ich dem fließenden Verkehr, oder Bäume, die die Szenerie verdecken, auswei­chen“, berichtet der 50-Jährige von Unwäg­bar­keiten, die bei der Auswahl der histo­ri­schen Fotos nicht vorher­sehbar sind. Der Bohlweg ist so ein Beispiel, aber auch die Alte Waage. Dort wurde die Straßen­füh­rung erheblich geändert. Auf dem Magni­kirch­platz sind die nach dem Krieg gepflanzten Bäume zu mächtig geworden und verhin­dern den freien Blick.

Dirk Troue. Foto: Der Löwe

Beton und Verkehr im Fokus

„Es ist krass, wie sich die Stadt verändert hat. Beim Wieder­aufbau standen Beton und Verkehr im Fokus. Die alten Ansichten von früher waren natürlich viel schöner als die Bauten der Nachkriegs­zeit. Aber man kann die Zeit ja nicht zurück­drehen, ich kann nur zeigen, was alles verloren gegangen, wuseliger und öder geworden ist“, sagt Dirk Troue. Ein Parade­bei­spiel dafür ist der Blick auf die Ecke Bohlweg/Langer Hof, dorthin, wo heute das neue Rathaus als vielleicht ernüch­terndste Verän­de­rung der Nachkriegs­zeit steht.

Angefangen mit den „Timejumps“ hat Dirk Troue bereits 2017 in St. Gallen, als er dort arbeitete. Als Pausen­füller gedacht, hat er sich daran geübt, diese Zeitsprünge zu erzeugen. Zurück in seiner Heimat­stadt Hannover nach fast 30-jähriger arbeits­be­dingter Abwesen­heit entwi­ckelte er sein Konzept weiter für das Histo­ri­sche Museum Hannover. Dort wurden die Clips schnell zu einem Renner, nicht nur bei den altein­ge­ses­senen Hanno­ve­ra­nern. Es gibt 20 Clips von St. Gallen und 60 von Hannover. In Braun­schweig stehen in einer ersten Charge 20 an. Braun­schweig gibt viel her, weiß Dirk Troue. Seine Mutter studierte in Braun­schweig, sodass er einen Bezug zur Stadt hat und einige Ecken von Besuchen in den 1980er-Jahren kennt.

Großar­tiges Projekt

„Timejumps ist ein großar­tiges Projekt, um Geschichte lebendig zu vermit­teln. Alte Fotogra­fien besitzen schon einen großen Reiz, aber mit diesen Überblen­dungen zeigt sich auch der dynami­sche Lauf von Geschichte in einer Stadt“, freut sich Michael Grisko, Geschäfts­führer der Richard Borek Stiftung, das Projekt nach Braun­schweig geholt zu haben. Er sieht „Timejumps“ auch als gelungene Ergänzung zu unserer Serie „Verschwun­dene Kostbar­keiten“ von Bauhis­to­riker Elmar Arnhold.

Dirk Troue stellt die Videos ehren­amt­lich her. „Es ist mein Hobby, und ich bin zufrieden, wenn ich Menschen mit der Arbeit eine Freude machen kann“, meint er bescheiden. Mit Anfahrt, Drehar­beiten und Bearbei­tung ist der Zeitauf­wand für einen 30-Sekunden-Clip mit vier Stunden schon recht hoch. Manch ein Urlaubstag wird dafür geopfert. Manchmal kommt er auch vergebens, so wie an diesem Tag, als er am Ackerhof drehen will und quasi über Nacht eine neue Baustelle die Drehar­beiten unmöglich macht …

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