„Über Break­dance lassen sich Werte vermit­teln“

Gespräch mit Simon Stapper, Sozial­päd­agoge am städti­schen Jugend­zen­trum „Mühle“, über das „Battle of the Year“, über die Ursprünge des Tanzes und die Szene in Braun­schweig.

Herr Stapper, ist Break­dance mehr Lebens­ge­fühl oder eigent­lich doch mehr Sport?

Ob es mehr Lebens­ge­fühl oder Sport ist, hängt von jedem selbst ab. Wie er das sieht, wie er das empfindet oder wie er den Zugang dazu hatte, was er so im Leben, in seinem Tänzer­leben aufnimmt. Ich vergleiche das immer mit Surfen. Einer­seits ist es für Außen­ste­hende einfach nur ein Sport, anderer­seits ist es aber für die, die es machen auch ihr Lebens­ge­fühl. Sport ist für mich immer so: Du kommst von der Arbeit, packst deine Sachen und gehst zum Sport. Dann kommst du wieder nach Hause, und dann ist es vorbei. Lebens­ge­fühl ist mehr, das trägt man in sich, den ganzen Tag. So wie ich jetzt aussehe – so würde ich auch tanzen. Du fühlst die ganze Zeit die ganze Kultur.

Das Lebens­ge­fühl Break­dance – was ist das, was muss man sich darunter vorstellen?

Jeder Tanz hängt ja von einer bestimmten Musik ab. Ballett tanzt man zu klassi­scher Musik oder man poogt im Kreis zu Punkmusik. Breaken kommt von der Funkmusik, hat einen bestimmten Rhythmus und einen bestimmten Groove. Und je nach dem, was die Musik mit einem macht, so bewegt man sich auch. Ursprüng­lich kommt HipHop ja aus der New Yorker Bronx. Da haben sie Break­dance als Vehikel benutzt, um der Jugend Werte zu vermit­teln. Das tue ich natürlich auch heute noch hier in der Mühle. Wie zum Beispiel: Wenn ich hart arbeite, kann ich etwas erreichen. Es geht um Gemein­schaft, Zusam­men­halt, es geht auch viel um Gemein­wesen.

Break­dance als Ventil für Hoffnungs­lo­sig­keit?

Ja genau, wenn man sich die Bronx in den 1960er, 1970er Jahren vorstellt, dann war das ein Elends­viertel aus Ruinen. Die Kinder hatten nichts. Der Spiel­platz war ein kaputtes Auto oder so. Viele Trends kommen von der Straße. Wenn du da erfolg­reich bist, hast du die Möglich­keit, aus deinem Alltags­trott rauszu­treten. Dann bist du der Star aus dem Viertel. Das war beim Graffiti malen auch so. Wenn die Züge durch ganz New York fuhren und deine Leute wussten, dass du das gesprayt hast, dann warst du eine kleine Größe in der Szene. Beim Breaken ist das genauso – wenn du gut wirst, dann hast du die Chance, aufzu­steigen.

Mit dem BOTY verlässt Break­dance die Straße, geht auf die Bühne. Wie bewerten Sie das?

Es gibt immer gute und schlechte Seiten. Break­dance kommt von der Straße, und es gibt gewisse Gesten oder gewisse Bewegungen, die sind nicht für die Bühne gedacht. Der Tanz hat Geschichte. Das hat ja nicht 1984 mit der Bravo angefangen. Die gute Seite ist aber, dass ein breiteres Publikum die Möglich­keit hat, Zugang zum Break­dance zu finden. Das ist auch gut für mich, für meine Arbeit, die ich hier im Jugend­zen­trum mache.

Gibt es in Braun­schweig noch HipHop-Kultur, die tatsäch­lich auf der Straße statt­findet?

Es gibt verein­zelt noch welche, die so Sachen auf der Straße machen, die sich präsen­tieren wollen mit einem Radio, einem Ghetto­blaster. Das kriege ich am Rande manchmal mit, weil die auch hierher kommen. Ich biete zweimal in der Woche ein kosten­loses Training für Nachwuchs an. Das kostet nichts und ist ab zwölf Jahren. Wir arbeiten da auch mit der Pesta­loz­zi­schule zusammen.

Break­dance als Show ist nicht Ihre Sache, oder?

Viele krasse Bewegungen haben gar nichts mehr mit Musik und Tanz zu tun, sondern eher mit Akrobatik. Ich hab auch Respekt vor den Leuten, so ist das nicht. Aber es hat halt für mich nicht mehr viel mit dem ursprüng­li­chen Tanz zu tun.

Sie sind jetzt Ende 30 und immer noch ein B‑Boy. Wie lange wird das noch so sein?

B‑Boy im Kopf bleibst du irgendwie immer, und eine Alters­grenze kann ich nicht sagen. Sammy, von den Breakers aus New York, der heute zum Workshop kommt, ist 52. Ich hab auch gedacht, ich mach das nur so lange, wie ich Spaß dran habe. Das ist noch immer der Fall. Manche Bewegungen sind halt nicht mehr so dynamisch. Da musste halt etwas runter­schrauben, was so pausenlos Auf-dem-Kopf-drehen angeht.

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