Schlief Napoleon in Braun­schweig?

Die ehemalige Garnisonsschule. Foto Thomas Ostwald
Die ehemalige Garnisonsschule. Foto Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 40: Die frühere Garni­son­schule ist heute Sitz der Recht­an­walts­kammer.

Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Jahre 1806 war das vorüber­ge­hende Ende des Herzog­tums Braun­schweig durch den Einzug des franzö­si­schen Heeres besiegelt. Divisi­ons­ge­neral Baptiste Pierre Bisson wurde als Militär­gou­ver­neur zum Verwalter ernannt. Am 18. August 1807 ließ Napoleon per Dekret verkünden, dass das ehemalige Herzogtum nunmehr zum König­reich Westphalen unter seinem Bruder Jérôme Bonaparte gehöre.

Am 16. Mai 1808 traf der neue König im Schloss Richmond ein und ließ am nächsten Tag seinen Einzug in die Stadt Braun­schweig zelebrieren. Der Architekt Peter Josef Krahe errich­tete am August­platz eigens für diesen Anlass einen Triumph­bogen, dort überreichte ihm der Bürger­meister den Schlüssel zur Stadt. Nächste Station war der Aegidi­en­markt, wo dem neuen König Lieder gesungen wurden.

Im April 1809 besuchte Jérôme erneut Braun­schweig. Das Residenz­schloss am Bohlweg sollte für ihn umgebaut werden, doch der König von Westphalen war von dem Depart­ment an der Oker, wie man Braun­schweig nannte, nicht sonder­lich begeis­tert. Inzwi­schen regte sich auch der Wider­stand in Deutsch­land, Herzog Friedrich Wilhelm stellte zeitgleich seine „Schwarze Schar“ auf, die zu seinem Beinamen „Schwarzer Herzog“ führte.

Es gab schon 1808 Unruhen gegen die franzö­si­sche Besatzung, aber durchaus auch begeis­terte „Franzo­sen­freunde“ in Braun­schweig, die die Herrschaft Napoleons bejubelten. Daher mag das hartnä­ckige Gerücht entstanden sein, dass Kaiser Napoleon höchst selbst seinen Bruder Jérôme in Braun­schweig aufsuchte und aufgrund der Bauar­beiten im Residenz­schloss nicht dort, sondern in der Garni­sons­schule übernach­tete.

Das darf jedoch getrost in den Bereich der Legenden verwiesen werden, denn Napoleon hat Braun­schweig nie persön­lich aufge­sucht. Bis 1926 diente das Gebäude als Schule. Im Zweiten Weltkrieg wurde es stark beschä­digt und wieder aufgebaut.

Am 29. September 1853 wurde am Lessing­platz das von Ernst Rietschel entwor­fene Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing enthüllt. Gegossen hat die 2,60 Meter hohe Bronze­figur Georg Howaldt in seiner Werkstatt Hochstraße 21, in der fast alle in Deutsch­land aufge­stellten Denkmale der Zeit herge­stellt wurden (vgl. dazu auch Folge 18: Diesen Burgturm gibt es doppelt). Die Fläche rund um das Denkmal hieß noch bis 1858 „Hinter Aegidien“, dann erfolgte die Umbenen­nung in „Lessing­platz“. Der weitaus größere Teil des Platzes wurde 1881 als „Sieges­platz“ bezeichnet, denn dort wurde am 26. April1881 ein Sieges­denkmal enthüllt. Es sollte an den Sieg über Frank­reich im Deutsch-Franzö­si­schen Krieg von 1870/71erinnern. Das Denkmal wurde nach dem Entwurf des Bildhauers Adolf Breymann ebenfalls von Georg Howaldt gegossen wurde. Ein Teil dieses Denkmals, die Germania, wurde im 2. Weltkrieg einge­schmolzen, das restliche Denkmal schwer beschä­digt. Heute ist nichts mehr davon erhalten.

Schaut man nun an Lessing vorbei zur Nordseite, so befand sich dort die Aegidi­en­schule, später die besagte Garni­sons­schule. An der Westseite stand das Haushal­tungs­ge­bäude des Aegidi­en­klos­ters, das 1776 zur Aegidi­en­ka­serne umgebaut, 1843 jedoch abgebro­chen wurde.

Was also heute noch zu sehen ist und erst 2013 nach Renovie­rung von der Rechts­an­walts­kammer übernommen wurde, ist das im Auftrag von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand 1795 erbaute Gebäude der Garni­sons­schule. Der Herzog wollte damit einen Beitrag leisten, damit die Kinder der Soldaten und Unter­of­fi­ziere die Grund­lagen der Bildung vermit­telt werden konnten. Napoleon schlief dort tatsäch­lich nie.

Quellen:

Braun­schweiger Stadt­le­xikon, Braun­schweig, 1992

Berthild Vogel, Lessing­platz 3, Eigen­verlag 2003

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